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Gesundheit
Corona-Krise schlägt auf die Psyche: Einsamkeit, Kontaktverlust und der Weg zurück ins Leben
Haben psychischen Erkrankungen in der Corona-Krise zugenommen? Verzeichnet das Bezirkskrankenhaus Bayreuth eine wachsende Patientenzahl? Das bt hat bei einem Experten nachgefragt.
Die Corona-Pandemie hat nicht nur Auswirkungen auf die physische Gesundheit der Menschen, sondern auch auf die Psyche. Zumindest hört man immer wieder davon. Was ist aber dran?
Mehr psychisch Kranke durch Corona?
Professor Thomas W. Kallert, Leitender Ärztlicher Direktor der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks Oberfranken, kann keine genaue Antwort auf diese Frage geben. „Mit eindeutigen Daten zur Erkrankungszunahme kann aktuell (noch) nicht aufgewartet werden“, sagt er. Eine Zunahme von psychischen Erkrankungen sei jedoch vor allem bei Belastungs- und/oder Angststörungen und Suchterkrankungen möglich.
Diese Menschen sind besonders gefährdet
Besonders gefährdet seien die Menschen, die ohnehin schon schwer psychisch krank sind oder die in ihrer Sozialkompetenz beeinträchtigt sind. Aber auch Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen und Behinderungen, die in Institutionen leben wie Demenzkranke oder geistig behinderte Menschen mit zusätzlich psychischen Erkrankungen, gehören zu der gefährdeten Gruppe. „Bei diesen Menschen besteht die Gefahr, dass sich ihre Erkrankungen verschlechtern“, erklärt Prof. Kallert.
Risikofaktoren für psychische Erkrankungen
Was der Mediziner aber mit Sicherheit sagen kann ist, dass die Risikofaktoren für die Manifestation psychischer Erkrankungen zugenommen haben. Hier nennt der Professor folgende Stichworte: „Einsamkeit, Verlust sozialer Kontakte, Verlust tagesstrukturierender Aktivitäten, Zunahme von Substanzkonsum, insbesondere Alkohol betreffend, Überlastung durch Übernahme weiterer Rollen (z.B. im Homeschooling) und fehlende Rückzugsräume.“
Mehr Patienten im BKH Bayreuth durch Corona?
Darauf hat der Leitende Ärztliche Direktor eine ganz klare Antwort: „Nein.“ Die Belegung sei zwar unverändert hoch, aber aus Infektionsschutzgründen seien nicht mehr so viele Betten belegt. Auch hätten einige Stationen ihr Konzept verändert. Dagegen sei ein Thema immer noch vorherrschend: Es gebe nämlich nach wie vor Menschen, die Angst davor haben, in ein Krankenhaus zu gehen. „Die Angst, sich zu infizieren hat im zweiten Lockdown deutlich zugenommen“, erzählt Prof. Kallert.
Psychische Erkrankung – und dann?
Wenn man feststellt, dass man mit der Psyche zu kämpfen hat, gibt es eine gewisse ärztliche Reihenfolge. Es ist nämlich nicht so, dass man sofort zu einem Sigmund Freud oder in eine Klinik kommt. Zuerst geht man normal zum Hausarzt, dann erst zum Facharzt und erst in letzter Instanz in eine Klinik. So führt der Weg zurück ins Leben. Es gebe aber auch Ausnahmen.
Sind die Wartezeiten nämlich viel zu lange oder ist es ein Fall von hoher Dringlichkeit, könne der Betroffene selbst Kontakt mit der Klinik aufnehmen. Diese ist rund um die Uhr verfügbar. „Wir bieten in unseren Kliniken Notfalltermine in der Psychiatrischen Institutsambulanz an. Per Telefon wird geklärt, wie dringend ein Termin nötig ist und dann wird der Termin oder ein Therapieplatz über die fachärztlich besetzte Hotline organisiert“, erläutert Prof. Kallert.
Telefonseelsorge in der Corona-Zeit
Wer Hilfe benötigt, könne sich auch mit der Telefonseelsorge oder einem Krisendienst in Verbindung setzen. Kommen diese Dienste an ihre Grenzen, sollten sie den Betroffenen ins ärztliche/fachärztliche/psychotherapeuthische Hilfesystem weiter vermitteln. Das gelte vor allem in Fällen der Suizidalität, Inoxikation (z.B. eine Vergiftung durch Drogen etc.) oder eines akuten psychotischen Zustandes.
bt-Redakteurin Online/Multimedia
Katharina Adler