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Zwischen Homeoffice und Kernarbeitszeit – Wie flexibel darf Arbeit heute sein?
Im März 2020 war es plötzlich Realität: Die Büros leerten sich, Videokonferenzen gehörten plötzlich zur Tagesordnung und die Küchentischen wurden in vielen Wohnungen zum Arbeitsplatz.
Was vor dem Hintergrund der Pandemie als Notlösung begann, ist heute in vielen Branchen fester Bestandteil des Arbeitsalltags. Homeoffice, Gleitzeit und Vertrauensarbeitsmodelle haben die starren Strukturen der klassischen Bürozeiten aufgebrochen – und das nicht ohne Kontroversen.
Auch in Bayreuth und Umgebung stellt sich für viele Betriebe die Frage: Wie flexibel darf Arbeit heute eigentlich sein, ohne dass Effizienz, Teamgeist oder rechtliche Vorgaben auf der Strecke bleiben?
Die Realität in Oberfranken: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Insbesondere mittelständische Unternehmen in der Region – ob im produzierenden Gewerbe, in der Verwaltung oder in Dienstleistungsbranchen – loten derzeit ihre Spielräume neu aus.
Während große Konzerne in der Regel auf eigene HR-Abteilungen und digitale Tools setzen, fehlt es kleineren Betrieben vielerorts noch an Ressourcen oder zumindest an klaren Konzepten.
Eine aktuelle Erhebung der IHK für Oberfranken Bayreuth zeigt: Rund 40 Prozent der befragten Firmen bieten derzeit Homeoffice-Optionen an – Tendenz steigend. Allerdings verbinden viele damit noch immer große Herausforderungen, vor allem im Bereich der Kommunikation, der Verfügbarkeit und der Führung auf Distanz.
Flexibilität braucht Struktur: Was das Gesetz vorgibt
So attraktiv die neue Arbeitswelt auch sein mag – rechtlich ist sie keineswegs ein Selbstläufer.
Unternehmen sind zum Beispiel verpflichtet, die täglichen Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten lückenlos zu dokumentieren. Die verpflichtende Arbeitszeiterfassung, die vom Bundesarbeitsgericht 2022 bestätigt wurde, gilt unabhängig vom Arbeitsort – also auch im Homeoffice.
Für Arbeitgeber in Bayreuth bedeutet das nicht nur zusätzliche Verantwortung, sondern auch die Notwendigkeit der Einführung digitaler Systeme, die zeiteffizient und rechtssicher funktionieren müssen.
Kernarbeitszeit als Kompromiss?
Viele Betriebe setzen heute auf ein hybrides Modell. Es gibt feste Kernzeiten, in denen die Teams erreichbar und verfügbar sein müssen. Diese werden mit individuellen Zeitfenstern für konzentriertes Arbeiten kombiniert.
Diese Lösung bringt Struktur und Flexibilität zusammen, ohne den gemeinsamen Austausch zu gefährden. Besonders in Projekten mit einem hohen Abstimmungsbedarf zeigt sich: Ganz ohne Überschneidungen geht es oft nicht. Zugleich lassen sich durch diese Modelle Fahrtwege vermeiden und die Arbeitszeiten an persönliche Lebensrhythmen anpassen. Dies sind heute ausschlaggebende Faktoren, um die Mitarbeitenden langfristig an ein Unternehmen zu binden.
Stimmen aus der Region
Viele Betriebe aus der Region bestätigen, dass es ohne klare Rahmenbedingungen nicht geht.
Unternehmen, die schon früh auf flexible Modelle gesetzt haben, berichten jedoch überwiegend von positiven Erfahrungen. Die Produktivität hat durch die neuen Konzepte nicht gelitten. Sogar das Gegenteil ist der Fall, denn viele Menschen schätzen die neue Freiheit sehr.
Wichtig sei bei dem Thema vor allem, auf klare Absprachen und feste Anwesenheitstage zu setzen. Die Gewerkschaften begrüßen diese Entwicklung, mahnen aber zugleich: Die Entgrenzung von Arbeit dürfe nicht zu Selbstausbeutung führen.
Mehr Freiraum fordert auch mehr Verantwortung
Der Trend des flexiblen Arbeitens ist Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels. Es wäre jedoch ein großer Fehler, Flexibilität mit Beliebigkeit zu verwechseln.
Unabhängig davon, ob es sich um einen Handwerksbetrieb, eine Behörde oder eine Softwarefirma handelt: Wer in der Region Bayreuth moderne Arbeitszeitmodelle anbieten möchte, braucht klare Regeln, verlässliche Systeme und eine Kultur des Vertrauens. Die gesetzliche Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist dabei kein Hemmnis, sondern ein wichtiges Schutzinstrument – für Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen.