Ein Leben für die Tiere: Zu Besuch auf dem Gnadenhof
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Wer sieht, welches Leid Menschen Tieren antun können, der könnte verzweifeln. Nicht so Monika Pracht. Auf ihrem Gnadenhof finden die ein Zuhause, die gequält, verprügelt und verstümmelt wurden. Wer wissen will, wie Pracht den Anblick von soviel Leid erträgt, der muss einen Blick auf ihre Wände werfen.
Wochenlanger Kampf um Mucks Leben
Das Jahr 1989 stellte nicht nur für ganz Deutschland eine Zäsur dar, sondern auch ganz persönlich für Monika Pracht. In diesem Jahr führte das Leben sie mit dem kleinen Muck zusammen. Zu dem Zeitpunkt lebte das Ponyfohlen unter schrecklichen Umständen in einem Wanderzirkus. Monika Pracht kaufte dem Zirkus das Tier ab. Wochenlang wurden die Wunden des Pferdes versorgt und er wurde aufgepäppelt. Erst dann war sicher: Der kleine Muck überlebt. Es sollte der Anfang eines langen gemeinsamen Weges sein. Und nicht zuletzt der Beginn des Gnadenhofes Fränkische Schweiz. Der kleine Muck ist heute dreißig Jahre alt.
Zufrieden liegt er da, ein kleiner Kämpfer, der sich von einem misshandelten Pferdekind zu einem glücklichen Hengst entwickelt hat. Und bis heute einen ganz besonderen Platz im Herzen von Monika Pracht einnimmt. Monika Pracht ist einer dieser Menschen, bei denen man weiß, dass die Welt eine bessere wäre, gäbe es mehr wie sie. Betritt man den Gnadenhof, trifft man öfters auf folgenden Satz: „Hier endet unser Leidensweg. Wir haben nichts mehr zu fürchten. Wir sind zuhause.“
Wie kann man die Menschen nicht hassen?
Überall sind Sprüche und Zitate auf dem Gelände verteilt, eine kleine Leidenschaft von Monika Pracht. Vermutlich schöpft sie daraus Kraft. Eine der ersten Fragen, die sich im Gespräch mit ihr aufdrängen, ist folgende: Wie kann man die Menschen nicht hassen, wenn man so viel Leid sieht?
Der Gnadenhof ist ein besonderer Ort. Wo soll man anfangen? Erstmal leben dort zwei Hunderudel. Da gibt es die dreibeinige Hündin Puppa und ihre Freundin Dolly, beide wurden aus einem Tierheim während eines Türkeiurlaubs gerettet. Puppa ist immer aktiv und die Chefin, auch mit ihren drei Beinen. Dolly ist sehr ängstlich, der kleine Hundekörper zittert die meiste Zeit und trotzdem sucht sie Nähe, lehnt sich an. Caruso ist ein wunderschöner brauner Hund mit den gefühlvollsten Augen, die man sich vorstellen kann.
Caruso will mehr
Am Tag unseres Besuches ist er krank, hört man auf ihn zu streicheln, tippt er einen mit der Pfote an: „mehr“. Monika Pracht fand ihn, als er gerade von zwei Männern mit einer Eisenstange verprügelt wurde. Wie so viele andere, rettete sie auch ihn.
Das andere Rudel besteht hauptsächlich aus Windhunden. Tritt man in ihr Zuhause ein, kommt einem die ganze Bande entgegen gerannt, inklusive Dackelmischling Leo. Leo ist schon ein alter Herr, hört nicht mehr gut und kommt mit allen wunderbar aus. Nur mit Männern hat er Probleme, vor ihnen hat er Angst. Als man ihn fand, eingesperrt in einem Schrank, hatte er ein gebrochenes Brustbein und Pfoten. Am Gnadenhof begegnen einem nicht nur Tiere, sondern auch die Abgründe des Menschseins. Die Menschen wollen einen gesunden, jungen, süßen Hund, erzählt Monika Pracht. Wenn er dann alt wird, krank oder einfach nicht gut hört, haben sie es satt und werden ihn los.
Acht Anfragen pro Woche: Das Pferd muss weg
Es gibt sieben große Pferde, die auf einer Koppel stehen. Mittlerweile, so erzählt Frau Pracht, kommen pro Woche mindestens acht Anfragen, immer mit dem gleichen Anliegen: Das Pferd muss weg, weil man es nicht mehr reiten kann. Unmöglich den ganzen Bedarf abzudecken, zu limitiert ist der Platz und die finanziellen Mittel. Der Gnadenhof finanziert sich über Spenden und Patenschaften. Das Einzige, was dann übrig bleibt, ist der Versuch, sie woanders hin zu vermitteln. Nie wanderten in Deutschland so viele von ihnen in den Schlachthof wie heute.
