Historisches Bayreuth – Allgemein

Stephan Müller öffnet für das bt sein Archiv und präsentiert hier die besten Anekdoten rund um Bayreuth. Mit dabei sind viele kuriose, informative und spannende Geschichten.

Karneval zu Wilhelmines Zeiten in Bayreuth: Jeden Tag ein Fest

Narrenzeit in Bayreuth! Ein Grund für bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller zurückzublicken. Wie hat die Markgräfin Wilhelmine eigentlich Fasching gefeiert?


Markgräfin Wilhelmine feiert Karneval

“Es war Karnevalszeit”, schreibt die Markgräfin Wilhelmine unter dem Jahr 1734 in ihren Memoiren. “Die Marwitz, die alles tat, um mich zu zerstreuen, schlug mir vor, eine Wirtschaft zu veranstalten.” Unterstützung erfuhr die Marwitz von Wilhelmines Gatten, dem Erbprinz Friedrich, der Wilhelmine sogar aufforderte, den Markgrafen Georg Friedrich Karl “dafür einzunehmen”.

Wilhelmines Schwiegervater, ein “fantastischer Pietist” war Vergnügungen überhaupt nicht zugeneigt, gestand ihr aber zu, dass sie die “Wirtschaft” so anordnen wie sie wolle, unter der Bedingung, dass “er selbst sich nicht maskieren muss”. Wilhelmine erzählt: ” Die Vergnügung einer “Wirtschaft” kannte man nur in Deutschland. Es gibt einen Wirt und eine Wirtin, die einladen. Die anderen Kostüme stellen die verschiedensten Gewerbe und Berufe dar, die es auf der Welt gibt.”

Die Prinzessin Wilhelmine in jungen Jahren. Ein Jahr vor ihrem Regierungsantritt im Jahr 1735 mussten sie beim amtierenden Markgraf noch um Erlaubnis fragen, ob sie im großen Stil “Karneval” feiern dürfen. Foto: Archiv Bernd Mayer.

Saal als großer Wald dekoriert

Wilhelmine ließ in einen “immens großen Saal” einen Wald dekorieren, an dessen Ende ein Dorf mit seinem Gasthof zu sehen war. Der Gasthof war ganz aus Baumrinde gebaut und sein Dach voller Lampions. Im Saal gab es eine Tafel mit hundert Gedecken, deren Mitte ein Beet mit verschiedenen Wasserstrahlen darstellte. Die Bauernhäuser enthielten Erfrischungsbuden.

In dieser tollen Dekoration begann nach dem Abendessen der Tanz:

“Alle waren von dem Fest begeistert und amüsierten sich köstlich. Ich war die einzige, die sich langweilte, denn der Markgraf unterhielt mich unaufhörlich mit seinen lästigen Moralpredigten und nahm mich den ganzen Abend so in Beschlag, dass ich mit niemandem sprechen konnte, obwohl es viele Fremde gab, mit denen ich gern ein Gespräch angefangen hätte.”

Lästige Moralpredigten

Es kam noch schlimmer. Am Sonntag darauf predigte der Hofkaplan in der Kirche öffentlich gegen Wilhelmines Kostümfest. Er prangerte die komplette Karnevalsgesellschaft ob ihrer Unsittlichkeit vor der ganzen Kirchgemeinde an. Etwas mehr Glück hatte der Markgraf selbst. Georg Friedrich Karl bekam sein Fett unter vier Augen weg. Der Hofkaplan machte ihm schwerste Vorwürfe, dass er “einer derartigen Sünde die Hand gereicht” hat. Der Markgraf hielt sich für alle Ewigkeit verdammt und schwor, “Stein und Bein”, dass er solche Vergnügungen in seinem Land nicht mehr dulden wird.

Hier feiert die Markgräfin Wilhelmine unter anderem ihre Faschingsfeste. Foto: Archiv Bernd Mayer.

Jeden Tag ein Fest

Lange hatte diese Aussage keinen Bestand. Markgraf Georg Friedrich Karl starb am 17. Mai 1735, die Regierungsgeschäfte übernahm Erbprinz Friedrich und seine bekanntlich sehr dominante Gattin Wilhelmine. Keine Frage, dass der “Carneval” nun in Bayreuth ausgiebig gefeiert wurde. Darauf deutet eine markgräfliche “Bekanntmachung” über eine “Carenevalswoche” hin, die der anscheinend wohl sehr “konditionsstarken” Bayreuther Hofgesellschaft mit Sicherheit einiges abverlangt hat ….

