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Geschichte

„The Saint Louis World’s Fair“ 1904 – Vom Missisippi zum Roten Main

von Stephan Müller

Vor 120 Jahren fand in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri die Weltausstellung mit dem Titel „Louisiana Purchase Exposition“ statt. Noch als „Anhängsel“ wurden dort damals gleichzeitig die Olympischen Spiele ausgetragen und Bayreuth war, wenn man so will, auch mit dabei. Noch heute erinnern drei Innenräume in der Regierung von Oberfranken an „The World’s Fair“ am Mississippi.

Drei Innenräume, die in St. Louis im Deutschen Haus präsentiert wurden, sind noch heute im Präsidialgebäude, das am 20. Oktober 1904 an der Ludwigstraße eingeweiht wurde, zu sehen. Es sind der Landratssaal sowie das Studierzimmer und das Empfangszimmer des Regierungspräsidenten. Die Räume wurden nach dem Ende der Weltausstellung im Dezember 1904 sorgsam abgebaut. Die Originale des Landratssaal und des Empfangszimmer fanden nach einer langen Schiffsreise im Regierungsneubau direkt ihre neue Verwendung. Das Studierzimmer, das in den USA sofort einen Liebhaber fand, wurde in Bayreuth als originalgetreue Nachbildung eingebaut.

Der Titel „Louisiana Purchase Exposition“ der Weltausstellung sollte an den Kauf der französischen Kolonie „Louisiana“ vor 100 Jahren erinnern. Das Gebiet umfasst heute ganz oder teilweise 15 US-Bundesstaaten und macht fast ein Drittel der USA aus. Napoleon Bonaparte kassierte dafür 15 Millionen Dollar von der US-Regierung.

  

          

Das deutsche Kaiserreich präsentierte sich auf dem Ausstellungsgelände in einem Nachbau des Charlottenburger Schlosses mit einer 48 Meter hohen Kuppel. Darin konnten zahlreiche Präsentationsräume, wie die drei Bayreuther Jugendstil-Räume bestaunt werden.

Die aufwändig und teuer gestalteten Räume stellten vor der Weltöffentlichkeit „die Leistungsfähigkeit des deutschen Kunsthandwerks“ unter Beweis und erhielten hohe Auszeichnungen.

Ein Video mit einem Rundgang durch die Räume finden Sie bald hier.

Den mit Mahagoni verkleideten harmonisch abgestimmten Landratssaal mit seinen dekorativen Säulen aus Juramarmor entwarf Professor Martin Dülfer aus Breslau. Aus dem „Landrat“, also dem Regionalparlament, das in dem Saal dauerhaft tagen sollte, ist der heutige Bezirkstag erwachsen. In den Mahagoni-Holzvertäfelungen sind Wappen von oberfränkischen Städte zu sehen, die zum Teil allerdings nicht mehr aktuell sind. So sind die Stadtwappen der ab 1972 mittelfränkischen Städte Herzogenaurach und Höchstadt noch zu sehen, dagegen fehlen aber Coburg, Neustadt und Bad Rodach, die damals noch zum Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha gehörten.

  

          

Das Empfangszimmer entwarfen die Gebrüder Joseph und Franz Rank aus München. Die vornehme Atmosphäre des Raumes wird durch seine harmonische Proportion und eine hervorragend verarbeitete Ahornvertäfelung mit zierlichen, geometrischen Intarsien erzielt.

Das von Bruno Paul entworfene noble Studierzimmer des Regierungspräsidenten wird durch die dunkle Eichenholzvertäfelung und die mit hellem Eschenholz verkleidete kassettierte Decke sowie die tropfenförmigen Beleuchtungskörper aus Opalglas geprägt.

