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Bräuche

„Der Heiligabend im Trebgast ist ohne Strohberta undenkbar“

von Michael Christensen

Die Heiligabend-Feierlichkeiten rund um die „Strohberta“ in Trebgast sind ein lebendiges Symbol für Gemeinschaft und Tradition. Dank engagierter Menschen wie Martin Sesselmann wird diese alte Tradition Jahr für Jahr fortgeführt und bleibt ein bedeutender Teil der kulturellen Identität der Region.

  • Die Strohberta wird morgen früh eingewickelt. © Dieter Hübner
  • Da ist die Strohberta fast vollständig abgewickelt. © Dieter Hübner
  • Die Masken für die Mitstreiter der Strohberta im Zug. © Dieter Hübner
  • Das Christkind muss geschminkt werden. © Dieter Hübner
  • Der Schlotfeger reibt sich den Ruß ins Gesicht. © Dieter Hübner
  • Der Umzug zieht lärmend durch Trebgast und besucht jedes Haus. © Dieter Hübner
  • Wer Glück für das kommende Jahr möchte, muss sich vom Schlotfeger mit Ruß schmieren lassen. © Dieter Hübner
  • Glückliche Empfänger der Strohberta erhalten Geschenke und ein vom Schlotfeger mit Ruß geschmiertes Gesicht. © Dieter Hübner
  • Das 15 bis 20 Kilo schwere Gewand erfordert Durchhaltevermögen und Hilfe, besonders wenn man Durst hat. © Dieter Hübner
  • Eine kleine Gabe der Strohberta-Truppe. © Dieter Hübner

Martin Sesselmann ist eine Schlüsselfigur in der Heiligabend-Feierlichkeit „Strohberta“ in Trebgast, einer der traditionsreichsten Veranstaltungen der Region. Jahrelang war er aktiv in der Gruppe, die das Brauchtum pflegt, und hat die Tradition von innen kennengelernt.

Ein ganztägiger Zug durch das Dorf

Der Brauch der Strohberta beginnt früh am Morgen des 24. Dezember. Um 5:30 Uhr treffen sich die Teilnehmer, um die Strohberta vorzubereiten. Das Binden der Strohberta und das Einkleiden der Figur dauern etwa viereinhalb Stunden, sodass der Umzug pünktlich um 10:00 Uhr starten kann. Ein Umzug mit 10 verkleideten Junggesellen.

Die Strohberta, die das Herz des gesamten Umzugs bildet, trägt ein mit Stroh umhülltes, schweres Gewand, das alleine schon eine körperliche Herausforderung darstellt. Das Kostüm wiegt leicht 15 bis 20 Kilogramm, und gerade an einem langen Umzugstag wird die Hitze im Inneren zu einer zusätzlichen Belastung. „Man muss nicht nur kräftig sein, sondern auch für die Strapazen des Umzugs gerüstet“, erklärt Sesselmann.

„Es wird richtig heiß in diesem Kostüm.“ Besonders bei milderen Temperaturen oder Regen wird das schwere Gewand aus Stroh zu einer Herausforderung. Doch trotz der körperlichen Strapazen beschreibt er das Gefühl, als Strohberta den Umzug zu führen, als „süchtig machend“. „Man gibt das Tempo vor, und der Empfang der Menschen ist wirklich inspirierend“, sagt er.

Der Umzug zieht sich über den gesamten Tag und dauert zwischen 12 und 14 Stunden. Während dieser Zeit begrüßen die Dorfbewohner die Gruppe mit lauten Rufen und Wünschen. Besonders Kinder empfinden den Umzug als aufregend und teils gruselig.

„Als Kind hatte ich auch Angst vor dem Brauch“, erinnert sich Sesselmann. Anfangs oft eingeschüchtert und beeindruckt von der lauten, maskierten Truppe, wächst bei vielen jedoch im Laufe der Zeit die Begeisterung, selbst einmal Teil dieses besonderen Brauchtums zu werden.

Besonders ältere Dorfbewohner schätzen den Besuch der Strohberta. Für sie sei es oft ein Herzenswunsch, den Brauch noch einmal in ihrer Stube zu erleben, sagt Sesselmann. Gerade bei hochbetagten Menschen wird oft spürbar, wie wichtig diese Tradition für sie ist.

„Ich erinnere mich an eine ältere Dame, die geweint hat, weil sie dachte, sie würde die Strohberta in ihrem Leben nie wieder sehen“, erzählt Sesselmann. „Das sind Momente, die bleiben.“ Auch Kinder erleben die Strohberta intensiv.

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Die sozialen Rituale und die Symbolik der Figuren

Die Bewohner bereiten sich vor, indem sie sich an den Türen versammeln, um die Gruppe, die vom Christkind und dem Schlotfeger angeführt wird, zu empfangen. Die Figuren verteilen kleine Gaben, die symbolisch für den Segen des kommenden Jahres stehen. So verteilt das Christkind zum Beispiel Erbsen, und wer etwas schwarze Farbe vom Schlotfeger abbekommt, wird im kommenden Jahr Glück haben.

Besonders beliebt ist es auch, Stroh aus dem Gewand der Strohberta zu zupfen. Auch das gilt als Symbol für Wohlstand und Glück. Man sollte das Stroh im Geldbeutel aufbewahren, damit das Geld im neuen Jahr unerschöpflich bleibt. Diese symbolische Handlung ist in Trebgast tief verwurzelt.

Die Strohberta-Truppe besteht aus insgesamt 10 Hauptfiguren: der Strohberta, dem Treiber, dem Christkind, dem Schlotfeger, „Mann und Frau“, zwei Polizisten und zwei Sackträgern. Diese verschiedenen Figuren verkörpern unterschiedliche Aspekte der Tradition. Der Treiber führt die Strohberta an, während das Christkind und der Schlotfeger eine besondere Rolle beim Verteilen des Segens und des Glücks übernehmen.

Die Figuren von Mann und Frau repräsentieren die bäuerliche Lebensweise; der Mann steht symbolisch für Arbeitsamkeit und Pflichtbewusstsein, während die Frau die Fruchtbarkeit und Fürsorge verkörpert. Auch die Polizisten stellen eine neue Ergänzung dar, die im Laufe der Zeit entstand. Ursprünglich war es der Fiskus, der sich dem Umzug anschloss, doch später wurden diese Figuren zu Polizisten umgedeutet. Sie stehen für Ordnung und Struktur in der Gesellschaft.

Die Sackträger wiederum symbolisieren die Knechtschaft und tragen große Jutesäcke, die früher mit landwirtschaftlichen Gaben gefüllt waren. Heute sind es keine landwirtschaftlichen Produkte wie Gerste oder Weizen mehr, die in den Säcken transportiert werden, sondern kleine Geschenke.

Erschöpfung und Belohnung

Nach 12 bis 14 Stunden intensiver Aktivität ist die Gruppe völlig erschöpft. Gegen Abend kehren die Männer mit heiseren Stimmen zur Schule zurück, wo alles begann, und das Ausbinden der Strohberta beginnt. Das dauert eine weitere Stunde, und besonders der Schlotfeger benötigt viel Zeit, um sich von der Rußschicht zu befreien. „Ich selbst war Schlotfeger, ich habe drei Tage gebraucht, bevor ich wieder sauber war“, sagt Sesselmann.

Doch trotz der Erschöpfung bleibt die Bedeutung und Resonanz dieser Tradition spürbar. Wie man selbst diese Erfahrung verinnerliche, führe dazu, so Sesselmann dass man voller Begeisterung beim nächsten Heiligabend wieder in die Rolle schlüpfen will, um den Gemeinschaftsgeist der Strohberta erneut ins Leben zu rufen.

Die Ursprünge des Brauchs: Bettelbräuche und Neujahrsspiele

Laut Sesselmann gibt es zwei gängige Theorien zur Herkunft der Strohberta: Eine besagt, dass es sich ursprünglich um einen Bettel- oder Heischebrauch handelte, bei dem Spenden gesammelt wurden. Die andere Theorie führt den Brauch auf alte Neujahrsspiele zurück, bei denen das alte Jahr ausgetrieben wurde.

Beide Ansätze könnten miteinander verbunden sein, da die Strohberta sowohl Elemente des Bettelns als auch des Neujahrsfestes in sich vereint. Dabei wurde der Brauch im Laufe der Zeit umgedeutet und mit christlichen Symbolen versehen, um der Obrigkeit entgegenzuwirken, die versucht hatte, solche Heischebräuche zu verbieten.

Die Trebgaster Tradition und ihre Geschichte

Die Tradition der Strohberta reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück, auch wenn die genaue Entstehung unklar bleibt. Sesselmann erklärt, dass die Tradition in Trebgast jedoch erst vor etwa 90 Jahren namentlich dokumentiert wurde. Mit Unterbrechungen durch die beiden Weltkriege, aber ansonsten wurde sie im 20. Jahrhundert konsequent fortgeführt.

Der Name „Strohberta“ stammt aus dem Althochdeutschen, wobei „Berta“ „die Glänzende“ bedeutet. Dies bezieht sich vermutlich auf den Glanz des Strohgewands, auch wenn das Erbsen-Stroh selbst eher matt ist. „Mit dieser Theorie sind wir also nicht ganz zufrieden“, räumt Sesselmann ein. In anderen Regionen wird eine ähnliche Figur als „Strohbär“ bezeichnet.

Die Strohberta ist ein lebendiger Brauch, der den symbolischen Akt der Gemeinschaft und des Zusammenhalts verkörpert und auch heute noch die Menschen in Trebgast begeistert und verbindet.