Zuletzt aktualisiert am

Bundestagskandidaten

Bundestagswahl 2025 – Kandidat Jannick Metz (die Linke) im Interview

Die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 rückt näher. In unserer Interviewreihe mit den Bayreuther Kandidatinnen und Kandidaten spricht Jannick Metz (Linke) heute über Armut, Wertschätzung und Steuern.

Jannick Metz, Bundestagskandidat der Partei Die Linke in Bayreuth, setzt sich mit Nachdruck für soziale Gerechtigkeit, bessere Arbeitsbedingungen und einen konsequenten Kampf gegen rechtsradikale Tendenzen ein. In diesem Interview spricht Metz über drängende gesellschaftliche Probleme wie Kinder- und Altersarmut, notwendige Investitionen in öffentliche Infrastruktur und seine Vision für eine gerechtere Politik. Gleichzeitig wirft er einen kritischen Blick auf die Herausforderungen der aktuellen politischen Landschaft.

Schon gesehen? Hier sind Interviews und weitere Inhalte aller Kandidaten zur Bundestagswahl 2025 aus Bayreuth.

bt: Sie haben im Video diese für Sie drängendsten Probleme in Deutschland genannt: Kinderarmut, Altersarmut und steigende Gefahr von rechts. Wie kann man denn bei der Kinderarmut ansetzen?

Gegen Armut kämpfen

Jannick Metz: Das ist ein schwieriges Thema, weil Armut ja relativ ist. Das Bundesamt für Statistik sagt: Aktuell leben knapp 18 Prozent der Deutschen in Armut. Das bedeutet, dass sie ohne soziale Sicherungen nicht in Deutschland leben können. Weitere 13 Prozent leben im Prekariat, können also mit ihrem Geld über die Runden kommen, aber nichts sparen. Das ist insgesamt knapp ein Drittel der Deutschen, was zu viel ist für das drittreichste Land der Welt. Wenn wir das Problem der Kinderarmut angehen wollen, müssen wir zuerst das Einkommen der Familien stärken. Das geht über eine Mindestlohnerhöhung am einfachsten. Als der Mindestlohn eingeführt wurde, haben wir auf einen Schlag sechs Millionen arbeitenden Menschen ein höheres Einkommen verschafft. Der andere Punkt ist die Kindergrundsicherung, die jetzt in letzter Konsequenz nur in sehr abgespeckter Version gekommen ist.

bt: Wie ist es beim Thema Altersarmut?

Jannick Metz: Wir haben vor einigen Jahren die Rente auf 67 angehoben und ich finde nicht, dass wir die Rente jetzt auf 70 anheben sollten. Gerade in Jobs wie in der Pflege oder im Handwerk geht das nicht. Sehr viele Menschen haben keine ordentliche Rente. Deshalb setzen wir uns auch für eine Mindestrente von 1.200 Euro ein. In den Niederlanden sind es 1250 Euro Mindestrente, da wären wir dann im europäischen Vergleich sogar noch drunter.

Wertschätzung als Motivation

bt: Wie wären diese Maßnahmen denn zu finanzieren? Es gibt ja auch die Position, Menschen zur Arbeit zu motivieren, indem man sie stolz auf ihre Leistung macht. Geht diese Leistungsorientierung in einem linken Weltbild?

Jannick Metz: Natürlich! Meine Partei ist in der Arbeiterschaft verwurzelt. Wir haben nicht nur einen hohen Akademikeranteil wie andere Parteien, sondern auch einen hohen Gewerkschaftsanteil. Im Kreisvorstand sind die Hälfte der Leute in der Gewerkschaft engagiert.

Ich glaube, Wertschätzung hat nicht nur damit zu tun, jemandem für seine Leistungen zu applaudieren. Wertschätzung funktioniert doch darüber, dass wir vernünftige Arbeitsbedingungen schaffen.

