Kaspertheater vor Gericht: Vorwürfe ohne Ende

Das Amtsgericht Bayreuth sollte eigentlich wegen Gefährdung des Straßenverkehrs urteilen. Schnell wurde klar: Es wird eine kuriose Verhandlung. „Ich habe mir das Gekasper wieder eine Stunde angehört“, resümiert Richter Gebhardt. Der mutmaßliche Geschädigte und der mutmaßliche Täter lieferten sich vor Gericht einen Schlagabtausch an Vorwürfen. „Einen solchen Belastungsvorwurf habe ich hier selten erlebt“, sagt der Richter.

Anklage in Bayreuth: Gefährdung des Straßenverkehrs

In der Anklage hieß es, dass ein 50-Jähriger aus dem Landkreis Tirschenreuth, Hugo E. (Name von der Redaktion geändert) mit seinem BMW gedrängelt, ständig die Lichthupe betätigt, in einer Ortschaft zweimal überholt und den Geschädigten damit ausgebremst haben soll. „Ich habe nicht aufgeblendet und habe normalen Abstand gehalten“, versicherte der 50-Jährige.

Das vorausfahrende Auto eines 53-Jährigen aus dem Kreis Bayreuth, Luca P (Name von der Redaktion geändert), sei langsam gefahren, habe immer wieder abgebremst und sei in der Ortschaft in Schrittgeschwindigkeit gefahren. Als er in einer Ortschaft an dem vorausfahrendem Auto vorbei gefahren sei, habe er gemerkt, wer hinter dem Steuer sitzt: Ein alter Geschäftspartner von Hugo E.

Raum Bayreuth: Dutzende belästigende Anrufe

Dann gingen die Vorwürfe von Hugo E. an Lua P. los: Er habe ihn mehrfach angerufen. „Jetzt geben wir dir es schon“, soll am Telefon gesagt worden sein. Innerhalb von sechs Wochen sei Hugo E. teilweise bis zu 40 Mal am Tag angerufen worden.

Der Anwalt konfrontierte Luca P. mit diesen Vorwürfen. Er behauptete, dass er mit dem Angeklagten nichts zu tun haben wollte und er ihn deshalb bestimmt nicht anrufen würde. Doch der Richter hatte den Beweis. „Warum hat dann ihre Handynummer mehrfach und in kurzen Abständen bei Hug E. angerufen?“ Darauf hatte Luca P. keine Antwort: „Dazu kann ich nichts sagen.“

Zusätzlich stellten Anwalt Kay Scharrer und die Staatsanwältin fest, dass zwischen der Anzeige der Anwältin von Luca P. und der Aussage bei der Polizei erhebliche Unterschiede bestehen. Bei der Polizei gab es zwei Überholmanöver in einer Ortschaft, bei der Anzeige der Anwältin lediglich einen. Auch diese Diskrepanz konnte Luca P. nicht erklären. Er drängte die ganze Zeit auf das frevelhafte Verhalten von Hugo E., der einen Unfall provozieren wollte. Da sei es egal, ob es ein oder zweimal geschehen sei.

Gericht Bayreuth: Weitere Unstimmigkeiten

Auch beim Ablauf der Überholmanöver gab es Diskrepanzen: Luca P. sagte, dass er links überholt wurde, doch ein Zeuge, der mit in seinem Auto saß, berichtete, dass er rechts überholt wurde. Auch das konnte nicht geklärt werden.

Durch die Fragen von Anwalt Scharrer wurde das Schauspiel noch verwirrender: Er solle einem ehemaligen Geschäftkollegen in Ghana erzählt haben, dass er es Hugo E. mit dieser Anzeige nun so richtig zeige. Dafür habe er Chatverläufe, die das beweisen sollten. Luca P. verneinte jedoch Kontakt zu diesem Geschäftspartner aus Ghana.

Amtsgericht Bayreuth: Der Richter hat genug

Dazu kommen noch zwei Frauen, die diese Aussage mitbekommen hätten. Dann beschuldigten sich die beiden Protagonisten, wer mit welcher Frau wo und wie umhergelaufen sei. Zwischendurch beschuldigten sich die beiden weiterer Vorfälle.

