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Gesundheit

Die elektronische Patientenakte: Med4Kids rät davon ab

von Larissa Wohlrab

Die elektronische Patientenakte soll Abläufe erleichtern, Übersicht schaffen und in Notfallsituation schnelle Hilfe gewährleisten. Trotzdem ist Dr. Kristin Zwenzner im bt-Interview dagegen die ePA für Kinder einzuführen. Der Grund ist spannend. 

Seit 2021 ist Dr. Kristin Zwenzner Mitinhaberin des Kinderzentrums Med4Kidz und als erfahrene Kinderärztin tätig. In ihrer Praxis steht die Digitalisierung im Gesundheitswesen regelmäßig zur Diskussion – insbesondere die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA). Doch Med4Kidz hat diese bislang noch nicht implementiert. Die Gründe dafür sind vielschichtig und zeigen, dass die Einführung der ePA, gerade im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin auf besondere Herausforderungen stößt.

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Was ist die elektronische Patientenakte?

Die elektronische Patientenakte (ePA) ist eine digitale Plattform, auf der Gesundheitsdaten wie Diagnosen, Befunde und Medikationspläne sicher gespeichert und verwaltet werden. Sie soll den Datenaustausch zwischen medizinischen Fachkräften erleichtern und Behandlungen verbessern, während Patienten die Kontrolle über ihre eigenen Daten behalten.

Technische und organisatorische Hürden

Ein Hauptgrund für die bisher fehlende Umsetzung der elektronischen Patientenakte bei Med4Kidz sind die technischen Voraussetzungen. Das Verwaltungssystem der Praxis unterstützt die ePA noch nicht, und der technische Rahmen ist noch nicht ausreichend vorbereitet. Jedoch ist das nur ein kleiner Teil des Problems.

Rechtliche und ethische Schwierigkeiten bei Kindern und Jugendlichen

Dr. Zwenzner erklärt, dass die Einführung der ePA bei Kindern und Jugendlichen mit rechtlichen und ethischen Unsicherheiten verbunden ist. Das Hauptproblem betrifft Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren. Denn in diesem Alter sind Jugendliche teilweise geschäftsfähig und dürfen somit selbst über Behandlungen und Therapien entscheiden. Die Verwaltungshoheit über die ePA haben jedoch bei Kindern bis zu 16 Jahren die Eltern – und das könnte zu Konflikten führen.

“Ab 16 können Jugendliche selbst Entscheidungen über ihre ePA treffen und wollen eventuell nicht, dass ihre Eltern wissen, was drin steht”, erklärt Dr. Zwenzner. Momentan gibt es allerdings noch keine klaren Regelungen, ob Eltern ab diesem Zeitpunkt immer noch Einsicht in die ePA ihres Kindes haben und das könnte Ärzte vor ein Dilemma stellen: “Soll ich Daten in die Akte einstellen, obwohl der Jugendliche nicht möchte, dass die Eltern sie einsehen?”

Des Weiteren betont Dr. Zwenzner, dass es bisher auch Unsicherheiten gibt, wie die elektronische Patientenakte zu behandeln ist, wenn Eltern nicht das gleiche Sorgerecht haben.

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Vorteile und Chancen der elektronischen Patientenakte

Trotz dieser Herausforderungen sieht Dr. Zwenzer Potential in der ePA. Als zentraler Speicherort für medizinische Dokumente – von Laborbefunden über Arztbriefe bis hin zu Therapieberichten und Impfunterladen – bietet die elektronische Patientenakte zahlreiche Vorteile. Besonders bei chronisch kranken Kindern mit vielen verschiedenen Therapeuten und Behandlungen ist die Möglichkeit einer vollständigen Übersicht über das Krankheitsbild des Patienten von großem Nutzen.

“Die Vorteile sind schon da, wenn es irgendwann mal so funktioniert, wie es gedacht ist”, erklärt Dr. Zwenzner. “Für Ärzte ist es praktisch, weil man eine komplette Übersicht hat. Und bei einer Notfallversorgung wären solche Informationen extrem wichtig.”

Die ePA als Herausforderung für das Gesundheitswesen

Dennoch gibt es derzeit viele offene Fragen: Wie können Jugendliche ab 14 Jahren die Verwaltungshoheit über ihre Akte erhalten? Welche Regelungen sichern den Datenschutz und die Privatsphäre der Jugendlichen? Und wie lassen sich technische Probleme überwinden, um eine reibungslose Einführung zu gewährleisten? Auch für Erwachsene birgt die ePA Herausforderungen, so etwa beim zeitaufwändigen Einpflegen der Daten. Besonders für Personen, die sich nicht besonders gut mit Technik auskennen, ist das eine deutliche Schwierigkeit.

Ein Fazit

“Rund laufen tut es noch nicht”, fasst Dr. Zwenzner zusammen. Deshalb rät Med4Kidz von der ePA bei Kindern ab. “Wir tragen ein Stück Verantwortung für Jugendliche”, sagt Dr. Zwenzner und weist darauf hin, dass es entscheidend sei, klare und umsetzbare Lösungen zu schaffen, bevor die ePA sicher nutzbar ist.