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Coronavirus

Corona-Auswirkungen auf Bayreuth, Diskos und Pflege: “Jetzt klatscht keiner mehr”

Am Mittwoch (20.1.2021) haben die Jusos der Uni Bayreuth gemeinsam mit Discobetreiber Ahmad Kordbacheh, Bürgermeister Andreas Zippel und AWO-Geschäftsführerin Marion Tost eine Corona-Zwischenbilanz für die Stadt Bayreuth gezogen. 

Was bedeutet die Corona-Pandemie für Bayreuth, wie agiert die Stadt und wo sollte nachgebessert werden? Darüber haben die Jusos am Mittwochabend (20.1.2021) mit Andreas Zippel, zweiter Bürgermeister, Marion Tost, Geschäftsführerin der AWO Bayreuth Stadt, sowie Ahmad Kordbacheh, Betreiber des Clubs „Fabrik“ gesprochen.

Keine Schutzkleidung für Pflegekräfte

Die Corona-Pandemie hat uns inzwischen seit fast einem Jahr im Griff. Zeit eine Zwischenbilanz zu ziehen, finden die Jusos der Uni Bayreuth und haben zu einer Online-Diskussion per Videokonferenz eingeladen. Stefan Huber von den Jusos moderierte die Veranstaltung.

Die AWO hat eine Spezielle Einrichtung für Menschen mit Demenz in der Stadt Bayreuth mit ca. 100 Bewohnern. “Das Hauptproblem in der Pflege war, dass wir keine Schutzkleidung hatten”, sagt Tost. Zum Glück gab es fleißige Näherinnen, die die Mitarbeiter mit selbstgenähten Masken ausstatteten. Inzwischen ist das undenkbar, denn es gibt mittlerweile genug Schutzkleidung.

Corona und Diskotheken

Ahmad Kordbacheh wird den Moment nie vergessen, als die Diskotheken zusperren mussten. “Wir waren mit der Situation überfordert, wie alle anderen auch”, sagt Kordbacheh. Er hätte nie gedacht, dass er wegen so einem Grund mal schließen muss. “Es ist nicht in Worte zu fassen, was unsere Branche gerade durchmacht.”

Die Perspektiven seien schlimm. 2020 leitete ein neues Jahrzehnt sein und sollte eigentlich positiv sein. “Es hat uns den Boden unter den Füßen weggezogen”, sagt der Disco-Betreiber. Am schlimmsten sei für ihn die anhaltende Perspektivlosigkeit.

Pandemie stellt Arbeit in der Stadtverwaltung auf den Kopf

“Die großen Entscheidungen werden vom Oberbürgermeister und vom Krisenstabsleiter getroffen”, erklärt Andreas Zippel. Normale Amtsgeschäfte gebe es aktuell nicht. Am Anfang der Pandemie ginge es drunter und drüber. Die interne Arbeitsweise müsse komplett umgestellt werden. Denn bisher hätten verschiedene Dokumente erst gegolten, wenn – übertrieben gesagt – sieben Unterschriften darunter gesetzt waren. Das musste sich durch die Pandemie ändern und muss es auch immer noch.

Wenn der Freistaat Bayern am Freitag etwas angeordnet hat, mussten sich die Führungskräfte in der Stadt Bayreuth am Wochenende hinsetzen und alles so organisieren, dass es ab Montag dann umsetzbar war. Das sei sehr viel Arbeit gewesen.

“Auch eine Verwaltung besteht aus Menschen”, sagt Zippel. “Teile der Verwaltung sei auf dem Zahnfleisch gekrochen. Andere Teile konnten bedingt durch Homeoffice nicht so arbeiten wie gewohnt und waren entsprechend nicht so belastet.” Er meine das auch nicht böse. Zippel findet es schwierig, als Politiker nichts tun zu können.

Homeoffice in AWO Bayreuth

Zu Beginn der Pandemie war es ein rechtes Kuddelmuddel. “Es gab Pflegekräfte, die sich aus Angst krankschreiben ließen. Dabei gab es gar keinen positiven Fall in unserer Einrichtung”, sagt Tost. Auch Homeoffice war ein großes Thema.

Denn es gab Mitarbeiter die, als sie mal im Homeoffice waren, merkten, dass sie lieber wieder ins Büro wollten. “Gerade unsere Singles waren lieber vor Ort, als den ganzen Tag allein.” Tost findet, dass es den Arbeitnehmern selbst überlassen werden sollte, ob sie von Zuhause aus arbeiten wollen oder nicht.

Bayreuther Verwaltung muss digitaler werden

Zippel will die Verwaltung digitaler machen. Um eben zu verhindern, dass Papierakten mit nach Hause geschleppt werden oder hunderte von Seiten ausgedruckt werden müssen. “Langfristig fehlt es an einer Strategie”, sagt Zippel.

Deswegen hat er das Projekt Bayreuth@Digital angestoßen. Denn es muss langfristig umgestellt werden. “Vor zwei Jahren haben mich alle ausgelacht, als ich gesagt habe, dass es digitaler werden muss. Und jetzt schreit alle Welt danach”, resümiert der zweite Bürgermeister.

November-Hilfen sind bis jetzt nicht angekommen

Kordbacheh ist mit Kollegen aus der ganzen Welt vernetzt. “In anderen Ländern gibt es nichts”, sagt er. Deswegen sei er froh, dass er in Deutschland lebe. Allerdings seien die Corona-Hilfen ein Tropfen auf den heißen Stein. Es dauere gefühlt ewig, bis Gelder auf dem Konto sind. “Von den November-Hilfen haben wir noch gar nichts gesehen. Und wir haben Mitte Januar.”

