Zuletzt aktualisiert am

Bräuche

Die geheimnisvollen Raunächte: Mythen, Bräuche und ihre Bedeutung

von Michael Christensen

Zwölf Nächte voller Mythen und Symbolik markieren den Übergang vom alten zum neuen Jahr: die Raunächte. Laut Adrian Roßner von der Uni Bayreuth gelten sie als Zeit des Werdens und Vergehens, geprägt von Bräuchen, die das Alte vertreiben und das Neue willkommen heißen.

Die Raunächte, auch als „Öberste“ bekannt, umfassen die zwölf Nächte zwischen Heiligabend und Dreikönig. Sie stehen für den Übergang vom alten zum neuen Jahr und seien tief im Volksglauben verwurzelt. Adrian Roßner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fränkische Landesgeschichte an der Universität Bayreuth, beschreibt sie als eine Zeit des Übergangs:

„Wichtig ist, dass sich in diesen zwölf Nächten die Zeitläufe überlagern: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen und ermöglichen es den Seelen der Verstorbenen, ins Jetzt zurückzukehren. Gleichzeitig können die Menschen einen Blick in die Zukunft wagen.“

Die Symbolik der zwölf Nächte spiegelt die menschliche Suche nach Ordnung und Kontrolle wider. „Sie symbolisieren das Ende des alten Jahres und den Beginn des neuen, wobei ihre Anzahl mit der Zahl der Monate und (doppelt genommen) der Stunden des Tages korreliert“, erklärt Roßner.

Insofern stehen sie symbolisch für die Zeitläufte. Ähnlich wie der Glaube an Glücksbringer sollen die Rituale der Raunächte Gutes herbeiführen und das Böse fernhalten. Eine ähnliche Bedeutung hat auch der Strohberta-Brauch in Trebgast.

Der Ursprung des Namens: Räuchern, Rauheit und Mythen

Der Name „Raunächte“ habe verschiedene mögliche Ursprünge. „Er könnte vom Räuchern stammen, das symbolisch dazu diente, das Alte aus dem Haus zu vertreiben,“ sagt Roßner. Alternativ wird die „Rauheit“ der Nächte, geprägt von wilden Geistern und Dämonen, als Namensgeber gesehen. Auch das mittelhochdeutsche Wort „Ruch“ (haarig) könnte eine Rolle spielen, da viele Wesen wie die „Perchten“ behaart dargestellt werden. Eine eindeutige Antwort gibt es jedoch nicht, so Roßner.

Die Bedeutung von Heiligabend, Silvester und Dreikönig

Die Raunächte beginnen mit Heiligabend, dem Fest der Rückkehr des Lichts in Gestalt von Jesu Geburt. Silvester markiert den Übergang vom Alten zum Neuen, und Dreikönig schließt die Raunächte ab. Früher wurde dieser Tag oft „Hochneujahr“ genannt, da mit ihm das neue Jahr endgültig begann.

„Die Raunächte sind keine Gegenbewegung zu Weihnachten, sondern ein Teil davon. Sie zelebrieren den Sieg des Lichts über die Dunkelheit – eine universelle Symbolik, die in vielen Religionen zu finden ist,“ erläutert Roßner.

Mythen und Bräuche der Raunächte

Die Raunächte sind reich an faszinierenden Traditionen:

  • Waschverbot: Weiße Wäsche durfte nicht aufgehängt werden, da wandernde Seelen sich darin verfangen könnten.
  • Horchen: Wer zwischen 12 und 1 Uhr nachts an einem Kreuzweg lauscht, soll Botschaften über das kommende Jahr erhalten.
  • Essen: Dreierlei oder Neunerlei Gerichte an Heiligabend und Silvester sollten das kommende Jahr positiv beeinflussen.
  • Sprechende Tiere: Im Stall sollen Tiere mit menschlicher Stimme sprechen und die Zukunft vorhersagen können.
  • Knallen: Lärm vertreibt das Alte und bereitet den Weg für das Neue.

Alle Bräuche haben das Ziel, Altes loszulassen und das Neue willkommen zu heißen.

Raunächte im Brauchtum: Früher und heute

Die Raunächte gehören zu den wichtigsten Zeiten des oberfränkischen Brauchtums, sind jedoch keine regionale Erscheinung. Roßner betont, dass sie nichts mit nordischer oder heidnischer Mythologie zu tun haben. „Sie sind psychologisch erklärbar: Dinge, die man nicht verstand, wurden mit Logik und Symbolik greifbar gemacht.“

Früher waren die Raunächte vor allem im ländlichen Raum präsent, heute erleben sie eine Renaissance – oft mit esoterischem Anklang. Roßner warnt jedoch vor kommerziellen Angeboten: „Es braucht keine teuren Bücher oder Anleitungen. Viele Bräuche lassen sich leicht selbst umsetzen.“

Zeit für Besinnung und Tradition

Die Raunächte laden dazu ein, die Dunkelheit zu besiegen und das Licht zu begrüßen. Adrian Roßner empfiehlt, diese Zeit bewusst zu nutzen:

„Träume in den zwölf Nächten sollen Hinweise für die kommenden zwölf Monate geben. Notieren Sie sie und nehmen Sie sich Zeit zur Besinnung.“

Die Raunächte sind eine Gelegenheit, Altes loszulassen, Neues zu begrüßen und die Verbindung zur Natur zu feiern.