Zuletzt aktualisiert am
Feiern der Ernte: Die vielfältigen religiösen Traditionen zum Erntedank
von Ribal O.
Die Geschichte des Erntedankfestes offenbart ein faszinierendes Zusammenspiel von Traditionen und Glaubensüberzeugungen, die über das Christentum hinausreichen.
Die Blätter werden braun und die Ernte findet ihren Weg in unsere Märkte oder Häuser. Um diese Zeit herum kommt das Fest der Dankbarkeit zu uns: Erntedank. Eine Tradition, die sich in allen antiken Zivilisationen wie den Assyrern, Römern oder Germanen manifestierte. Sie alle haben Feste gefeiert in denen sie ihren Göttern Dankbarkeit für die Ernte zeigten. Hier geht’s zum diesjährigen Erntedankfest Programm.
Die Ursprünge des Erntedankfestes
Die Kirche übernahm diese ursprünglich heidnische Tradition nachweislich im dritten Jahrhundert nach Christus. Ab 1972 entschied die katholische Kirche, dass das Erntedankfest am ersten Oktobersonntag gefeiert werden soll. In der evangelischen Kirche wird es manchmal schon früher begangen; nach ihrem Brauch wird es nämlich am ersten Sonntag nach dem Michaelistag, dem 29. September, gefeiert.
„In diesem Gottesdienst bringen Menschen ihr Wissen zum Ausdruck, dass ihr Leben von Saat und Ernte abhängig ist und vor allem am Segen des Himmels hängt“, so der Bayreuther Dekan Jürgen Hacker. Für ihn bringt es der Dichter Matthias Claudius auf den Punkt, als dieser schrieb: „Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand: der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf. Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn, drum dankt ihm, dankt, drum dankt ihn, dankt und hofft auf ihn!“
Schon gelesen? Wie ein Weidetierhalter seine Herden vor dem Wolf schützt
Traditionen des Erntedankfestes in Deutschland
Das Erntedankfest in Deutschland ist mit zahlreichen Traditionen verbunden. Eine zentrale Rolle spielt die Erntekrone, die aus geflochtenen Ähren und Feldfrüchten gefertigt wird und oft zum Altar gebracht wird. In vielen Gemeinden wird das Fest mit Umzügen, Festessen und Tänzen gefeiert. Manche regionale Bräuche umfassen das Verbrennen von Strohpuppen auf Feldern oder das Zurücklassen dieser Puppen als Opfergabe. Einige Orte organisieren Festzüge mit Motivwagen, die historische Ernteszenen darstellen. In den Bergen ist der Almabtrieb eine Tradition rund um Erntedank, und auch Feste wie das des heiligen Michael und Martin fallen in diese Zeit.
Erntedank im Islam: Das Opferfest
In der muslimischen Gemeinde gibt es per se kein Erntedankfest wie im Christentum, doch dafür steht das Opferfest (Eid al-Adah) für das Zeigen der Dankbarkeit. Dieser Feiertag hat seine Wurzeln in der Geschichte des Propheten Ibrahim – auch bekannt als Abraham im Christentum und Judentum. Für Gott war er bereit, seinen Sohn zu opfern, doch Gott hat kurz vor der Tat Ibrahims Sohn mit einem Tier ausgetauscht. Heute wird deshalb zum Gedenken ein Tier – meist ein Schaf, eine Ziege oder ein Rind – geopfert.
Das Fleisch des Tieres wird traditionell in drei Teile aufgeteilt: ein Drittel für die Familie, ein Drittel für Freunde und Nachbarn und ein Drittel für Bedürftige. Das Fest beginnt nach dem Gebet in der Moschee und wird oft im Kreise der Familie mit gemeinsamen Mahlzeiten und dem Teilen von Gaben gefeiert. Es symbolisiert Hingabe, Dankbarkeit und das Teilen mit anderen, besonders den Bedürftigen.
Zwei statt Eins: Dankbarkeit im Judentum
Die jüdische Tradition hat gleich zwei Festlichkeiten, die Dankbarkeit ausdrücken: Sukkot und Schawuot. Sukkot, auch als Laubhüttenfest bekannt, hat seine Wurzeln in der biblischen Erzählung des Auszugs der Israeliten aus Ägypten. Es wird im Herbst, fünf Tage nach Jom Kippur, gefeiert und erinnert an die Zeit, als die Israeliten in der Wüste lebten und in provisorischen Hütten wohnten. Sukkot symbolisiert Dankbarkeit für den Schutz Gottes und die Ernte. Historisch war das Fest auch eine Zeit, in der die Früchte der Ernte in den Tempel gebracht wurden. Schawuot hingegen wird im Frühsommer gefeiert, sieben Wochen nach Pessach, und markiert das Ende der Weizenernte. Das Fest erinnert an die Übergabe der Tora am Berg Sinai, die für das Judentum von zentraler Bedeutung ist. Die Tradition, die Erstlingsfrüchte im Tempel darzubringen, ist ein Ausdruck der Dankbarkeit für die Ernte und die göttlichen Gesetze.
Unterschiedlich und doch Gleich: Dankbarkeit ist Universell
Obwohl sich die Feste in ihrer Symbolik und den Traditionen unterscheiden, teilen sie eine zentrale Botschaft: Dankbarkeit für die Gaben des Lebens und die Verpflichtung, diese mit anderen zu teilen. Alle drei Feste bieten Gelegenheiten, um innezuhalten, Dankbarkeit zu zeigen und den sozialen Zusammenhalt in der Gemeinschaft zu stärken. Sie sind Ausdruck kultureller Identität und religiöser Werte, die über die Jahrhunderte hinweg weitergegeben wurden und zeigen, wie tief die Tradition des Erntedankfestes eigentlich geht und wie tief verwurzelt die Dankbarkeit des Menschen ist.
Auch interessant: Mariä Himmelfahrt: Warum der Feiertag nicht überall in Bayern gilt