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Bundestagskandidaten

Bundestagswahl 2025 – Kandidat Max Diepold (Volt) im Interview

Die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 rückt näher. In unserer Interviewreihe mit den Bayreuther Kandidatinnen und Kandidaten spricht Max Diepold von Volt heute über Pragmatismus und darüber, wie ein gemeinsames Europa künftig aussehen könnte.

Max Diepold, Mitglied der Partei Volt, tritt mit ambitionierten Ideen an. Er fordert den vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2035, ein gemeinsames europäisches Migrationssystem und die Reform der Schuldenbremse. Dabei betont er immer wieder den pragmatischen Ansatz seiner Partei und eine Abkehr vom klassischen politischen Schlagabtausch. Doch wie realistisch sind seine Vorschläge, und was unterscheidet Volt von anderen politischen Bewegungen? Ein Gespräch, das spannende Einsichten liefert – und kontroverse Fragen aufwirft.

Schon gesehen? Hier sind Interviews und weitere Inhalte aller Kandidaten zur Bundestagswahl 2025 aus Bayreuth.

Klimaneutral werden

bt: Im Kurzinterview haben wir über die drei drängendsten Probleme in Deutschland gesprochen. Was wäre denn zum Beispiel ein Lösungsansatz für das Thema Umwelt?

Max Diepold: Beim Thema Umwelt müssen wir auf jeden Fall schauen, dass wir weg von den fossilen Brennstoffen und bis 2035 auf 100% erneuerbare Energien kommen. Aber das ist natürlich nicht das einzige, was wir machen müssen, sondern wir müssen alle Sektoren: Bausektor, Energiesektor, Wärmesektor auf Klimaneutralität prüfen. Dafür müssen wir möglichst viel umstellen, weg von fossilen Brennstoffen, hin zu erneuerbaren Energien. Um das zu finanzieren, brauchen wir Subventionen.

Migration und Integration

bt: Das zweite Thema war der Umgang mit Migration.

Max Diepold: Wir brauchen da eine europäische Lösung. Aktuell kann jedes Land sein eigenes Süppchen kochen. Da braucht es klare Absprachen: Nach einem festen Maßstab, Bruttoinlandsprodukt, Bevölkerung und so weiter und sofort, damit die Leute überall in Europa gerecht verteilt sind. Und dann müssen wir es schaffen, die Leute dann auch direkt bestmöglich zu integrieren. Und das schaffen wir nicht dadurch, dass wir die in irgendeinem Asylbewerberheim einsperren, dass sie sich langweilen, dass sie nichts zu tun haben, sondern wir müssen schauen, dass die Leute in der Gesellschaft sich beteiligen können, Arbeit finden, und auch einfach teilhaben können. Dann kämen nämlich viele Symptome, die wir da haben, gar nicht erst zum Vorschein.

bt: Migration soll also in erster Linie aus dem Asylsystem kommen? Man könnte ja auch gezielt Menschen ins Land holen, die man braucht.

Max Diepold: Das müssen wir auch machen. Wir haben einen krassen Fachkräftemangel, wobei auch einen allgemeinen Arbeitskräftemangel. Unser Europaabgeordneter Damian Boeselager versucht gerade ein “Job-Tinder” zu schaffen, damit es Fachkräften möglichst einfach gemacht wird, innerhalb von Europa einen Job zu finden.

bt: Das dritte Thema war die Schuldenbremse.

Schuldenbremse

Max Diepold: Aktuell haben wir eine recht strikte Schuldenbremse, die noch härter ist, als es die Europäische Union überhaupt vorgibt, und das müssen wir auf jeden Fall aufweichen. In unserem Wahlprogramm steht “goldene Regel Plus”, und das heißt im Endeffekt, dass wir ein ausgewogenes Verhältnis haben müssen zwischen Einnahmen, Schulden und Ausgaben, und dass wir auch bewusst Schulden machen können für Investitionen in die Zukunft, sprich in Infrastruktur, in alles mögliche: Klimaschutzmaßnahmen und so weiter und sofort. (Anmerkung der Redaktion: Die „Goldene Regel Plus“ ist ein Reformvorschlag für die Schuldenbremse vom Wissenschaftlichen Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium. Dieser Vorschlag sieht vor, dass öffentliche Nettoinvestitionen von der Schuldenbremse ausgenommen werden, diese Investitionen schuldenfinanziert sein dürfen und der investive Charakter durch eine unabhängige Institution bestätigt werden muss. Der Vorschlag zielt darauf ab, einen stärkeren Investitionsanreiz zu schaffen, ohne zu einer übermäßigen zusätzlichen Verschuldung zu führen.)

