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Gewerbegebiet Lehen: Bürgerinitiative gegen Großprojekt an der B22
von bt-Redaktion
Kleines Dorf – großer Streit: In Lehen soll auf 13,5 Hektar Ackerland ein Gewerbepark entstehen. Während die Gemeinde auf Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen hofft, fürchtet eine Bürgerinitiative um Natur, Lebensqualität und ungewisse Zukunftspläne. Was steckt hinter dem umstrittenen Projekt?
Das kleine Dorf Lehen, nur wenige Meter hinter der Bayreuther Stadtgrenze, steht vor einem großen Umbruch. Nicht einmal 100 Menschen wohnen dort direkt an der B22: Rund 20 Häuser lassen sich zählen. Ist das der richtige Ort für ein großes Gewerbegebiet? Darüber wird aktuell gestritten. Die Gemeinde Weidenberg, zu der Lehen gehört, sagt: ja. Sie will auf einer Fläche von 13,5 Hektar ein Gewerbegebiet errichten. Eine Bürgerinitiative setzt dagegen. In zwei Wochen sollen die Weidenberger darüber abstimmen:
„Sind Sie dafür, dass der Markt Weidenberg die Entwicklung eines Gewerbegebietes in Lehen zur Schaffung von wirtschaftlicher und finanzieller Wertschöpfung und von Arbeitsplätzen im Rahmen der `Bauleitplanung Lehen Nr. 3` fortführt?“
Die Bürgerinitiative, an der Spitze Sprecherin Anika Bauernfeind, ärgert sich über die Fragestellung und hält sie für suggestiv. Bei einer Versammlung der Bürgerinitiative am 11.2.2025 in Weidenberg, bei der auch mehrere Vertreter der politischen Gemeinde anwesend waren, kamen die Argumente nochmal auf den Tisch.
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Der Plan des Marktgemeinderats
Im April 2023 hat der Marktgemeinderat von Weidenberg beschlossen, ein Bebauungsplanverfahren einzuleiten. Auf einer Fläche von 13,5 Hektar, die bislang landwirtschaftlich genutzt wird, sollen Gewerbebetriebe angesiedelt werden. Die Fläche umfasst Ackerland und einige Obstbäume. Die geplante Gebäudefläche soll dabei 65.000 Quadratmeter umfassen, dazu kommen Zufahrten und Parkplätze. 4,5 Hektar werden als Ausgleichsfläche auf dem Grundstück belassen.
Die Gemeinde erhofft sich von dem Gewerbegebiet zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen und neue Arbeitsplätze. Der Investor GB&CIE GmbH aus Fürth hat die Flächen bereits erworben und plant dort einen Handwerkerhof sowie drei Hallen.
Kritik der Bürgerinitiative
Die Bürgerinitiative lehnt das Projekt entschieden ab. Sie kritisiert, dass die Planungen in ihrer Dimension das Dorf Lehen weit übersteigen. Zudem bemängelt die Initiative eine unzureichende Transparenz seitens der Marktgemeinde und des Investors. Viele Fragen seien bislang unbeantwortet geblieben. Die Bürgerinitiative hat im Mai 2024 eine Petition gestartet. „Unser Ziel war es, mit der Gemeinde über die Petition ins Gespräch zu kommen und eine öffentliche Diskussion zu starten“, erklärt Anika Bauernfeind. Die Gemeinde sei darauf aber leider nicht eingegangen und habe die Bürgerinitiative stattdessen dazu aufgefordert, eine vergleichbare Fläche im Gemeindegebiet vorzuschlagen.
Die Hauptkritikpunkte der Bürgerinitiative sind:
- Flächenfraß und Versiegelung von landwirtschaftlich genutztem Boden
- Bedrohung geschützter Tierarten in der Ölschnitz (Bachmuschel und Bachneunauge)
- grenzt an schützenswerte Natur (im Nordosten) und an Wohnbebauung (Südosten) (FFH-Gebiet)
- Erhöhtes Verkehrsaufkommen, insbesondere durch die geplante Zufahrt durch den Ort
- Unklarheit über die tatsächliche Nutzung des Gewerbegebiets
- Befürchtung, dass nur wenige Arbeitsplätze geschaffen werden
- Emissionen, auch wenn es sich nicht um ein Industriegebiet handelt
- Fehlende Mitsprache der Bürger und mangelnde Transparenz im Entscheidungsprozess
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Unklare wirtschaftliche Vorteile
Viele Bürger äußerten ihre Skepsis gegenüber den wirtschaftlichen Versprechen. Ein großes Problem sehen sie darin, dass der Investor noch keine Unternehmen benennen kann, die sich dort ansiedeln werden. Die Bürgerinitiative befürchtet vor allem, dass ein Logistikunternehmen kommen könnte, das nur wenige Arbeitsplätze schafft und somit kaum Gewerbesteuer zahlt. Hintergrund ist, dass Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten ihre Gewerbesteuer anteilig nach Mitarbeiterzahl vor Ort an die verschiedenen Gemeinden bezahlen. „Wenn da fünf Gabelstaplerfahrer und ein Hausmeister kommen, zahlt er kaum Gewerbesteuer bei uns“, kommentierte ein Weidenberger.
Gemeinde bittet um Vertrauen
Matthias Böhner, 3. Bürgermeister von Weidenberg, verteidigt die Pläne für das Gewerbegebiet und erklärt bei der Info-Veranstaltung, dass der Investor mit einem Automobilzulieferer im Gespräch sei. Es sei völlig normal, dass der Investor noch nicht sagen könne, welche Unternehmen sich ansiedeln wollen. Es werde ja erst mit dem Bürgerentscheid klar, ob das Gebiet überhaupt erschlossen wird. Als mögliche Unternehmen nannte Böhner Betriebe aus der Weiterverarbeitung im Automobilbereich mit etwa 150 Arbeitsplätzen, ein Logistikunternehmen, das „weitere Prozesse anstößt“, eine Außenstelle des RIZ (Regionales Innovationszentrum), ein Elektrounternehmen aus Mittelfranken sowie Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich.
Ein städtebaulicher Vertrag soll der Gemeinde Einfluss auf die Nutzung geben. Zudem wird ein Bebauungsplan erstellt. Dennoch bleibt die Unsicherheit, was tatsächlich nach Lehen kommen wird. Der erste Bürgermeister von Weidenberg nimmt dazu aktuell keine Stellung.
So richtig beruhigend klingt das für die Mitglieder der Bürgerinitiative nicht. Auf die richtig kritischen Punkte sei Böhner gar nicht eingegangen, sagt Anika Bauernfeind. Dazu gehören die fehlenden Referenzen des Investors.
Bürgerentscheid am 23. Februar
Am 23. Februar 2025 werden die etwa 4.800 Wahlberechtigten in Weidenberg und seinen zugehörigen Dörfern über die Zukunft des Gewerbegebiets abstimmen. Das ist auch deshalb spannend, weil Lehen vom Hauptort Weidenberg acht Kilometer entfernt ist und damit gleich weit wie von der Bayreuther Innenstadt. Der Bürgerentscheid geht auf ein Ratsbegehren zurück.
Ausblick
Wie der Streit um das Gewerbegebiet weitergeht, bleibt offen. Während der Markt Weidenberg die wirtschaftlichen Chancen betont, hält die Bürgerinitiative mit Protesten dagegen. Klar ist: Die Entscheidung über die Zukunft von Lehen wird nicht nur lokal, sondern auch weit über die Gemeindegrenzen hinaus mit Interesse verfolgt.