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Gessn werd dahaam

Gessn werd dahaam: Königliches Mehl aus Kemnath

In Folge 13 ist Christoph Scholz zu Besuch in der Schustermühle in Kemnath.

Die Coburger feiern in diesem Jahr den 200. Geburtstag von Königin Victoria und Prinz Albert. Anlass genug, einen Kuchen für das königliche Jubiläum zu backen. Königin Victoria war eine epochenprägende Monarchin und Alexis Soyer ein ebenso prägender Zeitgenosse, vielleicht der erste Starkoch der Welt.

Soyer, der von 1810 bis 1858 lebte, kochte für die feine Gesellschaft Europas, kümmerte sich um Suppenküchen für arme Leute und entwickelte einen Feldkocher für die britische Armee. Seine für ein breites Publikum verfassten Kochbücher verkauften sich glänzend, so auch das 1849 erstmals erschienene „The modern Housewife“.

“The Queen Victoria’s Cake”. Foto: Christoph Scholz

Aus diesem Kochbuch für die moderne Hausfrau stammt das Rezept für „The Queen Victoria’s Cake“, für das Sie 500 Gramm Mehl, 15 Gramm Hefe, etwa 300 Milliliter lauwarmes Wasser, 200 Gramm Butter, Zucker, Salz und 5 Eier (ich nehme die aus Kolbs Bauernladen aus Folge 11) benötigen. Ferner brauchen Sie Rosinen, von denen Soyer gleich ein dreiviertel Kilo verlangt. Ich verwende aber weitaus weniger – um die 400 Gramm.

Gelbmehl aus der Oberpfalz

Für einen königlichen Geburtstagskuchen braucht es ein königliches Mehl. Deshalb mache ich mich in der Alten Lady, meinem agavengrünen Mercedes-Oldtimer, auf den Weg in Oberpfalz. Nicht nur die Alte Lady hat eine außergewöhnlich Farbe, haben Sie schon einmal vom Gelbmehl aus der Schustermühle in Kemnath gehört?

Die Schustermühle in Kemnath. Foto: Christoph Scholz

Es wird aus „einer Weizenart, bei der der Mehlkern gelber ist“ gewonnen, wie mir Mühlenchefin Petra Schuster erklärt. Es handelt sich um eine ältere Weizensorte aus eigenem Anbau. Landwirtschaft und Mühle betreiben die Schusters dort seit 1825, als Urahn Joseph Schuster die Mühle für 5.225 Gulden erwarb. Heute sind es Petra Schuster, ihre Schwester Christine Schuster-Reindl, die Eltern Rosa und Simon sowie ihre Mitarbeiter, die Landwirtschaft, die Mühle und den Mühlenladen am Laufen halten.

Getreide stammt ausschließlich aus der nahen Umgebung

Zur Vorbereitung des Interviews frische ich meine Mühlenkenntnisse bei Max und Moritz auf, denen es bekanntlich „schwüle“ wird, als Bauer Mecke sie nach ihrem letzten Streich in einem Sack „nach der Mühle“ trägt. Ich betrete das stattliche Gebäude, kann aber kein Mühlenrad aus Holz, keinen Trichter und auch keine Mahlsteine entdecken, mit denen Meisterin Müllerin Petra Schuster (den Meistertitel erwarb sie in Stuttgart) Kemnather Lausbuben- und Mädchen „Rickeracke! Rickeracke!“ in ihrer Mühle mit „Geknacke“ bestrafen könnte.

Hier wird nach dem aktuellsten technischen Stand gearbeitet. Foto: Christoph Scholz

In der Schustermühle stehen drei große, in schickem italienischen Rot lackierte, Maschinen. 1972 und 1983 brannte die Schustermühle jeweils nahezu komplett ab, so dass es hier nicht mehr wie zu Zeiten von Max und Moritz ausschaut, sondern alles auf dem aktuellsten technischen Stand gehalten ist. Kunstwalzen aus Edelstahl mahlen die Getreide, welche aus eigenem Anbau und von Bauern aus der nahen Umgebung stammen. Der am weitesten von der Schustermühle entfernte Getreidelieferant wirtschaftet nur 17 Kilometer entfernt.

Mehl aus der Schustermühle gibt es im eigenen Mühlenladen, den REWE-Märkten in unserer Region und im Dorfladen Emtmannsberg. Bäcker Söllner, der „Hummelbeck“ in Ebnath, baut selbst zwei Weizensorten und Roggen an, die für ihn in der Schustermühle gemahlen werden.

Es braucht Zeit bis man das Mehl versteht

Petra Schusters Vater und Bruder arbeiteten hauptsächlich in der Werkstatt, die kleine Petra war meist mit dem Opa in der Mühle zugange. Sie wollte nie etwas anderes als Müllerin sein. Ausbildung zur Verfahrenstechnologin in der Lebensmittelbranche, später der Meisterbrief in Stuttgart und dann nochmal „zehn, fünfzehn Jahre“ Berufspraxis brauchte es, „bis ich das Mehl ganz verstanden hatte“.

Es brauche Zeit bis man das Mehl versteht, so Petra Schuster. Foto: Christoph Scholz.

