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Unter vier Augen

Unter vier Augen: Bäckermeisterin Alexandra Zimmer über Anisbrezeln und die Bäckerei Lang

In unserer Reihe „Unter vier Augen“ treffen wir Menschen aus Bayreuth, die die Öffentlichkeit meist nur über ihren Beruf kennt. In diesem Fall: Alexandra Zimmer von der Bäckerei Lang. Wir wollen sie kennenlernen – unter vier Augen und haben mit ihr gesprochen über Tradition, Familie und Hanfkekse.

Alexandra Zimmer ist Bäckermeisterin. Das Bäckerhandwerk hat in ihrer Familie Tradition. Seit mehr als 250 Jahren wird in der Jean-Paul-Straße 7 in Bayreuth Brot gebacken und Bier genossen. Mehr als 100 Jahre davon durch die Hände der Familie Lang: Die Eltern, Großeltern und Urgroßeltern von Alexandra Zimmer.

Alexandra Zimmer selbst steht seit über 40 Jahren in der Backstube. Besonders die Konditorei hat es ihr angetan. Die Lang Genusswelt ist aber mehr als eine Bäckerei. Sie ist ein Ort des Genusses. Das ist Alexandra Zimmer wichtig. In der öffentlichen Wahrnehmung steht sie für manche vielleicht im Schatten ihres Mannes, der Präsident der Handwerkskammer für Oberfranken war. In Wahrheit arbeiten die beiden auf Augenhöhe. Wir waren bei Alexandra Zimmer im Laden und haben mit ihr gesprochen über Tradition, Familie und Hanfkekse:

Wie wichtig ist Ihnen das Haus, in dem wir jetzt stehen?

Wir sind ein Zahnrad in einer langen Bäcker-Geschichte. Seit 260 Jahren gibt es hier in diesem Haus das Backfeuerrecht, so lange wird in diesem Haus schon gebacken und gebraut. Der Hofbuchdrucker von Wilhelmine hat dieses Haus gebaut, ist aber recht schnell in die Insolvenz gegangen. Nach dem Verkauf kam dann eine Bäckerei in die Räume und seitdem ist das so. Meine Urgroßeltern haben das Haus im Jahr 1918 gekauft.

Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung?

Meine Kindheit hier in der Bäckerei. Hier im Laden mit den Stöckelschuhen meiner Oma Kaufladen zu spielen, war toll. Ich bin hier aufgewachsen, genauso wie meine Tochter und meine Enkeltochter. Die Kinder sind immer und überall mit dabei. Meine Enkeltochter bekommt ein kleines Stück Teig und darf dann backen und nimmt am nächsten Tag ihr selbst gebackenes Brot mit in den Kindergarten.

Wenn Sie in ein anderes Café gehen, was bestellen Sie da?

Immer die Spezialitäten, um neue Inspiration zu bekommen. Wir probieren immer wieder neue Sachen aus und kommen dann, wenn wir auf Reisen sind, mit neuen Ideen zurück. Dazu gehören zum Beispiel „Schusterleiberl“ aus Wien oder die Vinschgauer Brötchen, da haben wir das Gewürz aus Südtirol mitgebracht.

Welche Gebäck-Spezialitäten gibt es denn hier zuhause in Bayreuth?

Anisbrezen. Wenn jemand reinkommt, der nicht von hier kommt und eine Breze bestellt, müssen wir fragen: „Laugenbreze oder Anisbreze?“ Und wer nicht von hier ist, kennt keine Anisbreze. Auch den Eierring kennen Viele nicht, einen Hefekranz. Früher ist er in einem Tuch eingepackt und mit einem Zinn- oder Porzellanteller oder -Pokal und mit 12 roten Eiern an das Patenkind verschenkt worden. Und irgendwann hatte das Patenkind dann ein ganzes Service.

Sie betreiben ja eine Bäckerei, die nicht gerade zentral gelegen ist. Das ist in Zeiten, in denen viele Bäcker am Supermarkt sind, sicher nicht ganz einfach.