So wurde am 6. Februar 1749 durch “seine Hochfürstliche Durchlaucht”, also Markgraf Friedrich “durch einen Druck” bekannt gemacht:

“S. Hochf. Durchl. haben gnädigst resolvirt, bei denen Carnevals-Divertissements die Veränderung treffen zu lassen, daß Sonntags Courtag, Montag Comödie im Schloß, Dienstags Masquerade im Redouten Haus, Mittwoch Comödie im Opernhaus, Donnerstag Masquerade im Redouten-Saal, Freitag Opera und Sonnabend Comödie auf dem Schloß seyn sollen.”

Na dann: “Prost”.


Text: Stephan Müller



Stephan Müller (54) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.


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Anne Haug erhält als zweite Sportlerin den Goldenen Ehrenring der Stadt Bayreuth

Für sportliche Leistungen hat in der Stadtgeschichte bisher nur Walter Demel den Goldenen Ehrenring erhalten. Er erhielt die Auszeichnung im Jahr 1972 von Oberbürgermeister Hans Walter Wild nach seiner dritten Teilnahme bei Olympischen Spielen. In Sapporo erreichte der Ski-Langläufer jeweils den fünften Rang über 30 und 50 Kilometer sowie jeweils den siebten Platz über 15 Kilometer und im Staffelwettbewerb. Mit seinem sportlichen Erfolg schaffte es Demel sogar in die Fernsehshow “Die Besten”. Am Ende seiner Karriere konnte er auf vier Olympia-Teilnahmen und 40 deutsche Meistertitel zurückblicken.

Der Ski-Langläufer Walter Demel, der von 1964 bis 1976 bei vier Olympischen Spielen dabei war, erhält vom damaligen Oberbürgermeister Hans Walter Wild für seine sportlichen Leistungen den Goldenen Ehrenring der Stadt Bayreuth. Foto: Archiv Bernd Mayer.

Träger des Goldenen Ehrenrings Bayreuths

Der “Goldene Ehrenring” ist nach der Ehrenbürgerwürde die zweithöchste Auszeichnung der Stadt Bayreuth. Es folgen die Bayreuth-Medaillen in Gold, Silber und Bronze.

Aktuelle Träger des Goldenen Ehrenrings sind neben Walter Demel Altoberbürgermeister Dr. Dieter Mronz, der ehemalige Bürgermeister Wolfgang Kern, die frühere Landtagsvizepräsidentin Anneliese Fischer, die Regierungspräsidenten a. D. Wilhelm Wenning und Dr. Erich Haniel, der Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Ruppert, Professor Norbert Balatsch als langjähriger Chordirektor der Bayreuther Festspiele, Dr. Ewald Hilger von der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth und der ehemalige burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl.

Für seine Verdienste um die Kulturpartnerschaft mit Bayreuth erhielt der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl im Juli 2016 den Goldenen Ehrenring der Stadt Bayreuth. Foto: Stadt Bayreuth.

Gleich zweimal kommt der Name Werner Zapf in der Liste vor. Werner Zapf, ehemaliges BAT-Vorstandsmitglied und dessen Namensvetter Werner Zapf, ehemaliger Geschäftsführer des Bauunternehmen Zapf. Aus der Bayreuther Kommunalpolitik wurden die die Altstadträte Walter Nadler, Manfred Größler (CSU), Gerhard Gollner, Heinrich Drumproff (BG), Werner Ponsel, Karin Heimler (SPD), Siegrid Engelbrecht (Grüne) mit dem “Goldenen Ehrenring” ausgezeichnet.

Die Ehrenbürger Bayreuths

Mit der höchsten Auszeichnung, der Ehrenbürgerwürde, wurden seit dem zweiten Weltkrieg 13 Männer und mit Anneliese Fischer eine Frau ausgezeichnet. Vorgeschrieben ist, dass nie mehr als fünf Personen gleichzeitig Ehrenbürger sein dürfen. Aktuell gibt es in Bayreuth mit Altoberbürgermeister Dr. Dieter Mronz und Altstadtrat Werner Ponsel zwei Ehrenbürger. Die ehemalige Landtagsvizepräsidentin Anneliese Fischer ist am vergangenen Sonntag verstorben.