Wir stehen vor einem großen Regal mit nostalgisch anmutenden 2.5-Kilo-Packungen der Schustermehle, deren Feinheiten mir Petra Schuster erklärt. Da gibt es klassische Sorten aus Weizen oder Dinkelmehl in den Abstufungen „hell“, „mittel“ und „Vollkorn“, gemahlen aus dem Oberkulmer Rotkorn, das Petra Schuster selbst anbaut.

Ich erfahre, wie man Mehle mischen kann, welches Mehl am besten für Brot geeignet ist und wie die verschiedenen Sorten hergestellt werden. Mein Tipp: Fahren Sie nach Kemnath und bitten Petra Schuster um eine kleine Mehlschulung, Sie werden viel dazulernen.

Oberpfälzisches Pizzamehl

Zum Schluss unseres Gesprächs frage ich Petra Schuster, warum mir Pizzateig selten gelingt. „Probieren Sie doch mal unser oberpfälzisches Pizzamehl! Nicht, wie die Italiener es machen, sondern hergestellt mit Weizen aus der Region“, sagt Schuster und erklärt mir etwas von feuchten und weniger feuchten Klebern im Weizen. Einmal im Jahr stellt Familie Schuster dieses Mehl her: „Dann essen wir eine Woche lang nur Pizza.“ Ich kaufe gleich zwei Packungen davon, ebenso Gelbmehl und eine Müslimischung für meine Frau.

Hier entsteht auch einmal im Jahr das oberpfälzische Pizzamehl. Foto: Christoph Scholz

Backe, backe Kuchen

Ach so. Den Kuchen hätte ich ja fast vergessen! Er ist ganz einfach und oft meine Rettung, wenn sich kurzfristig Besuch zum Kaffeetrinken ankündigt. Knapp 400 Gramm vom Gelbmehl mit Hefe und Wasser zu einem festen Teig kneten und diesen in einer Schüssel in warmer Umgebung aufgehen lassen.

Nach etwa einer halben Stunde die Butter schaumig schlagen, mit den Eiern und dem restlichen Mehl vermischen und zum Teig geben. Wieder kneten und wieder etwas aufgehen lassen. Zum Schluss geben Sie die Rosinen, eine kleine Prise Salz und eine gute Prise Zucker dazu. Nochmals kneten, nochmals etwas gehen lassen.

“The Queen Victoria’s Cake” mit Mehl aus der Schustermühle. Foto: Christoph Scholz

Bei 180 Grad für eine knappe Dreiviertelstunde backen. Ich nehme eine schöne Backform aus Keramik für die königliche Kaffeetafel. Es ist ein herrlich unkomplizierter Kuchen für Ihren Picknickkorb für einen Tag am See oder eine Wanderung. Sie könnten ihn zum Beispiel am Pfingstmontag 2020 für eine Wanderung vom Scherzmühlenmuseum in Weidenberg zur Schustermühle in Kemnath backen. Aller drei Jahre am Pfingstmontag, so auch im kommenden Jahr, beteiligt sich die Schustermühle am Deutschen Mühlentag.

Zuvor, am 7. September, ist Museumsnacht in Coburg. Die dort gezeigten Ausstellungen zum königlichen Geburtstag sind ganz hervorragend. Mehr über die Schustermühle finden Sie hier. Das umfangreiche Victoria-und-Albert-Programm finden Sie online. Wir lesen uns am 18. September wieder!

Christoph Scholz

Christoph Scholz

Christoph Scholz ist 45 Jahre alt und Familienvater. Sein Geld verdient er als Projektleiter bei Semmel Concerts. Privat beschäftigt er sich gerne mit den Themen Essen, Trinken, Kochen, Gastronomie und Hotellerie.

Sie erreichen Robert Babutzka unter www.edictum-mobilar.de und info@edictum-mobiliar.de. Foto: Florian MiedlSie erreichen Robert Babutzka unter www.edictum-mobilar.de und info@edictum-mobiliar.de. Foto: Florian Miedl
Eine vegane Brotzeit á la Bleed (Link zum Rezept gibt es unten im Text). Foto: Kristoffer Schwetje/BleedEine vegane Brotzeit á la Bleed (Link zum Rezept gibt es unten im Text). Foto: Kristoffer Schwetje/Bleed
Christoph Scholz zu Besuch im Unverpacktladen Hamsterbacke in Bayreuth. Foto: Christoph ScholzChristoph Scholz zu Besuch im Unverpacktladen Hamsterbacke in Bayreuth. Foto: Christoph Scholz
Verkaufsraum der Geseeser Landbäckerei. Foto: Geseeser LandbäckereiVerkaufsraum der Geseeser Landbäckerei. Foto: Geseeser Landbäckerei
Rapsody of Spices in Kulmbach wird von den Azubis der Firma Raps geführt. Hier im Bild: Natalie Hofmann (links) und Maria Limmer (rechts). Foto: Christoph ScholzRapsody of Spices in Kulmbach wird von den Azubis der Firma Raps geführt. Hier im Bild: Natalie Hofmann (links) und Maria Limmer (rechts). Foto: Christoph Scholz
Swagman im Industriegebiet. Foto: Christoph Scholz
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Foto: Christoph Scholz