Dann reichte es dem Richter. „Hier ist ein kaum zu überbietender Belastungseifer“, fasste er das Benehmen von Hugo E. und Luca P. zusammen. Er schlug vor, das Verfahren einzustellen, um sich weitere Zeugen zu ersparen. Bei einer weiteren Verhandlung würde es wahrscheinlich zu einem Freispruch kommen, fügte er an. Staatsanwältin und Anwalt stimmten dem Vorschlag zu. Das Verfahren wurde eingestellt, die Kosten dafür übernimmt die Staatskasse.

Mordfall Sophia Lösche – Urteil rechtskräftig

Am 18. September wurde ein 42 Jahre alte marokkanische Lastwagenfahrer für den Mord an der Studentin Sophia Lösche zu lebenslanger Haft verurteilt. Nun ist das Urteil rechtskräftig. Mit Ablauf des 25. Septembers ist die Rechtsmittelfrist verstrichen. Keine der Parteien hat dabei Widerspruch eingelegt.

Die damals in Leipzig studierende Sophia Lösche wollte am 14. Juni des vergangenen Jahres per Anhalter nach Amberg fahren. Auf einem Rastplatz bei Schkeuditz begegnete sie dem Fernfahrer, der sie mitnahm. Dann kam es zum Streit, an dessen Ende der Fernfahrer sie ihr mehrfach mit einem Radmutterschlüssel gegen den Kopf schlug. Später wurde Lösches Leiche in Spanien entdeckt.

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Lebenslang für Mord an Sophia Lösche: Landgericht erklärt seine Entscheidung

Das Urteil ist gefallen. Der 42 Jahre alte marokkanische Lastwagenfahrer, der in Verdacht steht, die 28 Jahre alte Amberger Studentin Sophia Lösche umgebracht zu haben, ist vor dem Landgericht Bayreuth wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Die damals in Leipzig studierende Lösche wollte am 14. Juni des vergangenen Jahres nach Amberg trampen. Auf einem Rastplatz bei Schkeuditz begegnete sie dem Fernfahrer, der sie mitnahm und später ermorden sollte. Lösches Leiche wurde später in Spanien entdeckt. In einer Mitteilung erklärt das Gericht seine Entscheidung wie folgt:

Aufgrund der Einlassung des Angeklagten und der durchgeführten Beweisaufnahme sah es die Kammer als erwiesen an, dass der Angeklagte das Tatopfer Sophia L. am Abend des 14. Juni 2018 auf dem Autobahnrastplatz Sperbes zur Verdeckung einer zuvor begangenen gefährlichen Körperverletzung im Führerhaus seines Lastkraftwagens getötet hat.

Nach Überzeugung der Kammer steht fest, dass Sophia Lösche den Angeklagten nach einem sexuell motivierten Annäherungsversuch zurückgewiesen und mit der flachen Hand in das Gesicht geschlagen hat, woraufhin der gekränkte und leicht reizbare Angeklagte Lösche mehrere Schläge mit einem Radmutterschlüssel auf den Hinterkopf versetzte, um sie zu bestrafen. Ein strafbares Verhalten im Sinne einer Sexualstraftat habe die Kammer entgegen der Anklageschrift nicht feststellen können.

Die durchgeführte Beweisaufnahme hat sodann nach Überzeugung der Kammer ergeben, dass der Angeklagte, nachdem er zunächst den Lastkraftwagen verlassen hatte, nach einer längeren Pause von mindestens 10 Minuten aufgrund eines neuen Tatentschlusses zum Lastkraftwagen zurückgekehrt ist, um Sophia L. zu töten, damit diese keine Anzeige gegen ihn aufgrund des vorangegangen Geschehens erstatten konnte.

Nach Einschätzung der Kammer schlug der Angeklagte, der davon ausging, dass Sophia Lösche aufgrund der erfolgten Schläge bewusstlos war, sodann erneut mit dem Radmutterschlüssel auf den Hinterkopf des sich noch bewegenden Tatopfers, woraufhin in kürzester Zeit der Tod von Sophia L. eintrat.

Bayreuther Landgericht: Frau gewinnt Blitz-Klage gegen VW

Fast vier Jahre ist es her, dass die Manipulation der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen bei Volkswagen aufgeflogen ist. Vom Tisch ist die Geschichte aber noch lange nicht. Die juristischen Verfahren laufen und noch immer sind betroffene Fahrzeuge auf den europäischen Straßen unterwegs, die kein Software-Update erhalten haben, um den Ausstoß von Stickoxid zu verringern – vor allem in Mittel- und Osteuropa.

