Zuletzt aktualisiert am
Das perfekte Alltags-Taschenmesser finden: Nicht leicht – aber machbar
Taschenmesser sind ein extrem vielfältiges Themengebiet. Gerade wer eines für die unspezifische Alltagsnutzung benötigt, muss deshalb oft ein bisschen suchen, wenn er „sein“ perfektes Werkzeug finden möchte.
Es gehört wohl zu den praktischsten Dingen, die man täglich in der Hosentasche mitführen kann – selbst, wenn es nicht mit Dutzenden Funktionen ausgestattet ist. Gleichsam ist das Taschenmesser jedoch eines jener Produkte, bei denen man vor lauter Marktvielfalt gerade als Neuling ganz leicht den Überblick verliert. Klingenform, Verriegelung, Legierung, Werkzeuge und viele andere Faktoren bis zur Farbe der Griffschalen wollen wohlüberlegt ausgesucht werden. Denn nur so ergibt sich ein Messer, das wirklich zum eigenen Geschmack und den tagtäglichen Anforderungen passt.
Hinweis: Wir fokussieren uns im folgenden Artikel ausschließlich auf Klappmesser herkömmlicher Bauart – mit der Klinge als Haupt-Werkzeug. Multitools, die um eine Zange herum konstruiert wurden, müssen aus Platzgründen leider unerwähnt bleiben. Wobei sich viele Punkte 1:1 übertragen lassen.
1. Der wichtigste Faktor: Die rechtliche Führbarkeit
Man kann Taschenmesser nicht ohne das Waffenrecht thematisieren. Da dieses Gesetz allein bei Messern extrem aufwendig gestaltet ist, an dieser Stelle ganz knapp, worauf zu achten ist:
Unter „Führen“ versteht man das zugriffsbereite Mitnehmen eines Messers außerhalb befriedeten Besitzes. Also etwa in der Hosentasche im öffentlichen Raum. Der nicht zugriffsbereite Transport in einem verschlossenen Behältnis (etwa die mit Klebeband versiegelte Originalverpackung) fällt nicht darunter. Nur folgende Klappmesser dürfen derart ohne „berechtigtes Interesse“ geführt werden:
- Alles, was nur mit zwei Händen geöffnet werden kann. Erkennbar häufig am „Nagelhieb“ in der Klinge – eine kleine Einkerbung für den greifenden Daumennagel der anderen Hand.
- Einhändig zu öffnende Messer (erkennbar an Stiften oder Daumenlöchern an/in der Klinge), sofern ihre Klinge nicht im offenen Zustand verriegelt („feststellbar“ ist).
- Zweihändig zu öffnende Messer mit feststellbarer Klinge.
- Alle Klappmesser, deren Aufmachung keinen „Waffencharakter“ besitzt, u.a., da die Klinge nur einseitig scharf ist.
Die Klingenlänge spielt bei Taschenmessern (aktuell, Anfang September 2024) keine Rolle. Sie greift nur bei feststehenden Messern und ist dort auf 12 Zentimeter limitiert.
Zwar dürfen noch andere Klappmesser legal „besessen“ werden, sie dürfen jedoch nur mit einem berechtigten Interesse geführt werden. Das sind Berufsausübung, Brauchtumspflege, Sport oder ein „allgemein anerkannter Zweck“ – hier ist das Waffengesetz vielkritisiert sehr schwammig formuliert.
Daher sind u.a. Taschenmesser, die sich einhändig öffnen UND feststellen lassen, wie sie zu tausenden angeboten werden, nicht legal führbar, sofern kein guter Grund vorliegt. Zu diesen Messern gehört paradoxerweise sogar das derzeitige offizielle Taschenmesser der Bundeswehr. Aufgrund der Schwammigkeit des Waffengesetzes empfehlen wir dringend, es nicht darauf ankommen zu lassen und seine Wahl nur auf Messer mit den oben gelisteten Merkmalen zu beschränken.
2. Der Hersteller
Wir möchten keine Werbung für einige Messermarken betreiben. Dennoch lautet die Empfehlung, sich nur Taschenmesser namhafter Hersteller zu kaufen. Der einfachste Weg dazu, ohne sich tief einzulesen, besteht darin, bei Fachhändlern zu kaufen.
Denn auf den großen Online-Plattformen findet sich extrem viel von No-Name-Herstellern – häufig zweifelhafter Qualität. Wer es nicht auf ein generisches „Made in Switzerland“-Taschenmesser abgesehen hat, dürfte bei den zirka 150 Solinger Messermachern wunschlos glücklich werden.
