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Fastenzeit: Verzicht bringt Erkenntnis
In der Fastenzeit halten sich viele fern von Zucker, Alkohol, Chips oder Kohlenhydraten. Eine Ernährungswissenschaftlerin erklärt: Was macht Sinn und was bringt der Verzicht für vierzig Tage eigentlich?
Worauf verzichten die Bayreuther in der Fastenzeit? Bei unserer Straßenumfrage fielen vor allem drei Antworten: Zucker, Alkohol und Kohlenhydrate. „Auf Süßigkeiten und Alkohol zu verzichten, ist eine gute Idee“, findet Janin Henkel-Oberländer. Sie ist Professorin für Biochemie der Ernährung an der Uni Bayreuth. Auf Kohlenhydrate zu verzichten, sei aber nicht unbedingt sinnvoll oder umsetzbar. „Zu den Kohlenhydraten gehört ja nicht nur Zucker, dazu zählen zum Beispiel auch ballaststoffreiche Getreide, die wir brauchen.“
Kohlenhydrate sind nicht der Feind
Nach Empfehlung des Bundesamts für Landwirtschaft und Ernährung sollen etwa 50 Prozent unseres Energiebedarfs aus Obst und Gemüse kommen, ein Drittel aus Getreide, Getreideprodukten und Kartoffeln. Kohlenhydrate spielen also eine elementare Rolle für eine gesunde Ernährung.
Zucker ist aber nur mit etwa 10 Prozent in diese Rechnung eingeschlossen. „Mit freiem Zucker, also Glucose und Fructose muss der Darm nicht viel machen, er kann ihn einfach aufnehmen. Zu viel auf einmal überfordert ihn, und er gibt die Arbeit sozusagen an unsere Leber weiter.“ Die Leber wandle den Zucker dann in Fett um. „Wenn wir die Leber mal geschädigt haben, haben wir ein höheres Risiko für Diabetes oder Herzkrankheiten“, erklärt Henkel-Oberländer. Nehmen wir Zucker nicht in Form von Limo oder Gummibärchen zu uns, sondern in Kombination mit Ballaststoffen, wie es zum Beispiel bei Obst der Fall ist, gehe die Aufnahme von Zucker langsamer. Und das sei gesünder. Lesen Sie auch: Regierungshonig für den guten Zweck: 650 Euro Spende an „Die Summer“ e.V.
Verzicht bringt vor allem eins: Erkenntnisgewinn
Realistischerweise gehört Zucker aber langfristig zu unserem Alltag dazu. „Etwas Süßes zum Kaffee zu essen, ist nicht schlimm, nur sollte man es eben nicht übermäßig tun“, sagt Janin Henkel-Oberländer. Sie findet: „Der Verzicht in der Fastenzeit macht insofern Sinn, als dass er eine Erkenntnis bringen kann: Wieviel Zucker esse ich eigentlich und wie geht es mir, wenn ich es weniger tue?“ Beim Alkohol verhalte es sich ähnlich: Wem es wirklich schwer falle, bis Ostern keinen Alkohol zu trinken, habe ein Problem. „Der Mythos vom gesunden Glas Rotwein am Abend hält sich zwar hartnäckig, die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät aber mittlerweile ganz davon ab, Alkohol zu trinken“, sagt Henkel-Oberländer.
Beim Fasten vorsichtig sein
Wer nicht auf einzelne Genuss- oder Lebensmittel verzichtet, sondern das Fasten ganz wörtlich nimmt, hat sich vielleicht eine richtige Fastenkur vorgenommen. „Grundsätzlich kann unser Körper evolutionär bedingt mit dem Fasten umgehen. Er passt sich an“, sagt Janin Henkel-Oberländer. Fastenkuren, bei denen vollständig oder stark auf Nahrung verzichtet wird, sollten aber ärztlich begleitet werden. Besonders gefährlich ist „unbetreutes“ Fasten für Menschen, die Medikamente nehmen oder Vorerkrankungen haben. „Medikamente wirken anders, wenn ich sie mit einer Mahlzeit einnehme“, sagt Janin Henkel-Oberländer.
Für manche Menschen kann eine betreute Fastenkur, wie das Heilfasten nach Otto Buchinger, aber auch motivierend sein. „Dabei wird über sieben bis zehn Tage hinweg die Energiezufuhr reduziert und hauptsächlich der Flüssigkeitsbedarf gedeckt und die Stoffwechseltätigkeit aufrechterhalten“, erklärt Janin Henkel-Oberländer. „Man kann es als einen Einstieg in eine Ernährungsumstellung sehen, einen Einschnitt, nach dem etwas anders werden soll.“
Essen ist auch Genuss
Essen ist aber mehr als bloße Nahrungsaufnahme. Nicht umsonst gehen wir zu besonderen Anlässen Essen oder decken den Tisch schön, wenn wir Gäste haben. „Essen ist auch Genuss und Lebensfreude und hat eine soziale und emotionale Bedeutung“, sagt Janin Henkel-Oberländer. „Im Studium waren wir Ernährungswissenschaftler im Vergleich mit den Biologen die Studiengruppe, die das beste Dessertbuffet hatte.“ Sich gesund zu ernähren heißt also nicht, nie wieder ungesund zu essen, sondern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, in welchem Maße wir es tun.