Emil, Metropolis und Skandal-Tatort: Der legendäre Kino-Bösewicht aus Bayreuth
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Bayreuth, Luitpoldplatz 1, war einst die Adresse eines Schauspielers, der als Bösewicht im Kino weltbekannt wurde. Der in einem der besten Filme aller Zeiten genauso mitwirkte, wie an einem skandalösen Tatort. Und der dem Werben Hollywoods nur deshalb nicht nachgab, weil er seine Sprachkenntnisse für den Sprung über den großen Teich als nicht ausreichend betrachtete. Der Hobbyhistoriker Stephan Müller ist für das Bayreuther Tagblatt dem Leben und Wirken des Stars aus „Metropolis“ und „Emil und die Detektive“ auf den Grund gegangen.
Heinz Rühmann, Hans Moser und Theo Lingen kennen wohl die meisten. Die Spaßvögel haben bis heute Kultstatus. Aber Fritz Rasp? Wohl eher nicht. Dabei war er ein Bayreuther, ging in der Friedrichstraße aufs Gymnasium und wuchs um 1900 am Luitpoldplatz 1 auf, einem Gebäude, dass vor Schlossgalerie, „Stenohaus“ und Milchbar an der Ecke Kanalstraße stand.
Der geborene Bösewicht
Fritz Rasp war nicht der gewitzt, nervöse Schauspieler wie Theo Lingen, nicht der nuschelnd, polternde Hans Moser, nicht der Lieblingsschwiegersohn Heinz Rühmann. Fritz Rasp war mit seiner hohen, schlank-hageren Gestalt, dem kantigen Gesicht mit dem schmalen Mund und dem stechende Blick und der langen Nase der ideale Bösewicht. Zeit seines Lebens spielte er die unheimlichen, düstere Rollen der Gauner und Außenseiter. Er stahl Emil in der Eisenbahn das sauer gesparte Geld seiner Mutter, verführte unschuldige Mädchen, war Bettlerkönig in der „Dreigroschenoper“ und war der feige Verräter des Schinderhannes.
Der Bayreuther Fritz Rasp wurde als Film-Bösewicht berühmt. Foto: Verleih
Das große Gespenst des deutschen Films.
(Neue Zürcher Zeitung vom 15.5.1971)
Der russische Schriftsteller Ilja Ehrenburg, dessen Buch „Die Liebe der Jeanne Ney“ verfilmt wurde, sagte einst über Fritz Rasp:
Von den Schauspielern gefiel mir am besten Fritz Rasp. Er sah wie ein veritabler Schurke aus. Als er das Mädchen in den Arm biss und die Bissstelle gleich darauf mit einem Dollar statt einem Wundpflaster bedeckte, vergaß ich, dass ein Schauspieler vor mir stand. (…) Er spielte Bösewichter, aber sein Herz war sanft und sogar sentimental.
(Ilja Ehrenburg, russischer Schriftsteller, über Fritz Rasp)
1975 zum letzten Mal auf der Kinoleinwand
Fritz Rasp ist am 13. Mai 1891 in Bayreuth geboren. Er wuchs als 13. Kind des Bezirksgeometers Daniel Rasp und seiner Frau Auguste (geb. Grähl) in Bayreuth auf. Daniel Rasp war also ein Vermessungsingenieur, der Grundstücke für den Hoch- und Tiefbau vermessen hat. In der Kindheit von Fritz, herrschte in Bayreuth eine unglaubliche Bautätigkeit. Viele Gebäude, an denen sein Vater als Vermessungsingenieur sicherlich ausgiebig beteiligt war, kennen wir noch heute, darunter fällt das Postgebäude in der Kanzleistraße, das Gebäude am Röhrensee, die Luitpoldschule, die Regierung in der Ludwigstraße, das Landgericht, das heutige RWG, das städtische Krankenhaus, die heutige Klinik Herzoghöhe und das heutige Graf-Münster-Gymnasium.