Er findet die Art und Weise fraglich, wie an die Hilfen herangegangen wird. “Anderen Branchen wird das Geld hinterher getragen. Wir hatten zeitweise das Gefühl, dass Diskotheken, Kunst und Kultur vergessen wurden.” Kordbacheh habe auch seinen Mitarbeitern gegenüber eine Verantwortung. Er beschäftige in der Fabrik etwa 45 Minijobber. Teilweise seien es Studenten, die sich dadurch die Uni mit finanzieren.

Harter Schlag für Diskotheken und Bars

Der Betreiber der Fabrik fand es gut, dass von vornherein klar war, dass Großveranstaltungen bis 31.8.2020 verboten waren. Dann wurde bekannt, dass Bars wieder öffnen dürfen. “Obwohl wir monatelang keine Hilfen bekommen haben, haben wir nochmal Geld in die Hand genommen, um alles umzubauen”, sagt Kordbacheh.

Die Fabrik wurde zur Bar umfunktioniert. Alle seien begeistert gewesen. Die Fabrik durfte als Bar wieder öffnen. “Nach zwei Tagen kam dann die Keule”, sagt Kordbacheh. Bars mussten wieder schließen. “Das war für mich extrem hart”, sagt Kordbacheh. “Es ist kein Geld mehr da.” Es war klar, dass die zweite Welle kommt. Er fragt sich, warum man sich darauf nicht besser vorbereitet habe.

Corona-Situation in der Pflege

“Es trifft die Pflege umso mehr”, sagt Tost. Denn die Pflegekräfte müssen seit kurz vor Weihnachten Schnelltests zusätzlich zu der normalen Arbeit unter erschwerten Bedingungen  machen. “Ich muss jetzt auch mal für die Krankenhäuser sprechen. Man hat den Beruf ja nicht gelernt, um die Leute im Krankenhaus bis zum Tod zu pflegen. Bei uns in den Pflegeeinrichtungen ist das was anderes.”

Die Situation in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sei so schlimm wie nie zuvor. “Jetzt klatscht keiner mehr.” Die Corona-Prämie sei ausgezahlt und nun redet keiner mehr von der Leistung der Pflegekräfte. “Uns fehlt eine vernünftige Politik auf Bundes- und Landesebene”, findet Tost. Denn die Stadt Bayreuth habe alles getan, was sie nur könne. Sie findet, dass die Politik sich den Vorwurf gefallen lassen müsse, nicht genug für die Pflege getan zu haben.

Fördertöpfe für Schulen

“Wir haben riesige Fördertöpfe bekommen”, sagt Zippel. Aber dennoch können diese nicht angegriffen werden. Denn die Regierung habe nicht die Nutzungsvoraussetzungen dafür geändert. Deswegen müssten diese auf europäischer Ebene erst ausgeschrieben werden. Um Fördermittel für die 21 Schulen in Bayreuth zu bekommen, müssten diese nun erst beantragt werden. Zippel versteht nicht, warum diese Voraussetzungen nicht geändert wurden. Denn wird dieser offiziell vorgeschriebener Weg nicht gegangen, gäbe es auch wieder Ärger.

Impfstart in Bayreuth

Der holprige Impfstart sorgt auch bei der AWO-Geschäftsführerin für Kopfschütteln. “Wir hatten genügend Impfwillige, aber nicht genügend Impfstoff”, sagt Tost. Deswegen sollte man sich vor allem Gedanken um genügend Impfstoff machen, und nicht um die, die nicht geimpft werden wollen.

Wie geht es mit Diskos weiter?

Kordbacheh macht sich Sorgen, wie es für Diskotheken weitergeht. “Was ist, wenn die das bis Sommer nicht hinbekommen”, fragt er sich. “Was ist, wenn wir erst im März 2022 wieder aufmachen können? Dann haben wir 20-Jährige, die noch nie eine Disko von innen gesehen haben.” Er findet allein den Gedanken furchtbar,

Folgen der Corona-Krise für Bayreuth

“Wir werden langfristig mit den Folgen der Corona-Krise zu kämpfen”, sagt Zippel. Denn ab 2022 gibt es keine finanziellen Hilfen für die Kommunen. Es werde Jahre brauchen, bis man das wieder ausgleicht. Doch das sei nicht das einzige Problem. Die ganze Zeit hieß es, dass Leute auf Fahrräder und Busse umsteigen sollen. “Das Image der Busse ist gerade kaputt. In den Köpfen der Leute sind das Seuchenschleudern.”

Kritik einer Hebamme an Impfstrategie

“Warum kommt man nicht auf Idee, alle unter 35-Jährigen zu impfen?”, fragt sich Hebamme Susan Gilster. Denn das seien die Menschen, die das Land am Laufen halten und die Steuern zahlen müssen. Zippel sei froh, diese Entscheidung nicht treffen zu müssen. Denn die Risikogruppen seien natürlich schützenswert. “Ich finde es unfassbar schwierig, das zu entscheiden.”

Dem stimmt auch Tost zu. “Ich finde es auch schwierig”, bestätigt sie Zippel. Die Hebamme findet den Infektionsstopp eher gegeben, wenn die Jüngeren und die, die sich viel bewegen geimpft werden. Dadurch seien die Alten dann auch geschützt.

Bayreuther Tagblatt - Katharina Adler

 bt-Redakteurin Online/Multimedia
Katharina Adler