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„Wir fühlen uns gut aufgehoben“: Mit der Seniorenberatung im Landkreis Bayreuth unterwegs
Im Landkreis Bayreuth kommen Stefanie Hirschmann und Simon Henche direkt zu den Menschen. Die aufsuchende Seniorenberatung hilft bei Formularen – und bei vielem mehr.
Was ist, wenn ich mal nicht mehr kann? Was passiert mit meinem Haus, meinem Garten, den Menschen, um die ich mich kümmere? Und wer kümmert sich um mich? Das fragen sich viele Seniorinnen und Senioren. Unterstützung bei der Beantwortung dieser Fragen gibt es im Landkreis Bayreuth bei Stefanie Hirschmann und Simon Henche. Die beiden sind die aufsuchende Seniorenberatung des Landkreises. Die medizinische Fachangestellte und der Sozialpädagoge fahren zu den Seniorinnen und Senioren nachhause, um sie dort zu beraten.
Heute geht es nach Bindlach, zum Ehepaar Stockinger. Vermittelt hat die beiden Karola Meister, die Seniorenbeauftragten der Gemeinde. Oft informieren auch Nachbarn oder Bekannte die aufsuchende Seniorenberatung. „Wir sagen in der Regel offen, wer uns informiert hat“, betont Simon Henche. Das sei wichtig, um ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. „Manche Seniorinnen und Senioren sind anfangs misstrauisch – und das ist auch ihr gutes Recht“, sagt Stefanie Hirschmann.
Hirschmann und Henche bieten unkomplizierte Hilfe
„Ich hatte sofort ein gutes Gefühl“, sagt Frau Stockinger. Sie und ihr Mann sitzen mit Hirschmann und Henche am Tisch im Wintergarten ihres Reihenhauses in Bindlach.
Die Aufgabe für die aufsuchende Seniorenberatung war zunächst: Eine Fahrt für Herrn Stockinger in die Augenklinik nach Erlangen organisieren – Herr Stockinger hat grünen Star und ist fast vollständig erblindet. Inzwischen ist klar: Die Fahrt übernimmt der SiSo-Dienst in Weidenberg. Nun beschäftigt ein anderes Problem das Ehepaar: ein massiver Wasserschaden. Estrich liegt frei, Küchenutensilien sind in Kisten verstaut, Trocknungsgeräte brummten tagelang. Für den sehbehinderten Herrn Stockinger sind dadurch gefährliche Stolperfallen entstanden.
Hirschmann und Henche helfen bei der Kommunikation mit Versicherungen und Handwerkern – auch wenn das eigentlich nicht zur klassischen Seniorenberatung gehört. „Wir hatten den Eindruck, es tut Frau Stockinger gut, wenn wir sie in dieser belastenden Situation unterstützen“, sagt Stefanie Hirschmann. Gemeinsam mit der Seniorin hat sie einen Collegeblock angelegt, in dem sie Telefonate mit Möbelanbietern dokumentieren.
„Wenn die Frau Hirschmann anruft, dann hat das Hand und Fuß“, sagt Frau Stockinger. „Das hört sich gleich ganz anders an, als wenn ich anrufe. Vielleicht kann ich mich nicht so gut ausdrücken.“ Simon Henche beruhigt sie: „Es ist natürlich emotionaler für Sie, weil Sie ja in der Situation stecken.“
Seelsorge und Formulare
Während Stefanie Hirschmann mit einem Möbelanbieter telefoniert, fragt Simon Henche bei Herrn Stockinger nach seinem Gesundheitszustand. Die Augenentzündung sei mittlerweile wieder abgeklungen, sein Sehvermögen nehme aber weiter ab, berichtet Herr Stockinger. „Es ist wie durch einen Nebel zu schauen“, sagt er. Seine Frau hilft ihm bei der Orientierung, zum Beispiel beim Spazierengehen. „Ich muss ihm genau sagen: Jetzt geht’s ein Stückla rauf, jetzt geht’s ein Stückla runter“, erzählt sie.