Die Ehrenbürgerwürde war in Bayreuth bis Januar 2019 eine Männerdomäne. Bis Anneliese Fischer seit 1945 die erste Ehrenbürgerin wurde. Anneliese Fischer ist am vergangenen Sonntag, 2. Februar, im Alter von 94 Jahren verstorben. Foto: Stadt Bayreuth.

Die anderen elf Männer, die nach 1945 die Ehrenbürgerwürde erhalten haben, sind die beiden Festspiel-Dirigenten Dr. Richard Strauß und Hans Knappertsbusch, Festspielleiter Wolfgang Wagner, der Finanzminister Dr. Konrad Pöhner, die beiden ehemaligen langjährigen Oberbürgermeister Hans Rollwagen und Hans Walter Wild sowie die Bayreuther Kommunalpolitiker Karl Seeser, Dr. Fritz Meyer, Franz Überla, Peter Färber und Bernd Mayer.

Erste Verleihung war 1851

Der erste Bayreuther Ehrenbürger war Herzog Alexander von Württemberg, der diese Auszeichnung im Jahr 1851 erhielt. Später folgten unter anderem Fürst Otto von Bismarck,König Ferdinand von Bulgarien, der Dirigent Dr. Arturo Toscanini, die ehemaligen Oberbürgermeister Dr. Leopold Casselmann und Albert Preu sowie Cosima, Siegfried und Winifred Wagner.

Die Satzung über Auszeichnungen der Stadt Bayreuth sieht natürlich auch vor, dass die Ehrungen bei unwürdigen Verhaltens widerrufen werden können. So hat sich der Stadtrat Bayreuth von den verliehenen Ehrenbürgerwürden an Repräsentanten, Ideologen und Verfechter des Nationalsozialismus distanziert. Adolf Hitler, dem Rassentheoretiker Houston Stewart Chamberlain, NS-Gauleiter Hans Schemm, dem Bayerischen NS-Ministerpräsidenten Ludwig Siebert und dem SA-Führer Adolf Hühnlein, der in Neustädtlein geboren wurde und das Humanistische Gymnasium in Bayreuth besuchte, wurde die Ehrenbürgerwürde nachträglich aberkannt.


Text: Stephan Müller



Stephan Müller (54) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.


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Es fuhr von Kulmbach nach Bayreuth: Das erste Elektroauto Deutschlands

Von Bayreuth nach Kulmbach. Das ist die Strecke, die Deutschlands erstes Elektroauto zurückgelegt hatte. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller hat sich auf die Suche nach Konstrukteur und Auto begeben.

Bayreuth: Erstes E-Auto in den 70ern

Die erste Eisenbahn fuhr am 7. Dezember 1835 von Nürnberg nach Fürth. Im August 1888 bewies Bertha Benz mit dem “Benz Motorwagen 3” auf ihrer Fahrt von Mannheim nach Pforzheim die Tauglichkeit des Automobils und in den 70er Jahren fuhr das erste verkehrstaugliche Elektrofahrzeug mit TÜV-Abnahme. Wo? Auf der Strecke von Kulmbach nach Bayreuth.

Am 28. Mai 2008 brach der damals 75-jährige geniale Erfinder Erich Pöhlmann mit seiner selbst gebauten Segelyacht “Motu” von Neuseeland in nördlicher Richtung auf, um allein zur über 1.000 Kilometer entfernten Pazifikinsel Neukaledonien zu segeln. Was sich auf dem offenen Meer ereignet hat, wird man wohl nie mehr klären können. Jedenfalls entdeckte ein Fischer drei Wochen später, am 19. Juni, nur 200 Kilometer nördlich von Neuseeland Pöhlmanns verlassene Yacht. Der Rettungsgurt, mit dem sich Pöhlmann während der Fahrt gesichert hat, hing außen über die Bordwand, an der Schleifspuren zu erkennen waren. Rutschte er von Bord und schaffte es nicht mehr, sich zurück in das Boot zu ziehen? Pöhlmann blieb verschollen. Die Amtsgerichte in Neuseeland und Deutschland erklärten ihn im April 2012 für tot.

