2.500 Einäscherungen im Jahr: Mittendrin in Bayreuths Krematorium

Zuletzt aktualisiert am

Das Krematorium ist ein Ort, an dem die wenigsten Bayreuther schon mal waren. Auch hingehen wollen dort wahrscheinlich die Wenigsten. Sich mit dem Tod auseinanderzusetzen ist vielen Menschen unangenehm. Das Bayreuther Tagblatt hat sich dennoch im Rahmen der Serie “bt öffnet Türen” dort umgesehen.

Eine interessante Arbeit

Wie kann jemand auf die Idee kommen, im Krematorium zu arbeiten? Die beiden Mitarbeiter des Krematoriums, Walter und Ron (Namen von der Redaktion geändert) klären das bt auf. “Ich habe vorher normal bei der Stadt gearbeitet. Irgendwann wurde ich gefragt, ob ich interessiert bin, mir das mal anzuschauen, weil ich in der Nähe des Friedhofs wohne”, sagt Ron. Dann hat er sich das ganze auch wirklich mal angesehen und fand es “eigentlich ganz interessant”. Das ist inzwischen 18 Jahre her. In dieser Zeit hat er im Wechsel entweder oben am Friedhof oder unten im Krematorium gearbeitet. “Seit fünf oder sechs Jahren bin ich fest hier unten”, also im Krematorium, sagt Ron.

Man darf sich keine Gedanken machen

Die Arbeit war für ihn nie seltsam. “Das einzige was mir von meinem ersten Arbeitstag in Erinnerung geblieben ist, ist die erste Leiche die der Bestatter gebracht hat”, sagt Ron. “Jetzt ist es eine ganz normale Arbeit. Man macht sich wenig Gedanken darüber, wie weshalb und warum der verstorben ist, sondern macht einfach seinen Job.” Sein Kollege Walter ergänzt: “Bei circa 2.500 Kremierungen im Jahr, würde man ja irre werden, wenn man sich bei jedem Gedanken macht.” Er arbeitet seit 30 Jahren am Friedhof und seit 20 Jahren im Krematorium. Auch er hatte vorher einen anderen Job bei der Stadt. Allerdings gibt es auch jetzt noch Momente, in denen die Männer kurz ins Grübeln kommen. Wenn Kinder betroffen sind. Aber lange können sie sich damit nicht aufhalten.

Wie läuft die Einäscherung ab?

Es gibt die Möglichkeit, den Sarg bei der Trauerfeier in der Aussegnungshalle direkt abzulassen.

An dieser Stelle kann der Sarg direkt ein Stockwerk tiefer gefahren werden. Foto: Katharina Adler.

Der Sarg kommt in diesem Aufzug ein Stockwerk tiefer wieder an. Gegenüber dieses Aufzugs ist der Kühlraum. Dort wird die Leiche aufbewahrt, bis sie letztendlich verbrannt wird.

In diesem Aufzug kommt der Sarg unten an. Foto: Katharina Adler.

Eine Kremierung darf allerdings nur dann durchgeführt werden, wenn alle erforderlichen Dokumente da sind, die Polizei einverstanden ist und 48 Stunden seit dem Tod vergangen sind. Denn nach dieser Zeit könnten Anzeichen sichtbar werden, die auf einen nicht natürlichen Tod hindeuten könnten, erklärt Walter.

Der Kühlraum ist gegenüber vom Aufzug. Foto: Katharina Adler.

Wenn alle bürokratischen Anforderungen erfüllt sind, können Ron und Walter zur Tat schreiten. Sie holen den nächsten Sarg aus dem Kühlraum und bringen ihn zu einem der beiden Öfen. Die Öfen werden elektrisch beheizt und müssen eine Mindesttemperatur von 800 Grad Celsius haben. Liegt die Temperatur darunter, darf auch nicht kremiert werden.

Einer der beide Öfen im Krematorium. Foto: Katharina Adler.

“Die Temperatur liegt so zwischen 800 und 1400 Grad”, sagt Walter. Ein normales Thermometer hängt natürlich nicht an der Außenseite der Öfen. Die beiden Mitarbeiter des Krematoriums kontrollieren die Temperatur mit einem Computer-Programm. Mit diesem können sie auch reagieren, wenn einer der Öfen zu heiß werden sollte.

Mit diesem Programm haben die Mitarbeiter den Ofen im Blick. Jeder Mitarbeiter kontrolliert einen Ofen. Foto: Katharina Adler.

Wie lange der Verbrennungsvorgang dauert, ist unterschiedlich. “Das kommt darauf an, wie viel derjenige wiegt”, sagt Ron. Als grobe Faustregel gilt: Pro Kilo eine Minute. Doch das trifft nicht immer zu. “Es kann auch sein, dass es länger dauert oder nicht richtig klappt. Woran genau das liegt, wissen wir nicht”, sagt Walter.

“Jeder Mensch nimmt andere Umwelteinflüsse auf, die dann in den Gelenken stecken”, ergänzt Ron. Auch Krankheiten würden mit reinspielen, die den Prozess verzögern könnten. Durch ein kleines Loch auf der Rückseite des Ofens, können Walter und Ron nachsehen, wie weit die Leiche ist. Wenn der Vorgang abgeschlossen ist, geht ihre Arbeit noch ein Stockwerk tiefer weiter.

So schaut es unterhalb eines Ofens aus. Foto: Katharina Adler.

Mit einem langen Schaber schieben Ron und Walter die Asche bis kurz vor die Tür. Dort muss sie abkühlen, bis sie ganz kalt ist. Dann wird sie in einen Behälter gekehrt und mit einem starken Magneten auf Metallteile untersucht. Die werden entfernt. Die beiden Männer müssen auch oft Prothesen wie Hüft- oder Kniegelenke aus den Überresten ziehen. Nach diesem Arbeitsschritt kommen die Überreste in eine Mühle. Denn bei der Kremierung verbrennen nicht alle Knochen. Die, die übrig geblieben sind, müssen irgendwie klein gemacht werden und dazu braucht es die Mühle. Die fein gemahlene Asche fällt dann direkt in die Urne.

Irrtümer und Unterstellungen

“Wir lassen nicht einfach zwischendurch eine Leiche verschwinden”, sagt Ron. Denn das wäre ihnen schon unterstellt worden. Aber da alles vom Computer überwacht wird, kann auch genau verfolgt werden, wie viele Kremierungen durchgeführt wurden. “Uns wurde auch schon unterstellt, wir würden alle Särge nacheinander verbrennen und dann aus einem großen Haufen die Asche willkürlich in die Urnen verteilen”, sagt Walter. “Das ist natürlich Quatsch.” Es wird ein Sarg nach dem anderen verbrannt.

Auf den Särgen liegt ein Stein mit einer Nummer. Der Stein verbrennt nicht mit, sodass am Ende die Asche durch die Nummer immer einem Namen zugeordnet werden kann. Die Nummerierung der Steine ist fortlaufend. Das heißt, seitdem es das Bayreuther Krematorium gibt, wurden 79.208 Leichen verbrannt. Und ganz wichtig: “Ohne Sarg wird hier keiner verbrannt”, sagt Ron. Das sei nämlich noch so ein Gerücht.

So ein Stein kommt auf den Sarg mit in den Ofen. Foto: Katharina Adler.

Die Mitarbeiter des Krematoriums haben bt-Redakteurin Katharina Adler gebeten, ihre Namen nicht zu veröffentlichen. Deswegen hat die Redaktion die Namen geändert.