Milch-Flatrate im Jahr 1900: Hobbyforscher fördern Kurioses zutage

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Gerhard Zahn organisiert beim Evangelischen Bildungswerk Bayreuth den Offenen Arbeitskreis Familiengeschichtsforschung. Bei den Treffen im evangelischen Gemeindehaus steht das Entziffern alter Schriften auf dem Programm. Für uns hat Zahn sein Archiv geöffnet.


Dreißig Leute, ausgestattet mit Stift und Lupe, beugen sich über Kopien von alten Handschriften und versuchen gemeinsam die ungewohnt schnörkeligen Kurrentschriften zu entziffern. Dazu gibt es wissenswerte Erläuterungen zu verwendeten Abkürzungen, aus der Mode gekommenen Ausdrücken und zum Verständnis des Inhaltes. Wir sind beim Arbeitskreis Familiengeschichtsforschung.

Der Arbeitskreis ist kein Verein, kostet keine Mitgliedsbeiträge. Ein „Leitungsteam“ organisiert die monatlichen Treffen mit unterschiedlichsten Themen mit genealogischem Bezug. Genealogie, das ist die Familiengeschichtsforschung. Jeder darf mitmachen und das schon seit über 25 Jahren.

Konzentration beim Entziffern alter Urkunden beim offenen Arbeitskreis. Foto: Gerhard Zahn.

Die Familienforscher suchen nach Spuren ihrer Vorfahren um deren Lebensdaten zu erfassen, ihre Lebensbedingungen zu veranschaulichen und in Erinnerung zu rufen. Die Ergebnisse ihrer Forschungen werden in Ahnentafeln und Familienbüchern beschrieben. Historische Landkarten, alte Schwarz-Weiß-Fotos, aufbewahrte Postkarten und Briefe, sowie Auszüge aus Kirchenbüchern und in städtischen und staatlichen Archiven schlummernde Urkunden belegen die Forschungsergebnisse.

Im Laufe jahrelanger Forschungen stoßen die Genealogen auf überraschende und interessante Details, die schon fast verschüttet waren. Unter anderem auf folgende Geschichten aus unserer Region ist Georg Zahn bei seinen Forschungen gestoßen:


Tod innerhalb einer Woche

1728 verstarben alle Söhne eines Mühlenbesitzers, 16, 18 und 20 Jahre alt, innerhalb einer Woche. Der Grund für diese epidemische Katastrophe dürfte der Ausbruch einer heute beherrschbaren Krankheit gewesen sein, wie Tuberkulose oder Diphterie.

Sechs Paten

Nichtehelich geborene Kinder wurden vom Pfarrer im Taufbuch als „Hurenkinder“ eingetragen und diskriminiert. Und sie brauchten auch nicht nur einen, sondern sechs Paten. Es finden sich aber auch Eintragungen wie „ein adelig unehelich Kind“.

Milchvorrat gesichert

Eine Bauerswitwe übergibt um 1900 ihren Hof und regelt im Übergabevertrag bis ins kleinste Detail ihre „Ausnahme“. Dabei wird unter anderem vereinbart, dass ihr in der Zeit von Walburgis bis Martini ein Liter „Frühmilch“ zusteht und zwar „von einer von ihr zu wählenden Kuh“. Außerdem hatte sie alle sechs Monate Anspruch „auf frisches Bettstroh“. Da war Haferstroh für den Strohsack, denn damals kannten selbst begüterte Menschen noch kaum eine Matratze.

Ein Bild aus Gerhard Zahns Archiv aus dem Jahr 1880 mit moderner Bildbearbeitung auf Vordermann gebracht. Foto: Privat.

Plötzlich unehelich

Ein Bauer heiratet und es werden ihm in kurzer Zeit vier Kinder geboren. Sechs Jahre später stellt der Pfarrer im Zuge einer anderen Hochzeit fest, dass der Bauer und seine Frau entfernt miteinander verwandt sind und es zur Hochzeit eine Ausnahmegenehmigung, einen sogenannten Dispens, gebraucht hätte. Kurzerhand erklärt er die Ehe für nichtig. Die vier Kinder sind also kirchenrechtlich „illegal“ geboren. Also wird der fehlende Dispens nachträglich beantragt, noch einmal kirchlich geheiratet und dann gelten auch die vier Kinder wieder als „legal“.

Erinnerung an einen Taubstummen

1941 wird ein 39-jähriger Taubstummer nach Hartheim in Österreich verbracht und im Rahmen der Menschen verachtenden Euthanasie der Nationalsozialisten vergast. Die ihn noch kannten, haben ihn als geistig regen und freundlichen Menschen in Erinnerung.

Ein indonesischer Vulkan

Ein Müller und Bauer geht „auf die Gant“, sprich „pleite“ und dann stellt sich heraus, dass der Ausbruch des Vulkans Tambora im fernen Indonesien im Jahr 1815, eine die Kontinente verfinsternde Staubwolke im Jahr 1816, das „Jahr ohne Sommer“ verursachte. Folglich wurde 1816 keine Ernte reif, das Vieh verhungerte oder musste notgeschlachtet werden. Manche Menschen aßen schon Baumrinde und der Müller hatte rein gar nichts zu mahlen. Das war sein wirtschaftliches Ende.


Text: Gerhard Zahn.

Gerhard Zahn. Foto: privat


Der offene Arbeitskreis Familiengeschichtsforschung trifft sich monatlich zu Vorträgen und Exkursionen. Die Teilnahme ist offen für alle Interessierten. In der Regel finden die Treffen an jedem zweiten Dienstag im Seminarraum des evangelischen Gemeindehauses, Richard-Wagner-Straße 24, statt. Mehr Informationen dazu finden Sie auf der Website des Evangelischen Bildungswerks Bayreuth.