Bei unserer Bäckerei ist es ja so: Wir sind hier in der Jean-Paul-Straße nicht in der Fußgängerzone, sondern ein bisschen versteckt. Wir müssen die Leute zu uns locken. Deshalb sind wir auch etwas anders als eine normale Bäckerei. Wir bieten Dinge an, die es anderswo nicht gibt. Eine Kaisersemmel lockt niemanden hierher.

Was unterscheidet Sie denn?

Wir legen Wert auf Qualität. Wir wissen, woher unsere Rohstoffe kommen und wir backen selbst. Deshalb wissen wir ganz genau, was in unserem Produkten ist und können so auch zum Beispiel Allergiker gut beraten.

Das schätzen Ihre Kunden.

Die Energiekrise ist nicht wegzudiskutieren. Alles wird teurer, für uns und für die Verbraucher und das merken wir schon. Ich höre täglich, dass Bäcker zumachen und die Politik tut nicht das Ihre. Das Essen wird meiner Meinung nach in Deutschland sehr vernachlässigt, das ist in anderen Ländern anders.

Bäcker war ja ein Männerberuf. Wie haben Sie Ihre Zeit in der Berufsschule und auch später erlebt?

Das stimmt, als ich in der Berufsschule war, war das Thema „Frauen in Männerberufen“ noch ganz neu. Ich war in der Berufsschule das einzige Mädchen unter Jungs. Das hat mir aber nichts ausgemacht.

Und später in der Bäckerei?

Mein Mann ist zwar als HWK-Präsident für Oberfranken etwas mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten, aber wir begegnen uns absolut auf Augenhöhe. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich irgendwie in seinem Schatten stehe. Das Scheinwerferlicht ist sowieso nichts für mich.

Wie führt man eine Ehe mit jemanden, mit dem man ja auch arbeitet?

Privat streiten wir uns eigentlich nie, es geht dann eher um’s Geschäft. Man muss reden, anders geht es nicht. Man muss sagen, wenn einen etwas stört, Fehler zulassen und sich Fehler eingestehen. Wenn der Partner nicht weiß, was mich stört, kann er es nicht ändern. Sonst staut sich das an und man explodiert irgendwann. Das gilt bei uns in der ganzen Familie und auch mit dem Mitarbeitern. Man muss die Dinge ansprechen.

Was ist Ihre geheime Superkraft?

Meine Familie. Bei uns wird alles im Familienrat besprochen. So richtig zusammen setzen wir uns aber nicht, das ist eher zwischen Tür und Angel und jeder darf seine Meinung sagen. Irgendjemand muss dann entscheiden: So wird’s gemacht. Wenn es nicht klappt, hört man dann schon mal: „hab ich dir ja gleich gesagt“, aber das muss man halt aushalten. Wir entscheiden von Generation zu Generation immer miteinander. Wir profitieren voneinander, die Jugend vom Alter und das Alter von der Jugend und es hat jeder mal recht und unrecht.

Was machen Sie morgens als Erstes?

Als allererstes lese ich E-Mails, weil ich wissen muss, welche neuen Aufträge reingekommen sind. Mein Mann macht Kaffee und dann geht es in die Backstube. Wir wohnen ja hier im Haus, da ist der Weg in die Arbeit nicht weit. Meine Mutter wohnt auch hier im Haus.

Was ist Ihr Lieblings-Ort in Bayreuth?

Mein Balkon hier oben. Da sind ein paar Blumen drauf und für den Sommer pflanze ich Tomaten an. Letztes Jahr war mein Projekt Hanf anzubauen. Das werde ich dieses Jahr nicht mehr machen, weil es, sagen wir mal, nicht von Erfolg gekrönt war. Mein Mann und ich waren extra vor zwei Jahren in Amsterdam um uns da kundig zu machen mit Rezepturen für Hasch-Kekse, damit wir gleich am Anfang dabei sind. Also hab ich auf dem Balkon ein bisschen angebaut. Aber ich sag mal so: Mein Projekt hat sich nicht gelohnt, deswegen pflanze ich dieses Jahr wieder Tomaten (lacht). Ansonsten ist ein Sonnenschirm auf meinem Balkon und ein Tisch und eine Liege. Da kann ich mich hinlegen und mal ein Buch lesen und einfach den Tag genießen und mal ausspannen.