Der Pflegeberuf ist nicht nur körperlich, sondern auch emotional sehr anspruchsvoll. Für diesen Beruf sollten wir eine Vier-Tage-Woche mit 32 Stunden einführen. Pflegekräfte brauchen diese Zeit zur Regeneration. Und sie sollten finanziell etwas davon haben, dass sie diesen wichtigen Beruf ausüben. Stolz auf die eigene Leistung bezahlt eben die Miete nicht.

bt: Jetzt haben wir über die Themen gesprochen, die für Sie besonders akut sind. Was ist denn zum Beispiel mit dem Klimawandel? Das ist für viele auch ein dringendes Problem.

Jannick Metz: Das ist ein sehr großes Thema, da gibt es nicht die eine Lösung. Da müssen wir an ganz vielen Stellschrauben drehen. Eine größere Stellschraube wäre das Energienetz. Da müssen wir es schaffen, mindestens 90 Prozent unserer Energie aus Erneuerbaren zu ziehen. Das ist am einfachsten und am kosteneffizientesten. Es ist schade, dass wir das noch nicht geschafft haben. Wir müssen aber auch auf die Mobilität schauen. Die Deutsche Bahn nervt, ist klar. Aber die Diskussion E-Autos oder Verbrenner ist total fehl am Platz. Wir müssten erst in den Städten und dann auf dem Land schauen, dass wir den Menschen vernünftige öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stellen: Busse, die jede halbe Stunde fahren, verlässliche Züge. Da hilft nur eine Milliarden-Investition in die Bahn. Das Sondervermögen für die Bundeswehr hätte ich mir für die Bahn gewünscht. Man hätte sagen können: Wir stecken jetzt mal 100 Milliarden in die Bahn.

Im Idealfall würde die Bahn wieder verstaatlicht.

Wir müssen die Brücken stärken, das Schienennetz ausbauen und mehr Waren so transportieren. Das wäre für Unternehmen auch günstiger, ihre Waren mit dem Zug von Friedrichshafen nach Flensburg zu bringen, als das mit Lkws herumzufahren.

Steuerreform

bt: Jetzt stellen wir uns mal vor, Sie würden im Koalitionsausschuss sitzen. Was muss denn rein in den Vertrag?

Jannick Metz: Für mich auf jeden Fall eine Reform der Erbschaftssteuer und eine Vermögenssteuer. Und wir müssen darüber diskutieren, wie wir mit öffentlichen Gütern umgehen, also mit der Bahn, mit den Energiekonzernen, mit dem Stromnetz und mit dem Gesundheitswesen. Gerade, wenn wir mit der SPD koalieren würden, müsste die SPD von diesen Forderungen doch nicht so weit entfernt sein.

bt: Im Osten hat die AfD ja ein paar dieser Forderungen übernommen. Ist das ein Problem, wenn es da Schnittmengen gibt?

Jannick Metz: Versprechen kann die AfD viel. Die SPD blinkt auch immer links und biegt dann vor jeder Wahl eher rechts ab. Ich nehme mal das Beispiel der Bürgermeisterwahl in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt. Da ist ein AfD-Kandidat Bürgermeister geworden, der versprochen hatte, die Kitas kostenfrei zu machen. Am Ende sind die Preise drastisch gestiegen. In ein Wahlprogramm kann man viel reinschreiben, das Parteiprogramm gibt da schon einen besseren Einblick. Das Wahlprogramm der AfD ist sehr neoliberal. Der extremste Flügel der FDP hätte gegen dieses Wahlprogramm vielleicht gar nicht so viel.

Vertrauen und Angst

bt: Am Ende geht es viel um Vertrauen, oder?

Jannick Metz: Politik ist Vertrauen und das ist der Grund, warum die AfD so stark gewinnt. Die anderen Parteien haben alle einen Vertrauensverlust hingenommen, da nehme ich meine Partei nicht raus. Die letzten drei Jahre mit dem Dauerstreit in der Ampel haben es nicht besser gemacht, aber auch die ständigen innerparteilichen Streitigkeiten in der Linken haben das Vertrauen nicht gestärkt. Das Vertrauen wieder aufzubauen wird lange dauern und das Problem, das ich im Moment sehe, ist, ob wir diese Zeit noch haben.

bt: Wovor haben Sie Angst?