Der Landratsaal und das Studierzimmer des Präsidenten wurden in St. Louis mit einem Grand Prix ausgezeichnet, das Empfangszimmer erhielt eine Bronzemedaille. Vom Studierzimmer war ein Besucher in St. Louis derart begeistert, dass er es „vom Fleck weg“ (so Bezirksheimatpflegers Professor Dr. Günter Dippold) gekauft hat. Es wurde aber in Deutschland sofort 1:1 nachgebaut, zunächst auf einer Gewerbeausstellung in Dresden gezeigt und schließlich mit einiger Verspätung in das Präsidialgebäude eingebaut. Ein ganz ähnliches Zimmer gestaltete Bruno Paul im Schloss der Familie Faber-Castell in Stein. Als „Herrenzimmer“ ist somit ein weiterer sehr ähnlicher Nachbau des Studierzimmers mit den lederbezogenen Sitzarrangements im „Bleistiftschloss“ zu sehen.

Kunstwerk aus Bayreuths Partnerstadt Rudolstadt

Im November 1905 wurde auch das Justizgebäude in Bayreuths Partnerstadt Rudolstadt mit einer Präsentation von der Weltausstellung geschmückt. Der Rudolstädter Freskomaler Albert Maennchen wiederholte seine Ausmalungen aus dem „German Building“ im selben Stil und sicherte sie so für die Nachwelt.

  

Was war auf der Weltausstellung in St. Louis zu sehen?

Eine fast zwei Kilometer langen Vergnügungsmeile lud zu einer fiktiven Weltreise ein. Zu sehen gab es eine Alpensilhouette mit schneebedeckten Gipfeln. Eine Bergbahn führte zu Bergdörfern, in denen regionale Produkte verkauft wurden. Ein voller Erfolg waren die „Oberammergauer Passionsspiele“ und ein Lokal mit Schuhplattlermusik, das ganz Stile König Ludwigs II. eingerichtet war.

Es gab ein Eskimodorf, einen ägyptischen Bazar, ein irisches Spukschloss und ein 80 Meter hohes Riesenrad. Auf einem Kamelritt konnte das „geheimnisvolle Asien“ besichtigt werden, Rutschbahnen führten in eine Unterwasserwelt. Zu sehen waren chinesischer Tempel, die Orangerie von Kensington, eine italienische Renaissance-Villa, die Architektur der „modernen Wiener Schule“ und bewohnte (!) Indianerzelte mit dressierten Tieren und Akrobaten. Und zur Stärkung des Patriotismus wurden historische Ereignisse wie die siegreiche Seeschlacht gegen Kuba gezeigt.

Die misslungenen III. Olympische Spiele 1904, „Anhängsel“ der Weltausstellung

Im Nordwesten des Geländes schloss sich das Olympiastadion. Auf dem „Francis Field“ wurden von Juli bis November 1904 die dritten Olympischen Spiele „als Anhängsel“ der Weltausstellung ausgetragen.

Die Olympischen Spiele 1904 waren die ersten, bei denen Gold-, Silber- und Bronzemedaillen für den ersten, zweiten und dritten Platz vergeben wurden.

Für großes Aufsehen sorgte der Marathonlauf am 30. August 1904. Der Sieger Frederick Lorz aus New York wurde disqualifiziert, weil er sich die Hälfte der Strecke mit dem Auto transportieren ließ. So erhielt Thomas J. Hicks die Goldmedaille, der aber für die wohl erste Doping-Diskussion sorgte. Seine Trainer hatten ihn während des Rennens mit Strychnin, Eiweiß und Brandy versorgt, um zu demonstrieren wie Chemikalien die Leistungsfähigkeit des Körpers steigern könnten.

Besonders fragwürdig waren die von der Weltausstellung organisierten „Anthropologischen Tage“, an denen indigene Sportler menschenverachtend vorgeführt wurden. Sie mussten in Disziplinen, für die sie nicht trainiert hatten, wie Steinwerfen, Schlammkämpfe und Baumstammklettern gegeneinander antreten. Das Ziel: Zu beweisen, dass Weiße sportlicher sind als „mindere Rassen“. IOC-Präsident Pierre de Coubertin sprach von einer absurden Inszenierung der olympischen Idee und sah dies als Diskriminierung der ethnischen Minderheiten. Er reiste schwer enttäuscht gar nicht erst an.

Stephan Müller

Stephan Müller

Stephan Müller ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.