Wie erlebt das Ehepaar den Kontakt mit der Seniorenberatung? „Das Reden schon allein macht mich überglücklich“, sagt Herr Stockinger. „Die beiden sind so eine Hilfe“, sagt Frau Stockinger. Wenn sie über Stefanie Hirschmann und Simon Henche spricht, hat sie Tränen in den Augen. „Wir fühlen uns sehr gut aufgehoben.“
Hilfebedürftig wirkt Frau Stockinger nicht, aber mehr als ausgelastet. Sie hat in ihrem Leben einiges in Bewegung gesetzt. Ihr erwachsener Sohn hat seit einem Unfall einen hohen Behinderungsgrad. Frau Stockinger erzählt: Sie hat alles wieder mit ihm gelernt, essen, zur Toilette gehen, laufen, den Alltag bewältigen, sich um Anträge und Formulare gekümmert. Momentan wohnt ihr Sohn wieder bei ihnen im Haus. „Also wenn Sie sich da Sorgen machen…“, sagt Simon Henche vorsichtig. „Ich mache mir große Sorgen“, sagt Frau Stockinger. „2030 muss mein Sohn die Altersrente einreichen, das habe ich ihm groß auf den Ordner geschrieben, in dem ich ihm alles ordne. Ich weiß ja nicht, ob ich so lange lebe.“
„Da haben Sie schon viel geleistet“, sagt Stefanie Hirschmann. „Wenn Sie sich Sorgen machen, stellen wir einen Kontakt zur Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung in Bayreuth her“, sagt Simon Henche. „Damit ihr Sohn die Unterstützung anderweitig bekommt, die Sie ihm jetzt geben.“
„Beim zwanzigsten Formular geht’s“
Formulare gehören zum Alltag der Seniorenberatung: Pflegegrade, Schwerbehindertenausweise, Vorsorgevollmachten. „Wenn man das Formular zum ersten Mal sieht, ist es erschlagend“, sagt Hirschmann. „Aber wenn man’s zwanzigmal gemacht hat, geht’s.“ Wenn sie mal nicht weiterwissen, sprechen sich Hirschmann und Henche regelmäßig mit anderen Stellen im Landratsamt ab.
Zuhören, vermitteln, begleiten
Ein Großteil der Arbeit sei eine Mischung aus Seelsorge und Organisation, erzählen die beiden. „Oft gibt es einen konkreten Anlass – und dann zeigt sich im Gespräch, dass noch viel mehr dahintersteckt.“ Bei Bedarf vermitteln sie an den Sozialpsychiatrischen Dienst oder andere Hilfsangebote. Natürlich stoßen sie auch an Grenzen: „Eine Wohnung können wir nicht vermitteln – aber wir können aufzeigen, wie ein gesetzlicher Betreuer helfen kann“, sagt Stefanie Hirschmann.
Großes Problem für Senioren im Landkreis: Mobilität
Das größte Problem, das die beiden für Seniorinnen und Senioren im Landkreis sehen? Mobilität. „Es gibt viele kleine Orte, in denen Seniorinnen und Senioren in großen Häusern, auf großen Grundstücken leben – und oft wenig Infrastruktur“, sagt Simon Henche. Deshalb ist es wichtig, dass die Seniorenberatung mobil ist. Termine vereinbaren die beiden telefonisch – in der Regel innerhalb von ein bis zwei Wochen. Alle Kontaktinformationen gibt es hier.
„Es ist ein Job, der glücklich macht“
Hirschmann und Henche beschreiben ihre Arbeit als lohnend, aber nicht immer leicht. „Wir waren auch schon bei einer Türöffnung dabei, bei der sich herausgestellt hat, dass eine Person nicht mehr lebt“, erzählt Hirschmann. Da ist es gut, mit der Aufgabe nicht alleine zu sein. Zum Glück sind 99,9 Prozent ihrer Begegnungen positiv, wie die beiden erzählen. „Es ist ein Job, der glücklich macht. Wir können etwas Gutes tun – und wirklich etwas bewirken“, sagt Stefanie Hirschmann.