3. Der Klingenstahl
Hierbei handelt es sich um ein Thema, über das es sich hervorragend diskutieren lässt. Das gilt bereits an der Basis:
- Rostender Kohlenstoff- bzw. Carbon-Stahl: Günstig, sehr leicht zu schärfen und kann auf sehr hohe Schärfe gebracht werden. Allerdings rostet er leicht, kann Schnittgut geschmacklich beeinträchtigen und verschleißt etwas schneller.
- Rostfreier Stainless Steel: Rostet erheblich langsamer und ist generell pflegeleichter. Eine hohe Schärfe herzustellen, ist schwieriger, zudem verlieren einige Edelstähle die Schärfe rascher – benötigen also häufigeres Nachschärfen.
Es ist definitiv eine Glaubens- und Geschmacksfrage. Zumal das Stahl-Thema durch die verschiedenen Legierungen nochmals deutlich komplexer und vielfältiger wird. Eine hochwertige Stainless-Legierung etwa kann in jeder Hinsicht besser sein als ein sehr günstiger Kohlenstoffstahl und umgekehrt. Verschiedene Hersteller bieten ihre Taschenmesser sogar absichtlich in beiden Varianten an.
Für absolute Neulinge daher lediglich ein grober Rat: Wer einfach nur ein praktisches Werkzeug für alle Gelegenheiten sucht, der dürfte wahrscheinlich mit einem rostfreien Klappmesser etwas glücklicher werden. Da diese Taschenwerkzeuge bei vielen Menschen sowieso zu „Rudeltieren“ werden, kann ja dann das nächste Stück eines aus Kohlenstoffstahl sein.
4. Die Art und Anzahl der Werkzeuge
Wir leben in einer Ära, in der es angesichts der gigantischen Taschenmesser-Vielfalt nur eine Konstante gibt: Jedes dieser Werkzeuge hat mindestens eine zum Schneiden gedachte Klinge. Allein unter den „Foldern“ (engl. Szenebegriff für alle Klappmesser) ohne jegliches weitere Zubehör ist die Auswahl atemberaubend. Richtet man den Blick auf Taschenmesser, die noch mehr können, wird es ganz schnell völlig unübersichtlich. Was also tun?
- Die Trageweise bedenken. Je mehr Werkzeuge, desto mehr Gewicht schleppt man mit sich herum und desto dicker/unförmiger wird das Messer. Das wirkt jedoch in der Hosentasche anders als in der Gürtel- oder Handtasche.
- Überlegen, was man im Alltag typischerweise macht. Wer etwa auf der Arbeit am Getränkeautomaten regelmäßig Flaschen mit Kronkorken zieht, wäre mit einem Kapselheber gut bedient. Wer hingegen selten bis nie Outdoor-Aktivitäten betreibt, bräuchte wohl eher keine Säge.
- Den Markt sondieren. Gerade mit Blick auf andere Features kann die Auswahl mitunter eingeschränkt werden. So finden sich etwa unter den Foldern mit Carbon-Stahl-Klinge deutlich weniger, die als „Klapp-Werkzeugkästen“ gestaltet wurden.
Tendenziell darf das erste Messer etwas sparsamer ausgestattet sein, wenn es dafür die richtige Kombination (fast) alltäglich benötigter Tools aufweist und durch möglichst wenig „totes Gewicht“ gern und häufig mitgeführt wird.
Und wer sich vielleicht auf den ersten Blick in ein Taschenmesser nur mit Klinge verliebt – nur zu! Im Alltag wird man schon merken, ob man etwas vermisst oder nicht.
5. Die Klingenform
Es gibt im Messerbereich 16 Grundformen von Klingen, dazu gewisse Abwandlungen. Abgesehen von der nicht führbaren, da beidseitig geschärften Dolchform sind alle für ein Taschenmesser geeignet, wenngleich einige davon eher seltener anzutreffen sind.
Bis auf einige wenige Ausnahmen handelt es sich primär um eine Frage der persönlichen optischen Präferenz. So sind beispielsweise Recurve-Klingen etwas schwieriger auf typischen Steinen zu schärfen, während Sheepfoot-Klingen besonders präzise schneiden – und alle Formen haben ein gewisses eigenes Handling.
Gerade Einsteiger dürfen daher gerne wählen, was ihnen am besten gefällt und mit den anderen Features zusammenpasst. Beispielsweise sind viele Taschenmesser mit unterschiedlichen Werkzeugen nur mit Spear-Point-Klinge erhältlich.