Positives Urteil nach knapp sechs Monaten

Erst Anfang Juli verurteilte das Bayreuther Landgericht Volkswagen in einem Verfahren zu Schadensersatz. Und das nur knapp fünf Monate nachdem die Klage einer Frau eigegangen war, die in Bayreuth einen VW mit manipuliertem Dieselmotor gekauft hatte. Zwar hatte sich die Klägerin bereits der Sammelklage gegen den Autokonzern angeschlossen, aufgrund der langen Verfahrensdauer aber im März dazu entschieden, doch einzeln zu klagen. Eine Entscheidung, die sich in doppelter Hinsicht gelohnt hat.

Denn es ist nicht nur so, dass die Klägerin nach nicht einmal einem halben Jahr ein Urteil zu ihren Gunsten in Händen halten kann, sie erhält sogar mehr Geld als Schadensersatz von VW zurück als sie für ihr Auto ursprünglich bezahlt hat. Warum? Das Landgericht bejahte in ihrem Fall einen Anspruch auf Zinsen.

Zinsanspruch auf Kaufpreis

Im Jahr 2014 kaufte die Frau ihren VW für rund 32.000 Euro in Bayreuth. Von dem Autohersteller erhält sie nun aber 33.600 Euro zurück. Eine Einzelfallentscheidung, wie Florian Günthner von der Kanzlei Hiller, Bartholomäus und Partner aus Biberach erklärt. Der Rechtsanwalt vertrat die Frau bei ihrer Klage gegen VW.

Der Schadensersatz errechnet sich nach den gefahrenen Kilometern seit dem Kauf des Autos. „In diesem Fall waren es in fünf Jahren nur 25.000 Kilometer“, sagt Rechtsanwalt Florian Günthner. Aber auch ohne die vier Prozent Zinsen hätte seine Mandantin etwa 29.000 Euro von VW zurückbekommen.

Mehr als bei jedem anderen Händler. Der Wertverlust ist schon nach wenigen Jahren enorm.

(Florian Günthner, Rechtsanwalt)

Einzelklage lohnt sich immer

Der Fall der Bayreuther Klägerin zeige, dass sich eine Einzelklage in jedem Fall lohne. Selbst dann, wenn sich der Kläger bereits der Musterfeststellungsklage angeschlossen habe. „Es dauert noch gut fünf Jahre“, sagt der Anwalt. Erst müsse der Anspruch auf Schadensersatz festgestellt werden, dann müsse ein jeder noch einzeln seinen Schaden beziffern.

Eine Einzelklage macht mehr Sinn.

(Florian Günthner, Rechtsanwalt)

Dass VW bereits die Software-Updates der manipulierten Dieselmotoren bezahlt hat, spiele für den Erfolg der Klage keine Rolle. Denn als der Skandal bekannt wurde, mussten die Betroffenen das Update installieren lassen, um die Zulassung für das Auto nicht zu verlieren. „Viele haben seitdem aber Probleme mit dem Auto“, weiß Florian Günthner.

Ansprüche sind noch nicht verjährt

Der Rechtsanwalt weiß noch einen weiteren Grund, warum sich eine Klage auf jeden Fall noch lohnt:

Ende 2019 sind die Ansprüche gegen VW verjährt. Bis dahin ist eine Durchsetzung möglich.

(Florian Günthner, Rechtsanwalt)

Stadt vor Gericht: Streit um ein „Monster“ in der Saas

In der Saas gibt’s Ärger. In einer Straße stehen nur Bungalows, in der nächsten zweistöckige Häuser. Seit Anfang der 60er Jahre ist das so. Und weil die Bewohner der zweistöckigen Häuser bequem über die Bungalows schauen können, sind die Abstände der Häuser entsprechend gering. Jetzt will ein neuer Eigentümer einen der Bungalows ordentlich aufstocken. Sein Nachbar, Reinhard Richter, spricht von einem Monster und zieht vor Gericht. Geklagt wird aber nicht gegen den Eigentümer, sondern gegen die Stadt. Weil die vor über 50 Jahren einen Fehler gemacht habe.

