Ekelhaft, nutzlos, hirnverbrannt: Festspiel-Kritik zu Wagners Lebzeiten
Nach den ersten Bayreuther Festspielen im Jahr 1876 stellte der Musikschriftsteller Wilhelm Tappert (1830 – 1927) eine Sammlung von groben und gehässigen Zitaten zusammen, die von den damaligen Kritikern und Spöttern gegen Richard Wagner und seine Werke veröffentlicht wurden. „Das Wörterbuch der Unhöflichkeit“ nannte er die Sammlung und gab sie 1877 als Buch heraus.
Einer der heftigsten Kritiker von Richard Wagner war demnach ein gewisser Eduard Hanslick. Wagner revanchierte sich für dessen Verrisse, in dem er die Figur des „Merkers“ Sixtus Beckmesser als Parodie auf Hanslick anlegte. In den ersten Meistersinger-Entwürfen von 1862 war die Rolle des Beckmesser noch als „Hans Lick“ und später „Veit Hanslich“ benannt.
Aus der zweiten, „bedeutend vermehrten und umgearbeiteten“ Auflage aus dem Jahr 1903 hat bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller folgende Leckerbissen entnommen. Den aktuell tätigen Regisseuren möchte man danach zurufen, dass sie sich über die Kritik unserer Tage wahrlich nicht beschweren dürfen. Früher klang Wagner-Kritik nämlich so:
Wo die Oper des schildernden Elements sich begibt, wo sie aufhört, „Marine“, und anfängt, „Musik“ zu werden, da stehen Wagners Blößen in hellem Licht: die Armut seiner Erfindung und das Dilletantische seiner Methode.“
(Eduard Hanslick, 1859)
Wagners Unglück ist, dass er sich nicht nur für den Dalai Lama selbst hält, sondern auch für des Dalai Lamas Oberpriester in einer Person, und daher jedes seiner Exkremente für den Ausfluss einer göttlichen Eingebung.
(H. Dorn, 1865)
Opernsänger Vogl, dessen Frau in der Oper „Rheingold“ die Partie der drei Rheintöchter singt, hat, wie wir dem Süddeutschen Telegramm entnehmen, gegen den Redakteur des „Münchner Vaterland“, welcher das in der ersten Szene der Oper vorkommende Innere des Rheins als „Hurenaquarium“ zu bezeichnen sich bemüßigt fand, Klage wegen Ehrenbeleidigung seiner Frau erhoben.
(Signale, 1869)
Niemals singen ihrer zwei zugleich. Langsam und pathetisch rezitiert einer nach dem andern, während die übrigen stumm und gelangweilt zusehen. Ein drei Stunden langer musikalischer Gänsemarsch.
(Eduard Hanslick, 1869 über die Münchner Aufführung des „Rheingold“)
Über die Bayreuther Grundsteinlegungsfeier werden wir keinen Bericht bringen, trotzdem uns mehrer zugegangen sind. Wir halten dieselbe für eine Farce, eine mit Wagnerschen Raffinement in Szene gesetzte Komödie, nur darauf berechnet, sich persönlich verhimmeln zu lassen. Manche dort vorgekommenen Szenen sind geradezu ekelhaft.
(Otto Reinsdorf, 1872)
Herr Niemann, welcher in Leipzig gastieren sollte, hat, gestützt auf ein ärztliches Attest, einen Absagebrief geschickt. Wahrscheinlich hat er sich beim Hokuspokus mit der 9. Sinfonie bei der Grundsteinlegung in Bayreuth vollends ausgesungen.
(Berliner Musikzeitung Echo, 5. Juni 1872)
Für den Bazar zugunsten des Wagnertheaters in Bayreuth sind uns die nachfolgenden Gegenstände zugegangen, welche wir an die Haupt-Almosenempfangsstelle demnächst abliefern werden.
- Zigarrentasche aus gesprengten Trommelfellen
- Klavierauszug aus der Oper „Cosima fan tutti“ von Hans von Bülow. Bearbeitet von Kollektanten.
- Posanistenbruchband mit dem aufgedruckten Finale des zweiten Aktes der „Meistersinger“.
- Eine Garnitur Gehörwattons für „Walkyrenbesucher“ etc.
Berliner Montagszeitung, 4. Mai 1874
Das hirnverbrannteste Unternehmen, das je ein Künstler oder ein dem Irrenhaus Entlaufender angestrebt hat.
(Lárt musical, Paris 1875)
Ungemein erheiternd ist es, dass in einem hirnverbrannten Kopfe nachträglich noch die Idee auftauchen konnte, dieses an und für sich ganz nutzlose Haus (das Wagnertheater nämlich) auf Kosten der deutschen Nation zu erwerben uns so für alle Zukunft dem mit Wagner getriebenen Götzendienst einen Tempel zu reservieren.
(H. M. Schletterer, Richard Wagners Bühnenfestspiel, 1876)
Außer dem konzessionierten Ausschank von Spirituosen (1. Akt, Szene 2) haben wir auch diesmal in dem Drama keine weitere Handlung bemerkt.
(Berliner Montagszeitung, 4.12.1876)
Gequassel und Gequatsche, in solchem nudelt sich das Duett von Tristan und Isolde von Seite 111 bis Seite 135 des Klavierauszuges.
(H. Dorn, 1876)
Für eine Flasche Wein in Eis hätten wir mit Vergnügen das ganze Göttergelichter verschenkt.
(Karl Frenzel nach dem 2. Akt der Walküre in Bayreuth, 1876)
Endlosere, ermüdendere, gleichgültige, Bekanntes immer wiederkäuendere Schwätzer hat die Bühne nie gesehen als im „Ring des Nibelungen“.
(H. M. Schletterer, Richard Wagners Bühnenfestspiel, 1876)
Meine tiefinnerste Abneigung gegen eine derartige Dichtung ist so unüberwindlich, dass ich, wenn der liebe Gott in eigener Person zu mir käme, um mich eines Besseren zu belehren, ich zu ihm sagen würde: Allen Respekt lieber Papa, – aber diesmal bist Du im Irrtum.
(Ferdinand Hiller, 1877 über den „Ring des Nibelungen“)
Den Fafner rechnen wir eigentlich nicht mehr zu einer musikalischen Rolle, dennoch sei erwähnt, dass Herr Reß den „Brüllton“ nach Möglichkeit traf.“
(„Signale“, 1878, Bericht über die Leipziger Aufführung des „Siegfried“)
Die ganze Handlung im Nibelungenringe ist eine so widersinnige Gemeinheit, dass es Wunder nimmt, dass sie aufgeführt werden darf.
(Berliner Fremdenblatt, 6. April, 1879)
Dreißig Mark für eine Vorstellung zu fordern, war eine Beutelschneiderei, was man sah und hörte, war mit dem zehnten Teile dieses Betrages mehr als genug bezahlt.
(„Grenzboten“ vom 19. Oktober 1882)
Text: Stephan Müller
Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.