6. Der Schliff
Ein weiteres vielfältiges Thema, ähnlich wie beim Stahl. Für den Anfang zählen jedoch nur folgende Variationen:
- Glattschliff: Erheblich einfacher zu schärfen, sehr präzise in weichen bis semi-harten Materialien, gerät jedoch bei härteren Materialien (etwa Brotkruste) an seine Grenzen.
- Wellenschliff: Reißt/Sägt eher, als dass er schneidet. Selbst in leicht abgestumpftem Zustand noch gute Schneidleistung. Dafür jedoch kaum für präzise Schnitte zu gebrauchen und benötigt spezielle Schärfwerkzeuge.
Manche Folder nutzen beides, indem nur eine Hälfte der Klinge glatt bzw. gewellt ist. Unser Rat: Der Glattschliff ist erheblich weiter verbreitet und gerade für ein alltägliches Universal-Gebrauchsmesser deutlich multifunktionaler.
7. Das Griff(schalen)Material
Bei manchen Taschenmessern besteht der gesamte Handgriff aus einem Werkstück. Bei anderen handelt es sich um ein „Sandwich-Paket“, bei dem Metallbleche den tragenden Kern bilden und außen Griffschalen aus einem anderen (schönerem, angenehmerem usw.) Material bestehen.
Abermals sowohl eine Frage des persönlichen Geschmacks als auch der Praxis. Längst nicht jedes Material (inklusive Oberflächengestaltung) ist beispielsweise mit feuchten Händen noch sehr griffig. Umgekehrt gibt es bei der optischen Anmutung erhebliche Unterschiede, wie modern/technisch oder traditionell/edel ein Messer wirkt.
So mutet ein Folder mit Horn- oder Holzgriffschalen völlig anders an als einer, bei dem das Bauteil aus „G10“-Kunstoff oder beispielsweise Aluminium besteht. Erneut spricht das für den Gang zum Fachhändler: Verschiedene Optionen anschauen, anfassen – und vielleicht überlegen, wie sie zur restlichen Garderobe passen. Als Alltags-Accessoire ähnlich wie die Armbanduhr darf ein Taschenmesser gern mit Blick auf den persönlichen Style gewählt werden.
8. Die Verriegelung
Bei praktisch allen Taschenmessern werden Klinge und Werkzeuge wenigstens im offenen Zustand durch irgendeine Mechanik gehalten. Sieht man von einem drehbaren Metallring ab, wie er besonders prominent bei den französischen „Opinel“-Messern vorkommt, beschränkt sich die Auswahl primär auf Folgendes:
- Slipjoint: Die einzige nach deutschem Recht wirklich „unverriegelte“ Option. Hier hält nur Federkraft die Klinge vom Schließen ab. Das bedingt etwas Vorsicht bei der Benutzung.
- Back- und Mid-Lock: Zum Schließen muss ein Hebel im Griffrücken heruntergedrückt werden. Vielfach nur mit der zweiten Hand komfortabel und etwas schmutzempfindlich, dafür sehr stabil.
- Liner-Lock: Zum Schließen drückt der Daumen ein Verriegelungselement an der Griffunterseite zur Seite. Komfortabler mit einer Hand zu bedienen, leichter zu reinigen, aber weniger stabil.
- Frame-Lock: Eine Liner-Lock-Variante, bei der ein Teil der Griffschale betätigt wird. Kommt hauptsächlich bei Taschenmessern in Vollmetall-Skelettbauweise vor.
Wer unbedingt ein Einhand-Taschenmesser führen möchte, kommt sowieso nicht um eine Slipjoint-Verriegelung herum. Manche nutzen sehr kräftige Federn, die hohe Sicherheit vor unabsichtlichem Schließen bieten – aber naturgemäß etwas unkomfortabler zu handhaben sind.
9. Bitte nicht vergessen: Schärfwerkzeug
Für ein gutes Taschenmesser, das für Jahrzehnte zum treuen Begleiter wird, darf man gern einen dreistelligen Betrag ausgeben. Sogar deutlich günstigere Messer werden im Neuzustand eine gute „Gebrauchsschärfe“ aufweisen.
Wer jedoch schon im Ladengeschäft oder auf der Website eines Fachhändlers ist, sollte seinen Folder niemals ohne ein passendes Schärfwerkzeug erstehen. Denn stumpf wird die Klinge durch Benutzung mit absoluter Sicherheit. Dann ist es wichtig, seinem Alltagshelfer mit ein paar Bewegungen wieder zur alten Leistungsfähigkeit verhelfen zu können.