Das schnellste Elektroauto

Als Erfinder ist Erich Pöhlmann unvergessen: Im Jahr 1983, also vor fast 40 Jahren, entwickelte der Ingenieur in Kulmbach in Zusammenarbeit mit dem Essener Stromkonzern RWE das Elektroauto “Pöhlmann EL”. Der stromlinienförmige Prototyp mit einem zweimotorigen Direktantrieb auf der Hinterachsen und der Kunststoffkarosserie war mit über 120 Stundenkilometern das schnellste Elektroauto der Welt. Problemlos siegte der damals berühmte deutsche Rennfahrer Hans Herrmann 1986 im “Pöhlmann EL” beim ersten Grand Prix der “Formel E” in der Schweiz.

Stromlinienförmig: Der Rennfahrer Hans Herrmann siegte mit dem Pöhlmann EL beim ersten “Formel-E-Rennen” in der Schweiz. Repro: Stephan Müller.

Auf der Rennstrecke in Veltheim zwischen Zürich und Basel siegte er überlegen vor der Konkurrenz. Herrmann, der die Erfahrung von vielen Formel-1-Rennen im Mercedes-Rennstall mitbrachte, in einem Porsche die 24 Stunden von Le Mans fuhr und auch bei vielen Rallyes am Steuer saß, testete den “Pöhlmann EL” auf dem Porsche-Testgelände. Er war sich schon vor dem Rennen sicher: “Mit dem Auto gewinne ich!”

Der “Pöhlmann EL” zeichnete sich auch als Rennwagen aus. Foto: Stadt Recklinghausen.

Pöhlmann gründete bereits 1981 in Kulmbach die Firma “Pöhlmann Anwendungstechnik GmbH & Co KG” zur Entwicklung von Elektroautos. In dem Unternehmen wurden von den sechs Mitarbeitern insgesamt 18 Exemplare des “Pöhlmann EL” hergestellt. Nach dem Bau von vier Fahrzeugen unter der Bezeichnung “Pöhlmann EL I” im Februar 1982 wurde dieses kleinere Modell recht schnell vom “Pöhlmann II” abgelöst.

Der Pöhlmann EL. Repro: Stephan Müller.

Dabei wirkte auch der Kraftfahrzeugmechaniker-Meister Siegfried Müller, ein Freund und früherer Arbeitskollege von Erich Pöhlmann, als technischer Berater mit. Das Elektroauto kostete damals mit der Blei-Säure-Batterie in der Entwicklung gut 78.000 Mark. Ohne Nachladen zu müssen, fuhr Pöhlmann mit dem “EL” die 200 Kilometer von Kulmbach nach Nürnberg locker hin und zurück. Allein deshalb gab damals so gut wie keine Motorsportzeitung, die nicht seitenlange Berichte über den Pöhlmann EL veröffentlichte.

Einer der Pioniere in der Entwicklung von Elektroautos ist der Kraftfahrzeugmechaniker-Meister Siegfried Müller. Zusammen mit Erich Pöhlmann baute der Bayreuther in den 70er Jahren einen Elektromotor in eine Isetta ein und schuf das erste TÜV-geprüfte verkehrstaugliche Elektrofahrzeug in Deutschland. Foto: Stephan Müller.

Das Auto war 3,77 Meter lang, hatte ein Leergewicht von 1.380 Kilogramm und erreichte mit einer Maximalleistung von 24 Kilowatt eine Geschwindigkeit von 125 Stundenkilometern. Pöhlmann sprach damals schon von “seinem wartungsfreien Umweltauto”, weil weder Öl noch Auspuff gewechselt werden müssen. Der Kulmbacher betonte damals, dass “das Auto vergleichsweise wenig Strom benötigt und wegen der Edelstahlrahmen und der Kunststoffkarosserie mindestens doppelt so lange wie ein herkömmliches Fahrzeug hält.”

Erich Pöhlmann nannte sein Elektrofahrzeug schon Anfang der 90er Jahre sein “Umweltauto”. Im Prospekt hieß es schon damals: “Ein Auto das aufatmen lässt”. Repro: Stephan Müller

Darüber hinaus rüstete die “Pöhlmann KG” zwei Omnibusse auf Elektroantrieb um, entwickelte das “King-Car”, ein Elektrodreirad für den Personen- und Lastentransport, ein Elektrofahrrad und ein Elektro-Kettcar für Kinder. Im Hinblick darauf, dass er bei einer Großserie den Preis auf rund 20.000 Mark drücken wollte, sagte der Erfinder damals: “Unterm Strich geht die Rechnung mit den Elektromotoren in all diesen Bereichen in einigen Jahren sicher auf.” Wie wir wissen, lag Erich Pöhlmann mit dieser Prophezeiung gründlich daneben.