bt: Passt da auch das Stichwort investitionsfreundlicher Staatshaushalt dazu? Ist es damit gemeint oder was können wir uns unter dem Wort vorstellen?

Max Diepold: Ja, hätte ich jetzt schon darunter verstanden, können wir so betiteln.

bt: Okay, stellen wir uns jetzt mal vor, Volt würde ins Parlament einziehen und in die Regierung: Was müsste in den Koalitionsvertrag?

Max Diepold: Auf jeden Fall dürften die Klimaschutzziele nicht aufgeweicht werden. Die Schuldenbremse muss auf jeden Fall reformiert werden, das Thema Asyl müsste mit rein und aus meiner persönlichen Sicht auch die Altersvorsorge.

Volt will wachsen

bt: Geht Ihr davon aus, dass Volt in den Bundestag einzieht? Wenn nicht, würde man eigentlich seine Stimme verschenken, oder nicht? Volt hatte bei der Europawahl 2,6 Prozent in Deutschland. Gräbt man als kleine Partei da nicht den eigenen Leuten das Wasser ab? Also: Warum Volt wählen und nicht die Grünen?

Max Diepold: Wir gehen davon aus, einzuziehen – wir haben ein großes Momentum: Unsere Mitgliederzahl hat sich im letzten Jahr fast verdoppelt, am 02. März ziehen wir in die Hamburgische Bürgerschaft, also ein Landesparlament, ein. Mit 2,6 Prozent haben wir unser Ergebnis bei der Europawahl fast verdreifacht. 2,5 Prozent mehr und wir wären im Bundestag.

bt: Das ist doppelt so viel.

Max Diepold: Ja, aufgrund der besonderen Umstände rechnen wir jedoch mit 7 Prozent. Aber gehen wir es einfach mal von 5 Prozent aus, wenn wir mit 5 Prozent einziehen, haben wir prinzipiell schon mal 33 Sitze, das sind 5 Prozent von den 650. Diese kommen aufgrund der Art der Berechnung aber primär weniger von den Grünen oder von der SPD oder was weiß ich, sondern von den großen Parteien, sprich von der CDU, CSU und von der AfD. Und jede Stimme bringt uns etwas, weil wir mehr mediale Aufmerksamkeit bekommen und auch wegen der Parteienfinanzierung.

bt: Viele Menschen sind von Politikern genervt. Woran liegt das und wie kann man das ändern?

Max Diepold: Ich glaube nicht, dass sie von Politikern genervt sind, sondern von der allgemeinen politischen Kommunikation, weil jeder nur gegen den anderen hetzt und keiner wirklich Lösungen zeigt für die Probleme, die es gibt. Und da versuchen wir das zu ändern, indem wir halt weniger versuchen, gegen andere Parteien zu hetzen, sondern für die Probleme, die es gibt, Lösungen aufzuzeigen. Und zwar auch Lösungen, die es schon gibt.

Die meisten Probleme, die wir haben, wurden irgendwo anders auf der Welt schon mal gelöst. Wir müssen einfach gucken, wie sie es gemacht haben und deren Lösung bei uns übernehmen.

bt: Okay: Was war an der zurückliegenden Regierung gut und was war eher schlecht? Also was haben Sie schlecht gemacht, wo müsste man nachbessern?

Max Diepold: Gut war, dass sie viele Themen, die die letzten 16 Jahre liegen geblieben sind, angepackt haben. Schlecht ist, wie sie es kommuniziert haben. Sie haben viele interne Streitereien nach außen getragen, ohne es vorher intern zu klären.

bt: Was bedeutet Volt eigentlich?

