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Interview

Unter vier Augen mit Thomas Ebersberger: Der Oberbürgermeister über Selbstkritik und Pudel

von Katharina Müller-Sanke und Stefanie Schweinstetter

In unserer Reihe ‚Unter vier Augen‘ treffen wir Menschen aus Bayreuth, die uns oft nur durch ihre öffentliche Rolle bekannt sind. Diesmal: Oberbürgermeister Thomas Ebersberger. Er spricht über seinen Umgang mit Kritik, seine schönste Kindheitserinnerung und seine Perspektive auf den Wahlkampf.

Thomas Ebersberger ist seit Mai 2020 Oberbürgermeister von Bayreuth. Ein echter Bayreuther, der sein Leben hier verbracht hat – von der Schulzeit über das Jurastudium bis hin zu seiner langjährigen Tätigkeit als Stadtrat und Zweiter Bürgermeister. Zum Gespräch treffen wir ihn am 12. März in seinem Büro im Neuen Rathaus. Wir haben bei dieser Gelegenheit außerdem mit ihm über den möglichen Verkauf der Lohengrin-Therme, das Friedrichsforum und die damit verbundene Kritik gesprochen.

In unserem Entweder/Oder-Video haben wir Sie gefragt: „Zu Herzen oder zur Kenntnis?“ und damit auf Ihren Umgang mit Kritik angespielt. Sie haben sich für „zur Kenntnis“ entschieden. Warum?

Ich bin eher rational geprägt. Als gelernter Jurist versuche ich abzuwägen und nachzudenken, bevor ich etwas sage. In der Politik ist eigentlich eher das Herz gefordert, das kommt bei mir aber erst nach dem Kopf.

Wie machen Sie das, dass Kritik scheinbar so an Ihnen abperlt? Kann man das lernen?

Was anderes bleibt mir nicht übrig. Wenn ich mir alles zu Herzen nehmen würde, könnte ich gar nicht mehr schlafen (lacht). Ich habe das durch Erfahrung gelernt. Man kann die Leute nicht ändern.

Haben Sie nicht manchmal auch das Bedürfnis, sich zu verteidigen?

Wenn ich weiß, dass Vorwürfe nicht stimmen, nicht. Wenn es jetzt auf den OB-Wahlkampf zugeht, muss ich mich darauf einstellen, dass im Prinzip alle gegen mich sind. Es ist nicht mehr so wie früher, dass es nur zwei Kandidaten gibt, wenn überhaupt. Jede Liste, die Geltung haben will, stellt einen Kandidaten auf, der in die Talk-Runden kommt. Hans Walter Wild war früher schockiert, wenn es einen Gegenkandidaten gab. Heutzutage hat man fünf oder sechs Kandidaten, da hat man im ersten Wahlgang kaum die Chance, über 50 Prozent zu bekommen. Außerdem muss man sehen, wie sich die Stimmung mittlerweile aufgeheizt hat. Und bei einem Großteil der Bevölkerung geht es nicht darum, was eine Person gemacht hat oder was sie kann, sondern um den Eindruck: Wie kommt er gerade rüber, wie lächelt er am besten?

Sie hören viele Meinungen zu dem, was Sie tun. Woher wissen Sie, wann Kritik gerechtfertigt ist und wann sie von Eigeninteressen getrieben ist?

Es gibt Personen, denen ich da vertraue. Meine Frau steht da ganz oben, aber auch einige Freunde in der CSU sind dabei. Da bin ich mir sicher, dass sie mir ehrlich sagen, was sie denken. Es gibt einen alten chinesischen Satz, der mich sehr fasziniert, der geht so: „Meine Feinde erkenne ich daran, dass sie mich loben, meine Freunde daran, dass sie mich kritisieren.“

Wann sind Sie denn selbstkritisch?

Seit ich mich wirklich mit Politik beschäftige, denke ich jeden Abend vor dem Einschlafen darüber nach, was ich an dem Tag richtig oder falsch gemacht habe. Ich versuche, Fehler nur einmal zu machen. Wäre toll, wenn das dann auch immer klappen würde (lacht).

Ihre Position unterscheidet sich ja in manchen Fragen von der CSU-Linie. Beim Umbau Erlanger-/Bismarckstraße war es zum Beispiel so. Wie gehen Sie damit um?

Als ich als Jugendlicher angefangen habe, mich für Politik zu interessieren, hat mein Vater gesagt: „Geh nicht in die Politik, das verdirbt den Charakter.“ Und ich habe zu ihm gesagt : „Ich will dir beweisen, dass es nicht so ist.“ Einige Monate später ist er gestorben. Deswegen ist es für mich ein gewisses Vermächtnis, dass ich versuche durchzusetzen, was ich für richtig halte. Bis jetzt ist das mit der CSU sehr gut gegangen. Sicher gab es auch Zeiten, in denen es schwieriger war, jetzt sind wir uns aber schon seit vielen Jahren sehr freundschaftlich verbunden.