Jannick Metz: Nach den letzten Wahlumfragen hat sich die AfD jetzt ja verdoppelt. Diese Partei radikalisiert sich vor unseren Augen immer weiter. Ich glaube, das ist mittlerweile kein Streitpunkt mehr, niemand, der sich halbwegs damit auseinandersetzt, kann das noch leugnen. Die Rhetorik wird extremer und in der AfD testet man aus, wie viele NS-Sprüche man bringen kann, ohne dass rechtliche Konsequenzen drohen. Und selbst wenn: Björn Höcke sagt ja sehr gerne “Alles für Deutschland”, da hat er jetzt 13.000 Euro Strafe zahlen müssen, aber das interessiert ihn am Ende des Tages wenig. Dass da kein Spendenaufruf gekommen ist, wundert mich ja fast.

Meine Angst ist, dass wir uns als Land noch weiter abschotten.

Ich verstehe es bis zu einem gewissen Punkt. Trump hat in den USA gewonnen und will nun einen harten, protektionistischen Kurs fahren. Wie es aussieht, wird es in den nächsten Jahren auf einen Handelskrieg zwischen den USA und Europa hinauslaufen, ähnlich wie es mit China ist. Ich verstehe diesen ersten Gedanken, sich abzuschotten, aber das ist nicht die Lösung.

Um auf Deutschland zurückzukommen: 20 Prozent AfD hätte ich vor fünf Jahren für absolut unrealistisch gehalten. Mittlerweile muss man es leider als eine reelle Gefahr sehen. Ich befürchte, dass die AfD nicht das umsetzt, was sie in ihrem Wahlprogramm schreibt, sondern das, was sie in ihrer Rhetorik vorschlägt. Die AfD hetzt stark gegen politische Gegner, das ist nur noch eine Stufe unter Gewaltandrohung gegenüber politisch Andersdenkenden. Ich muss oft an Walter Lübcke denken, der auf dem politischen Spektrum noch weit von mir entfernt war, aber trotzdem von Rechtsradikalen auf seiner eigenen Veranda umgebracht wurde. Ich habe Angst, dass wir in Weimarer Verhältnisse kommen, dass es mehr politische Gewalt gibt und diese auch akzeptiert wird.

bt: Wie sieht es denn in der politischen Debatte aus? Wie hart darf man den Gegner da verbal anfassen?

Jannick Metz: Ein etwas härterer Umgangston in der Politik gehört dazu, solange es nicht direkt beleidigend wird. Ich finde zum Beispiel das, was sich jetzt gerade Söder, Habeck und Merz gegenseitig an den Kopf werfen, kindisch. Alle drei Personen kann man kritisieren, auch scharf, aber ich würde niemals anfangen, sie persönlich anzugreifen. Das muss man trennen.

Ich finde, dass CDU/CSU sich sehr von der AfD treiben lassen und denken: “Die AfD macht das so, jetzt müssen wir das auch machen, um Wähler zurückzugewinnen.” Das sehe ich derzeit als große Gefahr.

bt: Viele Menschen sind von der Politik genervt. Was kann man da machen?

Jannick Metz: Wir in Bayreuth gehen von Haustür zu Haustür, das hat aber auch was mit unserem finanziellen Polster zu tun. Das ist eine richtige oldschool-Methode. Wir haben jetzt mit knapp 400 Menschen persönlich gesprochen. Es sind wirklich gute Geschichten dabei herausgekommen. So kann man wieder Nähe herstellen.

Weniger Prestigeprojekte

bt: Vom Bund fließt viel Geld auch nach Bayreuth. In welchen Bereich würden Sie noch mehr investieren wollen?

