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Kommentar: Ist das „schwarze Schaf“ rassistisch?
Ein Barbershop-Betreiber in Bayreuth fühlt sich rassistisch beleidigt – ausgerechnet durch die alte Redewendung vom „schwarzen Schaf“. Was steckt hinter dem Vorwurf? Und müssen wir unsere Sprache jetzt anpassen, um niemanden mehr zu verletzen? Eine Gratwanderung zwischen Tradition und Inklusion.
Das „schwarze Schaf“ und die Macht der Worte
Ein Anruf in unserer Redaktion hat mich heute aufhorchen lassen: Ein Betreiber eines Barbershops in Bayreuth fühlte sich durch die Redewendung „schwarzes Schaf“ rassistisch beleidigt. Der Ausdruck kommt in der Überschrift zum Artikel: „Barbershops in Bayreuth kontrolliert: Mehrere schwarze Schafe“ vor. Der Vorwurf: Menschen, die Barbershops betreiben hätten meist Migrationshintergrund. Indem man sie mit einem Tier und zusätzlich in Anlehnung an ihre oft dunkle Hautfarbe mit dem Wort „schwarz“ betitelt, würde man sie beleidigen.
Das Missfallen nehmen wir ernst. Denn ob eine Äußerung beleidigend ist, entscheidet nicht nur der Sender, sondern vor allem der Empfänger. Doch sollten wir deshalb unsere Sprache anpassen? Das Wort nicht mehr verwenden? Oder zumindest nicht in diesem Zusammenhang?
Wortherkunft
Die Redewendung „das schwarze Schaf“ beschreibt im deutschen Sprachgebrauch eine Person, die als Außenseiterin oder Abweichlerin innerhalb einer Gruppe wahrgenommen wird. Sie ist meist negativ konnotiert und drückt eine Art von Missbilligung oder Andersartigkeit aus. Im wirtschaftlichen Kontext meint der Ausdruck ganz eindeutig diejenigen Unternehmen oder Personen, die sich nicht an Recht und Gesetz halten. Genauso wie bei Bäckern, Restaurantbetreibern und Großkonzernen, gibt es also auch unter den Barbern natürlich „schwarze Schafe“.
Wir haben den Ausdruck in der Vergangenheit natürlich auch schon häufiger verwendet. Zum Beispiel in einem Artikel über Restaurants.
Die Wortherkunft dieser Metapher ist nicht eindeutig. Es ließe sich das verlorene Schaf aus der Bibel bemühen oder auch die Landwirtschaft: Ein schwarzes Schaf in einer Herde weißer Schafe war und ist für Schäfer weniger wertvoll, da seine Wolle nicht gefärbt werden kann und daher schwerer zu verkaufen ist. Es war also vor allem in früheren Zeiten im wahrsten Sinne des Wortes ein „Makel“ oder eine negative „Abweichung“ von der Norm.
Doch die Wortherkunft spielt eine untergeordnete Rolle, wenn man den Ausdruck nicht kennt. Jemand, der deutsch nicht als Muttersprache hat, hat daher womöglich seine eigenen Assoziationen.
Die Gratwanderung: Sprachvielfalt bewahren und Inklusion fördern
Der Vorwurf wirft eine wichtige Frage auf: Sollten wir solche etablierten Redewendungen, die fest in unserem Sprachschatz verankert sind, aus Angst vor Missverständnissen oder potenziellen Verletzungen aus dem Alltag verbannen?
Unsere Sprache sollte inklusiv sein und niemanden ausschließen oder beleidigen. Gerade in einer zunehmend diversen Gesellschaft müssen wir uns der potenziellen Fallstricke unserer Sprache bewusst sein. Was für den einen ein harmloser Ausdruck ist, kann für den anderen eine tiefe Verletzung darstellen, insbesondere wenn die Wortwahl unbewusst Stereotypen oder Vorurteile verstärkt.
Gleichzeitig gilt: Die Vielfalt der deutschen Sprache, einschließlich ihrer bildhaften Ausdrücke und Redewendungen, ist ein wertvolles Kulturgut, das es zu erhalten gilt. Diese Ausdrücke bereichern unsere Kommunikation, ermöglichen Nuancen und schaffen oft eine prägnante und anschauliche Ausdrucksweise. Sie sind Zeugnisse einer langen Sprachgeschichte und spiegeln kulturelle Entwicklungen wider.
Sprache darf sich wandeln
Auch andere Ausdrücke sind schon verschwunden. Warum dann also nicht das schwarze Schaf? Meine Antwort ist: Weil der Hintergrund des schwarzen Schafes absolut nicht rassistisch ist. Es ist anders als bei Worten wie „Mohr“ oder „Zigeuner“. Wenn wir auf den Ausdruck „schwarzes Schaf“ verzichten, dann können wir auch nicht mehr „schwarz-weiß-denken“ oder „Schwarzmalerei“ betreiben. Natürlich wäre das möglich, aber die Vielfalt unserer Sprache würde leiden. Und Integration erfordert das Bemühen aller.
Wie wir damit umgehen
Sprache ist lebendig und im ständigen Wandel. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sie so zu gestalten, dass sie niemanden ausgrenzt. Das bedeutet für uns als Medienmachende, unsere Wortwahl stets kritisch zu hinterfragen und sensibel für die unterschiedlichen Interpretationen von Sprache zu sein – insbesondere, wenn es um Redewendungen geht, deren historische Unbedenklichkeit nicht jedem sofort ersichtlich ist. Wenn sich die Person, die gemeint ist, durch den Begriff rassistisch beleidigt fühlt, wollen wir das nicht. Daher haben wir die Überschrift so geändert, dass Barber nicht mehr mit schwarzen Schafen in einem Satz genannt werden.
Vorsicht vor Verharmlosung des Rassismusbegriffs
Es ist ein Teil des Integrationsprozesses, etablierte Redewendungen in ihrem ursprünglichen Kontext zu verstehen und offen dafür zu sein, dass rassistisch interpretierte Begriffe manchmal einfach harmlos sind. Rassismus ist falsch. In verschiedenen Abstufungen sind PoC auch in Bayreuth regelmäßig von Rassismus betroffen. Es ist verständlich, dass sie sensibel sind. Dennoch gilt es auch die Kirche im Dorf zu lassen und nicht überall Rassismus hineinzuinterpretieren. Der Schuss geht nämlich schnell nach hinten los.