Im Fichtelberger Automobilmuseum

Sicher, Pöhlmanns Entwicklungen, vor allem der “EL”, hatten allesamt durchaus “Marktreife”. Aber: Der über viele Jahre niedrige Benzinpreis, die rückständige Batterietechnik und eine gewisse “Lustlosigkeit” der Automobilhersteller stellten die weitere Entwicklung aufs Abstellgleis. Siegfried Müller bedauert das sehr:

Hätten Erich Pöhlmann damals mehr Unterstützung gehabt, wäre Deutschland in Sachen E-Mobilität heute wahrscheinlich Marktführer.

(Siegfried Müller)

So landeten die Exemplare des “Pöhlmann EL”, den die Kulmbacher nur “das Ei” nannten, in den Museen. Eine quietschgelbe Variante des Autos aus dem Jahr 1984, die Ralf M. Ospel aus Untermerzbach gehörte, kann heute neben 250 weiteren Autos und gut 350 Motorrädern im Deutschen Automobilmuseum in Fichtelberg bewundert werden.

Eine quietschgelbe Variante des “Pöhlmann EL” kann heute im (übrigens riesigen) Deutschen Automobilmuseum in Fichtelberg bewundert werden. Foto: Stephan Müller

Weitere Exemplare stehen im Deutschen Museum München oder sogar im Museum der Firma Mitsubishi in Japan. Im Museum “Strom und Leben” in Recklinghausen ist man stolz darauf, dass man seit 2016 mit dem “Pöhlmann EL I” und dem “Pöhlmann EL II” beide Modelle in der Sammlung hat. Lob gab es auch von Bundeskanzleramt und der Bayerischen Staatskanzlei, die in einem Brief an Siegfried Müller “gebührenden Respekt vor der Ingenieursleistung” zollte.

Dass das Deutsche Museum ein Exemplar in seine Sammlung aufgenommen hat, weist ihr Fahrzeug als Meilenstein in der technologischen Entwicklung der Elektromobilität aus, worauf Sie stolz sein können.

(Die Bayerischen Staatskanzlei in einem Brief an Siegfried Müller)

Nur winzige Schritte weitergekommen

Bis heute haben nur wenige Elektroautos eine Reichweite über 400 Kilometer. Genau genommen waren es also nur winzige Schritte, die die Ingenieure und Hersteller moderner Elektroautos in den vergangenen Jahrzehnten weitergekommen sind.

Erstes verkehrstaugliches E-Mobil: Eine Isetta

Wenn man so will, entwickelten Pöhlmann und Müller schon in den 70er Jahren das erste Elektroauto in Deutschland. Die beiden Tüftler bauten in eine BMW-Isetta einen 10-PS-Elektromotor mit schweren Bleibatterien ein. “Das Ding ist tatsächlich spitze gefahren” erinnert sich Müller und lacht noch heute, wenn er sich daran erinnert, wie er 1974 die Isetta dem TÜV-Mitarbeiter in Kulmbach zur Abnahme vorstellte.

Der Erfinder Erich Pöhlmann mit seiner roten BMW-Isetta. Der TÜV hat das Fahrzeug als erste Elektroauto in Deutschland problemlos für die Nutzung im Straßenverkehr abgenommen. Foto: Archiv Siegfried Müller.

Der TÜV hat die rote Isetta, deren Rahmen allerdings deutlich verstärkt werden musste, problemlos für die Nutzung im Straßenverkehr abgenommen. “Kulmbach – Bayreuth hin und zurück war ohne Nachzuladen überhaupt kein Problem”, erinnert sich Müller.

Bei einer Spitzengeschwindigkeit von 50 Stundenkilometer kamen wir mit den drei eingebauten, aber recht schweren Bleibatterien 60 Kilometer weit.

(Siegfried Müller)

Damit hat das Duo Mitte der 70er Jahre das erste verkehrstaugliche Elektrofahrzeug in Deutschland gebaut.


Text: Stephan Müller

Stephan Müller (53) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.

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