Auch Landrat Florian Wiedemann bei „unter vier Augen“ über Vermächtnisse gesprochen.

Was macht gute Politik aus?

Ich glaube, dass man geradlinig das macht, was man vorher sagt. Gut, manchmal geht das nicht. Wenn man sich jetzt anschaut, wie Friedrich Merz angegriffen wird… Was soll er denn machen? Die CDU kann nicht allein sagen, wo es lang geht. Er braucht die Stimmen, die er jetzt besorgt.

Sie waren 18 Jahre lang Zweiter Bürgermeister. Haben Sie damit gerechnet, noch an die Spitze zu gehen?

Eigentlich hatte ich damit abgeschlossen, aber wie es sich in der dritten Periode entwickelt hat, hab ich gedacht: Jetzt zum Berufsende machst du es nochmal. Und das hat ja jetzt auch geklappt. Und beim nächsten Mal gehe ich auch davon aus, dass die CSU mich nochmal aufstellt. Und ich kandidiere, um zu gewinnen.

Was haben Sie denn in Ihrer zweiten Amtszeit vor?

Mit den Schulen sind wir noch zwanzig Jahre beschäftigt. Das WWG scharrt ja auch zurecht mit den Hufen, dass es weitergeht. Und wenn wir mit den aktuell laufenden Projekten fertig sind, also zum Beispiel mit dem Friedrichsforum oder dem RWG, und wir uns was leisten können, dann geht es mit den Sportstätten weiter. Da müssen wir für Basketball, Eishockey und – eingeschränkt – Fußball vernünftige Örtlichkeiten schaffen. Beim Fußballstadion fehlen uns vielleicht noch 300.000 bis 400.000 Euro, bis das Stadion auf einem vernünftigen Stand ist. Beim Eishockey ist es eigentlich ein Unding, dass wir im Sommer bei 30 Grad in einem offenen Stadion Eis machen müssen. Man bräuchte auf jeden Fall eine geschlossene Eishalle. Und beim Basketball ist es so, dass wir eine größere Halle bräuchten, wenn wir noch einmal aufsteigen würden.

Sie schauen hier von Ihrem Büro direkt auf ein paar bunte Bänke, die auf dem Luitpoldplatz stehen. Dazu gehört zum Beispiel die Regenbogenbank. Wie kam die eigentlich an den Luitpoldplatz?

Die Regenbogen-Bank stand ja zuerst in der Wilhelminenaue, da wurde sie gleich beschädigt. Dann habe ich gesagt, wir holen die Bank jetzt in die Stadt herein, wo sie jeder sieht. Und wenn das noch einmal passiert, gibt es eine neue und auch noch eine weitere. Bis jetzt ist das aber Gottseidank nicht passiert und sie steht noch hier.

Diese Bank ist jetzt erst mal ein Symbol. Wie stellen Sie denn sicher, dass Sie auch die Menschen in Bayreuth vertreten, deren Lebensrealität Sie nicht teilen?

Ich glaube, ich vertrete diese Menschen einfach. Ich mache da keinen Unterschied. Auch wenn jemand genauso aussieht und läuft wie ich, können sich unsere Ansichten unterscheiden. Das private Leben ist Sache jedes Einzelnen. Ich habe mich nicht einzumischen, mit wem jemand zusammenlebt.

Wie empfinden Sie Ihr Verhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern insgesamt? Sind die Leute weniger obrigkeitshörig als früher?

Bestimmt: Ich bin aber keiner, der die Obrigkeit vertritt. Ich geh‘ jede Woche zu Aldi, Lidl oder zum Schneidermarkt. Selten werde ich an der Kasse nicht auf ein Problem in der Stadt angesprochen.

Kann man da eigentlich mal privat sein?

Nö (lacht). Die Rolle legt man eigentlich selten ab, das geht aber jedem Arzt oder Anwalt auch so. Als ich noch weniger in der Politik aktiv war, haben sie mich zu irgendwelchen Rechtsfragen ausgequetscht. Der Beruf gehört dazu, damit sollte man leben wollen.

Hier in Ihrem Büro hängt ein Bild von einer Schafkopfrunde. Warum?

Das habe ich von einem Festspielgast vererbt bekommen. Ich hab früher viel Schafkopf gespielt, in den letzten Jahren hatte ich aber nicht viel Zeit dazu. Ich habe auch eine Schafkopf-Runde, die heißt „Montags-Karter“, die letzten fünf Jahre haben wir aber glaub ich an keinem Montag gespielt.

Was bestellen Sie sich denn in der Kneipe oder im Café?