Haben Sie denn mal ein paar Kekse gebacken, oder Brownies?

Das ist ein Geheimnis.

Was bedeutet denn Ihre Heimat für Sie?

Ich bin mit 18 für ein Jahr nach Wien gegangen und habe da ein Volontariat im Café Heine gemacht. Es war mir wichtig, mal von Zuhause wegzukommen. Wenn ich ein Junge gewesen wäre, hätte ich zur Bundeswehr gemusst. Deshalb habe ich durchgesetzt, dass ich wegdarf. Auf dem Weg nach Wien habe ich meinen Mann kennengelernt, eine Weile haben wir dann eine Fernbeziehung geführt. Diese Erfahrung weg von daheim war gut, ich habe gelernt, wie das ist, alles selber zu machen. Aber ein Vierteljahr hat mir gereicht. Ich lebe gerne hier.

Woran glauben Sie?

Ich glaube an Werte wie Anstand und Höflichkeit, „Bitte“ und „Danke“ sagen. Es wird heute so viel erlaubt. Wertschätzung dem anderen gegenüber, egal welche Tätigkeit er ausübt. Für mich sind alle Menschen gleich viel wert. Ich habe das Gefühl, dass das in den letzten Jahren etwas verloren gegangen ist. Vieles ist so schwarz-weiß, alles wird in Frage gestellt. Nach Corona heißt es jetzt: Wir hätten es anders machen können. Aber ich denke, wir hatten keine Blaupause und es war eben so, wie es war.

Was würden Sie Ihrem 17-jährigen Ich sagen?

Ich möchte nicht nochmal siebzehn sein, ganz ehrlich. Ich glaube, ich hätte Angst, wenn ich mir anschaue, was in der Welt passiert. Ich bin zufrieden, wie mein Leben bisher gelaufen ist. Ich hätte zwar gerne etwas mehr Freizeit, aber ich bin zufrieden und glücklich, wie es ist. Vielleicht ist das etwas verloren gegangen, im Alltag glücklich zu sein. Man ist immer nur glücklich, wenn man etwas Neues erreicht hat. Das ist für mich nicht so.

Wir haben Alexandra Zimmer und ihren Mann und viele andere übrigens beim Stadtball getroffen. Hier geht´s zur Bildergalerie.

Und was machen Sie, wenn Sie mal schlechte Laune haben?

Schlechte Laune habe ich eigentlich nicht so oft. Manchmal bin ich ein bisschen gestresst. Manchmal bekommt das dann mein Mann etwas ab. Das schwierigste ist, die drei Generationen unter einen Hut zu bringen. Meine Mutter wohnt ja auch hier im Haus, meine Tochter arbeitet hier. Da bin ich das Bindeglied, sozusagen das „Sandwich“. Ich kriege ab und zu mal von oben und von unten was ab. Aber ich versuche dann immer zu vermitteln. Aber wenn man eine Familie ist und auch noch zusammen arbeitet, bleiben Diskussionen nicht aus.

Worauf freuen Sie sich?

Ich freue mich jeden Tag, wenn ich unser Enkelkind sehe. Und auf Urlaub. Jetzt nicht unbedingt auf’s Wegfahren, sondern einfach auf’s Luftholen und Nachdenken.

Backen Sie im Urlaub auch?

Ja! Ich liebe Apfelkuchen. Nach meinem eigenen Rezept. Und das gibt es dann auch nur zu Hause.

Schon gelesen? Wir haben auch mit Landrat Florian Wiedemann und SpVgg-Geschäftsführerin Nicole Kalemba unter vier Augen gesprochen.