Max Diepold: Volt ist im Gegensatz zu allen anderen Parteien kein Akronym für irgendwas, sondern Volt kommt von der Einheit der elektrischen Spannung und ist quasi die Energie für Europa. Wir sind aktiv in 31 verschiedenen Ländern, in den meisten davon mittlerweile auch als Partei gemeldet, und wir wollen halt überall gleich heißen.

Ein gemeinsames Europa als Ziel

bt: Ein gemeinsames Europa. Ihr fordert ja auch eine gemeinsame Armee. Wie soll das funktionieren?

Max Diepold: Man hätte nicht mehr 27 Einzelarmeen, die jede ihren eigenen Befehlshaber haben, sondern man hat eine gemeinsame, starke Armee. Ich glaube, wir hätten das zweitgrößte Heer der Welt auf einmal und wir könnten viele Kapazitäten bündeln. Wir haben zum Beispiel aktuell in Europa sieben verschiedene Panzertypen, die im Einsatz sind.

Wenn man sich die USA anschaut, haben die alle den gleichen Panzer, für den alle ausgebildet sind.

bt: Und was macht man, wenn innerhalb Europas ein Land das andere angreifen will?

Max Diepold: Das soll eben durch die gemeinsame Armee auch verhindert werden. Durch die Europäische Union sind wir schon viel mehr zusammengewachsen und sind dementsprechend auch viel mehr voneinander abhängig.

Eine Europäische Armee wird noch mehr Zusammenhalt bringen.

bt: Ist das dann was anderes als die Armee der Nato? Die Nato hilft doch auch zusammen.

Max Diepold: Ja, aber die Nato sind jetzt auch wieder alle Mitgliedstaaten mit ihren Einzelarmeen. Die sich dann untereinander koordinieren müssen. Wenn sie jetzt statt 30 Armeen auf einmal nur noch drei Armeen untereinander koordinieren müssen, ist es natürlich koordinationstechnisch wieder einfacher.

bt: Wie realistisch ist denn die Idee, dass Europa noch enger zusammenwächst? In Europa gibt es ja aktuell sehr viele nationalistische Tendenzen.

Max Diepold: Volt ist eine Gegenbewegung. Wir haben uns 2017 gegründet als Reaktion auf den Brexit, durch die Wahl von Trump, durch Erdogan. Wir haben diese Vision, klar, die ist utopisch, aber wer nicht groß denkt, kann nicht groß werden, und ob wir da hinkommen, ist jetzt mal in den Raum gestellt, aber wenn wir es nicht versuchen, dann schauen wir es eh nicht.

bt: Würdest du dich als links bezeichnen oder Volt als Links?

Max Diepold: Wir versuchen prinzipiell, uns gar nicht da einzuordnen, sondern als pragmatisch. Wenn ich eine Aussage treffen müsste, dann hätte ich gesagt, haben wir mehr linke Positionen, also links der Mitte.

Bürgernähe in Europa

bt: Wenn es den europäischen Staat gibt mit der Amtssprache Englisch – ist man dann nicht noch weiter weg vom Bürger? Es haben ja schon jetzt viele Leute das Gefühl, sie verstehen das nicht, was Politiker machen, und wenn jetzt auch noch auf Englisch kommuniziert wird, ist es ja noch weiter weg.

Max Diepold: Die europäische Sprache Englisch gibt es, damit halt auf oberster Ebene ein Konsens herrscht. Aber in Behörden, in den Medien und so weiter: Da bleibt es natürlich bei der jeweiligen Landessprache.

bt: Aber ist nicht eh deutsch die häufigste Sprache in der Europäischen Union?

Max Diepold: Schon. Deutsch ist die häufigste Sprache, aber Englisch ist eben Weltsprache. Das ist schon pragmatischer.

bt: Wovor hast du Angst?

Max Diepold: Dass die rechtsextremen Kräfte in unserem Land noch mehr werden, dass das Land noch mehr gespalten wird, dass wir Flüchtlinge, die bei uns ankommen, alle zurückweisen, dass Menschen, die eigentlich schon Jahre in Deutschland wohnen, jetzt auf einmal Angst haben müssen, davor habe ich Angst.

bt: Vielen Dank.