Jannick Metz: Es nervt mich etwas, dass sehr viele Prestigeprojekte gefördert werden. Sehenswürdigkeiten sind wichtig, die sollten wir auch erhalten, aber wir brauchen nicht noch mehr Prestigeprojekte. Kita-Plätze sollten mehr gefördert werden, mehr Frauen sollen arbeiten gehen können. Dafür brauchen wir gute Kita-Plätze, wo die Kinder gerne hingehen. Und es muss günstig sein, sodass alle sich das leisten können. Wir wollen auch mehr in öffentliche Infrastruktur stecken, der Bus soll bitte öfter kommen, auch ein engeres Busnetz für Bayreuth wäre schön. Das wollen die Bayreuther auch, das hat man in der Bürgerversammlung im November gesehen.

bt: Was die zurückliegende Regierung nicht gut gemacht hat, haben wir jetzt herausgehört: Sie hat sich zu viel gestritten. Aber was war denn gut an der Regierungsarbeit?

Jannick Metz: Man soll ja immer mit dem Positiven anfangen. Was ich tatsächlich gut fand, war das Heizungsgesetz. Es war eben leider sehr schlecht kommuniziert. Dass ärmere Haushalte bis zu 75 Prozent einer neuen Heizung finanziert bekommen, ist nicht selbstverständlich. Es gibt wenige staatliche Programme, die so großzügig sind. Niemand wollte einem eine Gasheizung oder eine Ölheizung aus der Wohnung reißen. Es ging ja nur darum, dass nach Ende der Laufzeit eine neue Heizung eingebaut werden sollte, in dem Fall eine elektrische Heizung. Die Regierung hatte viele gute Ideen, die Cannabis-Legalisierung war ein guter Gedanke, aber nicht so gut umgesetzt.

Dass dieser Referentenentwurf des Heizungsgesetzes veröffentlicht wurde, war ein Unding. Und da kommen wir jetzt zu einem Kritikpunkt: Die Kommunikation war die Hölle.

bt: Ich habe noch eine Frage, die von einer anderen Kandidatin stammt: “Sehen Sie bei der Abspaltung des BSW von der Partei die Linke eine Mitschuld bei der Linken oder bei einer Person? Dieser Prozess könnte ja dazu führen, dass die Linke gar nicht mehr in den Bundestag einzieht.”

Jannick Metz: Das ist eine coole Frage, die habe ich mir auch schon öfter gestellt. Ich bin ja Anfang des Jahres 2022 der Linken beigetreten, also gerade zum Höhepunkt des Streits. Als ich angefangen habe, mich für Politik zu interessieren, waren Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi meine Lieblingspolitiker. Seit 2019, 2020 hat sich Wagenknecht in eine seltsame Richtung entwickelt, also was die jetzt für Sachen sagt… Ich weiß noch gar nicht, wo das BSW jetzt zu verorten sein soll. Das ist irgendwie Wirtschaftspolitik der CDU mit linker Sozialpolitik und der restlichen Politik der AfD zusammengemischt. Aber um die Frage zu beantworten: Nein. Die Schuld, die wir haben, ist, dass wir Sahra Wagenknecht so lange mitgetragen haben. Man hätte ihr viel früher das Messer auf die Brust setzen und sagen müssen: “Entweder du gehst jetzt oder du bleibst”. Aber dieses Hin und Her ist uns allen auf die Nerven gegangen. Wenn jetzt 5.000 Menschen wegen ihr die Partei verlassen, dann ist das nicht die Schuld der Partei, sondern ist ihrem aufgeblähten Ego zuzuschreiben. Ob es am Ende reicht, um in den Bundestag zu kommen, weiß ich nicht.

bt: Welche Frage möchten Sie denn Herrn Peterka von der AfD stellen?

Jannik Metz: Ich würde gerne wissen, was er über die Konferenz denkt, über die correctiv Anfang 2024 berichtet hat und wie er zum Begriff Remigration steht.

Danke für das Gespräch.