Ein Helles. Im Café einen schwarzen Kaffee ohne Zucker und ohne Milch. So schwarz wie die Seele (lacht).

Was machen Sie, wenn Sie schlechte Laune haben?

Durchschnaufen, mich ein bisschen konzentrieren. Vielleicht mal Roller oder Motorrad fahren oder in den Garten gehen und Holz hacken.

In meiner Jugend bin ich, wenn ich schlecht drauf war, zum Waldweiher gefahren. Wenn man hinter der hohen Warte in Richtung Euben und Theta fährt, gibt es einen kleinen Weiher. Früher konnte man da drin baden. Da bin ich als 16-Jähriger mit meinem Roller hin, wenn ich meine Gedanken ordnen musste. Da war ich dann meistens alleine und konnte mich wieder konzentrieren und überlegen, wie es weitergeht.

Was würden Sie Ihrem 16-jährigen Ich sagen, wenn Sie sich nochmal mit ihm an den Weiher setzen könnten?

Ich würde wenig anders machen. Ich hab immer versucht umzusetzen, was ich für richtig halte und nie richtig Wert darauf gelegt, die Nummer eins zu sein. Mein Nachbar in der Schule war Schulsprecher, aber ich wollte das nie. Wir haben uns super verstanden. Er hat ähnlich getickt wie ich, da war alles in Ordnung. Aber sobald jemand etwas anders macht, als ich mir das vorstelle, fange ich an zu bohren. Am liebsten hätte ich, dass die Anderen alles so machen, wie ich das gerne hätte (lacht). Leider ist das aber selten der Fall.

Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?

Vielleicht, als ich einen Hund gekriegt habe. Ich bin ja Einzelkind. Ich hatte eine Schwester, die ist aber früh verstorben. Deswegen war immer klar, dass da kein Geschwisterle mehr nachkommt. Ich war also viel alleine und da hat man dann natürlich ein ganz anderes Verhältnis zu so einem Hund, als wenn man noch drei Geschwister hat.

Ich bin also von der Schule heimgekommen und da ist mir so ein Wollknäuel entgegengerannt. Ich bin einfach weitergegangen. Da hat mich meine Mutter ganz merkwürdig angeschaut und gefragt: „Freust du dich nicht?“ Ich hab gefragt: „Warum?“ und sie: „Das ist dein Hund!“, dann hab ich mich gefreut (lacht). Der Hund hieß Marco, weil mich Marco Polo damals sehr fasziniert hat. Das war ein brauner Pudel, der hat aber nicht wie ein Pudel ausgeschaut.

Wie denn dann?

Naja, wie ein Hund (lacht). Ich hab ihn selber getrimmt. Das wollten die Leute zum Teil gar nicht glauben, dass das ein Pudel ist, weil er nicht so zurechtgeschnitten war, wie man das bei Pudeln oft macht.

Sie haben ja immer noch einen Hund, Rudi. Warum ist Ihnen das wichtig?

Es ist schön, wenn sich so ein Hund mit einem beschäftigt. Wenn ich abends nachhause komme, kratzt er schon an der Tür und wartet, dass ich seinen Ball noch ein paar Mal werfe. Das ist ein Apportierhund. Wenn er beim Spazierengehen seinen Ball dabei hat, interessiert er sich für sonst gar nichts, aber wenn nicht, dann geht’s ab. Er darf aber frei laufen, so ein Hund soll seine Freiheit haben. Er ist auch ziemlich gut erzogen, auf meine Frau hört er aber noch ein bisschen besser als auf mich.

Ihre Familie lassen Sie ja eher raus der Öffentlichkeit. Ist das eine bewusste Entscheidung?

Meine Frau und ich haben die Absprache, dass sie nicht zu den Veranstaltungen mitgehen muss, die das Amt so mit sich bringt. Das war eine Voraussetzung dafür, dass sie meiner Kandidatur zugestimmt hat. In letzter Zeit geht sie aber mehr mit, weil ihre Töchter jetzt aus der Schule raus sind. Und meine Söhne sind lange erwachsen.

Schon gelesen? Mit Alexandra Zimmer von der Bäckerei Lang haben wir viel über Familie gesprochen.

Was bedeutet Heimat für Sie?

Heimat ist extrem wichtig für mich. In Bayreuth bin ich daheim und hier werde ich mal begraben. Meine Mutter war Vertriebene aus Pommern und kam in den letzten Kriegstagen während eines Bombenangriffs nach Bayreuth. Mein Vater kommt aus einer alteingesessenen Bayreuther Familie, deren Stammbaum ich bis 1350 nachvollziehen kann. Ich wollte auch nie weg aus Bayreuth. Ich habe mich für ein Jurastudium entschieden, weil ich wusste, dass ich das in Bayreuth machen kann, ich habe meine Bundeswehr-Zeit hier verbracht. Alles in Bayreuth.