Damals, im Jahr 1962, habe die Regierung von Oberfranken einer Baufima die Errichtung einer Bungalowsiedlung erlaubt, obwohl auch eine zweigeschossige Bebauung möglich gewesen wäre. Die Stadt habe die Regierung damals um Zustimmung gebeten und versichert, dass die „zu errichtenden Häuser sämtlich ebenerdig erstellt werden“.

Schreiben der Stadt Bayreuth aus dem September 1962. Foto: Thorsten Gütling

In einem weiteren Brief spricht die Stadt davon, dass die Regierung die Erlaubnis nur unter der Voraussetzung erteilt habe, „dass die einheitliche Bebauung des Straßenzuges rechtlich gesichert und hierbei eine künftige Aufstockung einzelner Bauten wirksam ausgeschlossen wird“.

Schreiben der Stadt Bayreuth vom Januar 1963. Foto: Thorsten Gütling

Das Stadtbauamt hat allerdings versäumt, die tatsächliche Eintragung im Grundbuch zu überwachen.

(Reinhard Richter, Saas)

Dass die Stadt der Eintragung nicht nachgekommen ist, sei in der Saas auch deshalb nicht aufgefallen, weil sich seit nunmehr 57 Jahren alle Beteiligten an das Aufstockungsverbot gehalten hätten. Nur weil er sich darauf verlassen habe, dass das Verbot existiere, habe er das Haus in der Saas vor sechs Jahren gekauft, sagt Richter.

Was es auch sonst nirgends in der Straße gibt, hinterfragt man nicht.

(Reinhard Richter, Saas)

Jetzt aber hat ein neuer Eigentümer eine Erlaubnis zur Aufstockung beantragt – und erhalten. Aus dem Bungalow vor Richters Fenster soll ein dreistöckiges Haus werden. Den Plänen zufolge wird Richter künftig statt auf den Saaser Glockenturm und die umliegenden Wälder auf die Rückfront und das Blechdach eines 11,5 Meter hohen Hauses blicken, das sich selbst vier Fensterreihen gen Süden genehmigt. Die Stadt, sagt Richter, habe dem Nachbarn dafür sechs Ausnahmen vom Bebauungsplan genehmigt. Von Maß und Mitte sei das weit entfernt. Ebenso von Paragraf 34 des bayerischen Baugesetzbuches, wonach sich das Gebäude in die bestehende Bebauung eingliedern müsse. Richter befürchtet einen Domino-Effekt.

Das Haus, das noch ein Bungalow ist, aber um zwei Etagen wachsen soll, steht nur zwölf Meter von Reinhard Richters Haus und nur drei Meter von der Grundstücksgrenze entfernt.  Foto: Thorsten Gütling

Mit den Unterschriften von fünf Nachbarn habe er versucht, das Rathaus zum Umdenken zu bewegen. Ohne Erfolg. Eine Ortsbesichtigung habe trotz mehrfacher Bitte nicht stattgefunden, sagt Richter. Jetzt zieht er gegen die Stadt vor Gericht.

Die Stadt hat den Bauherren hier etwas vorgegaukelt. Sie hätte ihren Fehler bis zur Genehmigung heilen können.

(Reinhard Richter, Saas)

Weil die Sache vor Gericht kommt, will sich die Stadt nicht zu den Vorwürfen äußern. Auf Nachfrage des Tagblatt, ob die Stadt etwas verschlafen habe, warum sie den Bau genehmige und ob sie ihn hätte verhindern können, heißt es aus dem Bauordnungsamt nur:

Das weitere Verfahren bleibt abzuwarten. Wir bitten um Verständnis, dass zu anhängigen aktuellen gerichtlichen Auseinandersetzungen – also zu laufenden Verfahren – keine Auskünfte erteilt werden können.

(Bauordnungsamt der Stadt Bayreuth)

Richter allerdings sagt, während er noch auf die Terminierung seine Gerichtsverfahrens warte, würden auf dem Nachbargrundstück Nägel mit Köpfen gemacht. Vor vier Wochen sei ein Baugerüst angekarrt worden. Baumaterial stehe bereit. Seit Wochen werde am Fundament gearbeitet.

Das Abwarten ist genau das Problem. Eine Seite kann vollendete Tatsachen schaffen, während die andere dabei wartenderweise zusehen muss.

(Reinhard Richter, Saas)