Das Reinheitsgebot und seine wahren Ursprünge – mehr als nur Gerste, Hopfen, Wasser
von Katharina Müller-Sanke und Martin Bayer
In der bt-Bierkolumne geht’s heute darum welche wilden Zutaten früher im Bier waren und warum das Reinheitsgebot auch das Brot schützen sollte.
Reinheitsgebot: Mythos und Marketing
Das bayerische Reinheitsgebot von 1516 ist legendär – und gilt vielen als älteste Lebensmittelverordnung der Welt. Doch wer genauer hinschaut, merkt: Ganz so einfach ist die Geschichte nicht.
„Das Reinheitsgebot war eigentlich nichts Revolutionäres“, erklärt Bierexperte Martin Bayer. „Schon vorher gab es Regeln und Vorschriften, wie Bier gebraut werden durfte.“
Der Grund war simpel: Bier war ein Allgemeingut, das alle tranken – vom Bauern bis zum Bischof.
Vor dem Reinheitsgebot: Bier mit Kräutern und Halluzinationen
Noch spannender ist, was vor 1516 ins Bier kam. Bis zu 100 verschiedene Kräuter fanden ihren Weg in den Sud: von Wacholder über Gagel und Porst oder Tollkirsche bis hin zu teils halluzinogenen oder giftigen Zusätzen wie Binsenkraut. „Manche Biere hatten berauschende oder gar giftige Nebenwirkungen“, so Bayer. Das Reinheitsgebot war also auch eine Art Gesundheitsschutz.
Das Reinheitsgebot schützte letztendlich die Menschen vor gefährlichen und teilweise giftigen Stoffen, die einige Brauer dem Bier zusetzten, um einerseits den Geschmack zu verbessern, andererseits aber auch den Rausch zu verstärken oder den Durst anzuregen. Pfusch am Sud konnte im wahrsten Sinne lebensgefährlich sein. Labore um die Qualität zu untersuchen gab es nicht und man musste sich auf klare Vorgaben verlassen.
Dass man heute noch stolz auf „500 Jahre Reinheitsgebot“ verweist, hat viel mit Tradition – und Marketing – zu tun. Doch die wahren Ursprünge zeigen: Das Reinheitsgebot war vor allem ein cleveres Lebensmittelgesetz, das Ordnung ins Bier brachte.
Warum gerade Gerste?
Dass im Reinheitsgebot nur Gerste, Hopfen und Wasser erlaubt wurden, war weniger romantische Brauweisheit als knallharte Politik. „Gerste galt als minderwertiges Getreide“, erklärt Bayer. „Roggen und Weizen wurden fürs Brot gebraucht. Damit das Volk nicht hungert, durfte Bier nur mit Gerste gebraut werden.“
So stellte man sicher, dass das Grundnahrungsmittel Brot nicht knapp wurde. Die Gerste im Bier war also eher eine Notlösung aus dem, was man sonst nur an die Schweine verfüttert hätte.
Zum Autor
Martin Bayer ist Touristikprofi, Reiseveranstalter und leidenschaftlicher Bierguide in Bayreuth. Als „Bierkutscher“ mit Zylinder und Gespür fürs Anekdotische führt er Gruppen durch Katakomben, Biergeschichte und Bayreuther Legenden. In seiner bt-Bier-Kolumne schenkt er uns regelmäßig Geschichten mit Schaumkrone ein – mal süffig, mal nachdenklich, immer mit einem Augenzwinkern.



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HaWaWi-Stadion mit Schmiererei Oktober 2025 ©Dirk E. Ellmer