Pflege-Notstand

Pflegestation im Kreis Bayreuth muss schließen: Hier steht die Versorgung von Senioren in Kürze in den Sternen

Alarm in der ambulanten Pflege im Kreis Bayreuth: Die BRK Sozialstation Pegnitz schließt zum 30. Juni 2022. Die Zukunft der Senioren? Ungewiss.

Der Notstand in der ambulanten Pflege schlägt im Kreis Bayreuth zu. Und es dürfte ein Wirkungstreffer sein.

Die BRK Sozialstation Pegnitz des BRK Kreisverbandes Bayreuth schließt zum 30. Juni 2022. Wie es mit den kranken und alten Kunden weitergeht, die dringend auf häusliche Hilfe angewiesen sind, ist derzeit ungewiss. Der Grund: Personalmangel.

Ambulante Pflege in Pegnitz schließt

Pegnitz: Die BRK Sozialstation im südlichen Landkreis Bayreuth kann nicht mehr ihre Arbeit aufrechterhalten. Weil die BRK Sozialstation in Pegnitz nicht mehr genügend Mitarbeiter hat, muss sie den ambulanten Pflegedienst zum 30. Juni 2022 aufgeben. Danach können im Gebiet Pegnitz, Creußen, Lindenhardt, Schnabelwaid und Pottenstein keine ambulanten Pflegedienstleistungen durch den BRK Kreisverband Bayreuth erbracht werden. Von diesem Schlag ins Kontor direkt betroffen sind 51 Kunden. Wie es für die ab 1. Juli weitergeht, steht Anfang Juni in den Sternen. An einem anderen Ort im Landkreis Bayreuth klagten Pflege-Angestellte einer Bundestagsabgeordneten: “Es kann nicht sein, dass ich von Hartz 4 teilweise besser lebe.”

Hilfsbedürftige und deren Angehörige dürften damit vor der Herkulesaufgabe stehen, innerhalb kürzester Zeit einen neuen ambulanten Pflegedienst zu suchen – oder die Pflege von Angehörigen selbst zu übernehmen. “Trotz großer Bemühungen ist es uns nicht gelungen, weiteres Personal für unseren ambulanten Pflegedienst in Pegnitz zu gewinnen. Die Schließung der Station war nicht mehr abwendbar”, sagt Richard Knorr vom BRK über die extrem bittere Pille. Knorr leitet den Bereich Senioren und Pflege und ist stellvertretender Kreisgeschäftsführer des BRK Kreisverband Bayreuth.




Ambulante Pflege: BRK Bayreuth sendet Hilferuf

Abgewandertes Personal konnte nicht länger kompensiert werden. “Der Markt ist leer gefegt”, stellt Knorr mit Blick auf den Arbeitsmarkt resigniert fest. Damit fallen die verbliebenen zehn Arbeitsplätze der Pfleger in Pegnitz weg. Fünf würden an anderen Orten weiterbeschäftigt. “Wir haben um alle Mitarbeiter gekämpft”, blickt Knorr zurück. Doch für die anderen fünf sei die Entfernung vom Wohnort zu einem potenziellen neuen Arbeitsplatz innerhalb des BRK-Kreisverbandes Bayreuth zu weit. Sie kommen anderweitig unter. Deren Qualifikationen seien ja auch anderswo extrem gefragt, berichtet Knorr. Lesen Sie auch: Deshalb lieben Pflegekräfte eines Seniorenzentrums in Bayreuth ihren Job.

Nach dem Aus des BRK Sozialdienstes in Pegnitz verbleiben noch vier private Pflegedienste in der Stadt, rund 20 weitere im Umkreis von 25 Kilometer um Pegnitz. Laut Knorr ist dieser Mangel an Fachkräften besonders prekär, denn: “Altenpflege ist eine besondere Pflege. Es ist die Pflege am Menschen”, wie Knorr betont.

Nach Aus der ambulanten Pflege in Pegnitz: Situation wird für Alte und Kranke immer bedrohlicher

Man habe laut Knorr beim BRK Projekte aufgelegt, um möglichst schnell Pflegefachkräfte aus dem Ausland gewinnen zu können. Die deutsche Sprache müsse nicht perfekt, aber auf einem solchen Niveau vorhanden sein, dass eine Kommunikation mit den Kunden ohne Missverständnisse möglich sei. Pflegekenntnisse könnten viele Interessenten ohnehin aufweisen.

Aber: Zuwanderer tatsächlich ins deutsche Pflegesystem eingliedern zu können, sei ein “bürokratischer Aufwand, den man sich nicht vorstellen kann”, wie Knorr es nennt. Auch interessant: Nach einem Corona-Ausbruch in einem Bayreuther Pflegeheim mussten Ehrenamtliche bei der Betreuung der alten Menschen aushelfen.

“Es ist eine Entwicklung, die sehr schmerzt und Sorge bereitet”, sagt BRK-Kreisgeschäftsführer Markus Ruckdeschel. Der absolute Mangel an Pflegekräften im Gesundheitswesen sei hinlänglich bekannt. Besonders prekär in der ambulanten Pflege laut Ruckdeschel: der relative Mangel in der Langzeitpflege sei besonders hoch. “Und der wird sich verstärken”, prophezeit Ruckdeschel nicht nur für den Raum Pegnitz massive Probleme.

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Knorr zufolge habe der BRK Kreisverband Bayreuth seit vielen Jahren auf den Mangel an Pflegekräften hingewiesen. Die Corona-Pandemie habe die Arbeitsbedingungen in der Altenpflege nochmals verschärft. “Unsere Pflegekräfte sind hochkompetent. Dennoch sind sie oft praktisch handlungsunfähig. Medizinische Kompressionsstrümpfe oder Inkontinenzhilfen sind ohne ärztliche Verordnungen nicht zu bekommen”, nennt Knorr zwei Beispiele. Das BRK fordert daher einen Bürokratieabbau. Zudem müssten die Prüfkriterien des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) überarbeitet werden. Und: “Weg von der Minutenpflege”, fordert Knorr. “Unsere Pfleger kommen allein zu den Kunden. Bei Wind und Wetter. Dort müssen sie dann Entscheidungen im Akkordtakt treffen, aber die Kunden bleiben als Mensch auf der Strecke.”

Ruckdeschel wählt einen drastischen Vergleich, um die Situation in der ambulanten Pflege zu beschreiben. “Wir fahren mit 180 an die Wand. Wir werden nicht mehr bremsen können, das steht fest. Nun ist es Aufgabe der Politik, wenigstens Airbags und Knautschzone des Wagens zu verbessern.”

Im Raum Pegnitz werden viele Bedürftige in vier Wochen den Aufprall spüren.