Oft sind die Tiere hier am Ende ihres Lebens angelangt, um sie wird sich besonders gekümmert, sie sollen es gut haben, zumindest auf ihrem letzten Weg. Zu jedem einzelnen Wesen gibt es eine Geschichte, Monika Pracht kennt sie alle.
In ihrer Küche wohnt gerade der Wellensittich „Pieps“. Pieps hat vorne keine Federn und ist mittlerweile so kraftlos, dass er nicht mehr mit den anderen Vögel im Gehege sein kann. Deswegen hat Monika Pracht ihn nah zu sich geholt und redet viel mit ihm. Keiner soll allein sein. Auch Kater Felix wird hingebungsvoll gepflegt.
Man könnte den ganzen Tag nur weinen und schreien
Mittlerweile ist er achtzehn Jahre alt und kann nicht mehr alleine essen. Ein ganzes Regal an Medikamenten ist nur für ihn, er soll keine Schmerzen haben. Bei all dem was sie erlebt, so Monika Pracht, könne sie gefühlt oft den ganzen Tag nur weinen und schreien. Es gibt eine kleine Gedenkstätte, mitten auf dem Gelände, darauf steht: „Ich bin gegangen, nur einen kleinen Schritt und gar nicht mal weit. Und wenn du dorthin kommst, wo ich jetzt bin, wirst du dich fragen, warum du geweint hast. In Liebe gedenken wir unseren verstorbenen Tieren.“ Monika Pracht glaubt fest an die Regenbogenbrücke. Der Geschichte nach überquert man nach dem Tod eine Regenbogenbrücke, auf deren anderen Seite die geliebten Tiere warten. Fast tausend Tiere hat sie seit 1990 in den Tod begleitet.
Das kleine Zwergpony Scarlet steht ruhig auf ihrer Koppel. Sie ist eine wahre Überlebenskünstlerin, ein schwerst beeinträchtigtes Tier, das große Probleme beim Laufen hat.
75.000 Euro für die Tierärzte
Damals wurde es in einem Zirkus versteigert. Trotz alldem hat Scarlet sich durchgekämpft und ist ein wahrer Wonneproppen, so Monika Pracht. Wie so viele andere, bekommt sie regelmäßig Medizin und Behandlungen. Im Jahr gibt der Gnadenhof allein für die Tierärzte 75.000 Euro aus.
„Wir bitten alle Tiere tausendfach um Verzeihung und hoffen, dass einige Wesen uns hören können. Es gibt Menschen, die versuchen, den Tieren zu helfen. Ich hoffe, die Seelen der gequälten Tiere können fühlen, dass sie nicht ganz verloren sind auf dieser Erde“, ist auf einem weiteren Schild zu lesen.
Wer kommt, darf bleiben
Katze Maunzi lag in einem Getreidesilo und wurde von der Feuerwehr gerettet. Heute ist sie zum zweiten Mal alleine als Freigängerin unterwegs und ist von selbst nach Hause gekommen. Alle kommen sie wieder, sie wissen, dass es ihnen hier gut geht. Vermittelt wird nicht, alle die kommen, bleiben auch. Sie sollen wissen, dass sie jetzt ein Zuhause haben.
Monika Pracht wohnt mitten unter ihren Tieren, ihr Bett steht bei einem der Hunderudel. Als junge Frau ist sie viel gereist, hatte zahlreiche Interessen und konnte schöne Kleidung genießen. Mittlerweile ist ihr das nicht mehr wichtig. Ihr Entschluss für die Tiere zu leben, hat all die anderen Bereiche relativiert. Bislang hat sie zwei kleine Bücher geschrieben: „Spuren meiner Tiere“. Gerade arbeitet sie am dritten und letzten Band. In diesem wird es um Glück gehen und darum, wie sehr einen eine solche Aufgabe vereinnahmt. Die Tiere sind für sie wie Familienmitglieder, sie unterscheidet nicht zwischen Mensch und ihnen.
„Sie denken nicht an die Vergangenheit und planen nicht für die Zukunft. Sie leben im Hier und Jetzt und sind deshalb wesentlich besser dran als die Menschen. Weil sie keine Zukunftsängste haben, das ist ein großer Vorteil. Auf der anderen Seite werden sie immer noch behandelt wie zweite und dritte Kategorie.“ (Monika Pracht)
Sie sagt ehrlich, dass man mit dem zufrieden sein muss, was man machen kann und konnte. Überall gibt es Grenzen und man könne nunmal nicht alle Tiere retten. Daran könnte man natürlich verzweifeln. Aber sie hat sich bemüht, sich stets extrem bemüht, den Tieren ein besseres Leben geben zu können. Und bei den Tieren, die ihren Platz auf dem Gnadenhof gefunden haben, hat sie ihr Ziel erreicht.
Wenn Sie den Gnadenhof Fränkische Schweiz unterstützen möchten, können Sie sich auf der Website über Spenden und Patenschaften informieren.