Fritz Rasp selbst besuchte das Gymnasium Bayreuth in der Friedrichstraße. In dem eindrucksvollen Gebäude gegenüber des Jean-Paul-Denkmals war jahrzehntelang das Gesundheitsamt und aktuell ist dort die Kripo Bayreuth untergebracht. Da Bayreuth um 1890 gerade einmal rund 24.000 Einwohner hatte, dürfte Rasp die fast gleichaltrigen Wilhelm Leuschner (später hessischer Innenminister), Hans Carl Reissinger (Architekt der Stadthalle), Hans Schemm (NSDAP-Gauleiter), Fritz Neuland (Vater von Charlotte Knobloch) und Gilbert Graf Gravina (Enkel von Cosima Wagner) gekannt haben.
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Karrierestart trotz Sprachfehler
Von 1908 bis 1909 studierte Fritz Rasp an der Theaterschule Otto König in München. Dort musste er ein riesiges Problem bewältigen. Noch mit 17 Jahren hatte er einen Sprachfehler. Er konnte kein „R“ aussprechen. Durch Sprechunterricht bekam er seinen Sprachfehler in Griff und lernte seinen bayreutherisch-fränkischen Dialekt zu unterdrücken. Es gelang. Er artikulierte künftig fast übergenau, was ihn später ebenfalls für seine Außenseiterrollen prädestinierte.
Der deutsche Filmschurke vom Dienst.
(Der Spiegel vom 6.12.76)
Sein Schauspieldebüt gab er 1909 am Schauspielhaus München, 1914 erhielt er einen Vertrag bei Max Reinhardt am Deutschen Theater, der von seiner Kriegsteilnahme im ersten Weltkrieg unterbrochen wurde. Gleichzeitig wurde er ab 1915 als Darsteller im (Stumm-)Film als Schurke und Killer berühmt.
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Hollywood ruft
Durch das Sozialdrama „Tagebuch einer Verlorenen“ (1929) an der Seite der legendären Louise Brooks wurden auch amerikanische Regisseure auf ihn aufmerksam. Ein Angebot aus den USA im Jahr 1930 lehnte er jedoch ab. Weil sich in Hollywood der Tonfilm bereits durchgesetzt hatte, sah er sich wegen seiner schlechten Englischkenntnisse nicht in der Lage diesen Schritt zu gehen. Ein Jahr später erlangte er in der ersten Verfilmung – einer Tonverfilmung – von Erich Kästners „Emil und die Detektive“ als „Dieb Grundeis“ Weltruhm.
In der Nazi-Zeit vermied er Kontakte zur deutschen Filmszene und wirkte in österreichischen Filmproduktionen mit. Um die Mitwirkung bei deutschen Propagandafilmen nicht ablehnen zu müssen, meldete er sich regelmäßig krank. Wenn er dies nicht vermeiden konnte, agierte er bei den Proben so übertrieben, dass er von den Regisseuren abgelehnt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg drehte er bereits ab 1946 wieder Filme und trat vornehmlich in Berlin und beim Bayerischen Staatsschauspiel in München auf. Als Hörspielsprecher arbeitete er hauptsächlich für den Bayerischen Rundfunk. 1973 entstand die TV-Dokumentation „Erlebte Filmgeschichte – Fritz Rasp“.
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Darsteller in großen deutschen Filmen
Fritz Rasp wirkte in vielen bekannten deutschen Kinoklassikern mit. Für sein langjähriges Wirken beim deutschen Film wurde Fritz Rasp mit dem Filmband in Gold ausgezeichnet. Zu sehen war Rasp unter anderem in:
- Metropolis: Fritz Rasp spielte den „Schmalen“ in dem monumentalen Stummfilm Metropolis. Ein Meilenstein: Der Film von Regisseur Fritz Lang gilt als einer der bedeutendsten Werke der Filmgeschichte. In den Jahren 1925/1926 gedreht, war Metropolis einer der teuersten Filme der damaligen Zeit.
- Tagebuch einer Verlorenen: Am Tag ihrer Konfirmationsfeier muss die Apothekertochter Marie, genannt Thymian (Louise Brooks), miterleben, wie die Haushälterin ihres Vaters aus ihr unbekannten Gründen aus dem Haus gejagt wird und Suizid begeht. In derselben Nacht wird Thymian vom Provisor Meinert (Fritz Rasp), der in der Apotheke ihres Vaters arbeitet, während sie bewusstlos ist, geschwängert.
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- Emil und die Detektive: In der ersten Verfilmung aus dem Jahr 1931 spielte Fritz Rasp den Gauner Grundeis. Dieser frühe Tonfilm gilt als bedeutendes Werk der deutschen Filmgeschichte und wird bis heute in der Filmkritik allgemein als beste Verfilmung der Geschichte von Erich Kästner betrachtet.
- Edgar Wallace-Filme: 1931 und 1932 verfilmte Carl Lamac mit „Der Zinker“ und „Der Hexer“ zwei der bekanntesten Krimis von Edgar Wallace. In beiden Filmen wird Fritz Rasp als Autohändlers Frank Sutton („Der Zinker“) und als Rechtsanwalt Meister („Der Hexer“) ermordet. Die Berliner Morgenpost lobte Rasp am 3. September 1932, dass es ihm im „Hexer“ (als Einzigen) gelang, die Wallace-Gruseligkeit in Maske und Spiel hervorzurufen. Nach jahrzehntelanger Pause kamen ab 1959 wieder Edgar-Wallace-Adaptionen in die Kinos. Rasp spielte schrullige Typen in „Der Frosch mit der Maske“, „Die seltsame Gräfin“ und „Die Bande des Schreckens“. Die Fälle wurden jeweils von Joachim „Blacky“ Fuchsberger gelöst. Mit dabei waren (natürlich) die unvergessenen Klaus Kinski und Eddi Arent.
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- Pater Brown: Im humorvollen Krimi „Das schwarze Schaf“ spielte Fritz Rasp im Jahr 1960 den Lord Kingsley. Die Hauptrolle spielte Heinz Rühmann als Pater Braun, der sehr zum Leidwesen seines Bischofs Detektiv spielt.
- Der Kommissar: Immer noch bekannt ist die Serie „Der Kommissar“ mit Erik Ode als Kommissar Herbert Keller. Bis zur Folge 71 assistierte ihm Kriminalhauptmeister Harry Klein (Fritz Wepper), ehe ab Folge 71 Kriminalhauptmeister Erwin Klein (Elmar Wepper) übernahm. Erwin musste ran, weil Harry Klein fortan bei Horst Tappert in „Derrick“ assistieren musste. Im Jahr 1971 spielte Fritz Rasp eine Gastrolle.
- Der Skandal-Tatort „Frankfurter Gold“: Fritz Rasp wirkte im sechsten Tatort „Frankfurter Gold“ mit Klaus Höhne als Kommissar Konrad mit. Die Einschaltquote lag an diesem 4. April 1971 bei 55 Prozent. Und: Dieser Tatort endete in einem Skandal: Der Hessische Rundfunk hatte nämlich einen minuziös-realen Betrugsfall gesendet, der erst im Sommer 1971 („Herstellung und Verkauf falschen Goldes“) vor dem Landgericht verhandelt werden sollte. Nachdem sich Regisseur Eberhard Fechner die Betroffenen bis ins Detail befragte, stimmte die fast als Dokumentarfilm gezeigte TV-Geschichte und Wirklichkeit bis auf die Namen und Schadenshöhe fast exakt überein. Der Strafverteidiger Hanns Schalast, der den tatsächlichen 26-jährigen Betrüger Joachim Blum vertrat, sprach von einer „Fernsehhinrichtung“.
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- Lina Braake: Seine schönste Altersrolle war der greise, entmündigte, aber gewitzte Kaufmann in der Komödie mit dem sperrigen Titel „Lina Braake oder Die Interessen der Bank können nicht die Interessen sein, die Lina Braake hat“. Gut ein Jahr vor seinem Tod hatte spielte er in dieser liebevollen Komödie die Rolle des Dr. Gustav Härtlein, der wegen diverser Bankbetrügereien entmündigt ist und strafrechtlich nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden kann.
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Seinen letzte Kinorolle hatte Rasp 1975 ehe er am 30. November 1976 im Alter von 85 Jahren in Gräfelfing an einer Krebserkrankung verstarb.
Text: Stephan Müller
Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.
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