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Kommentar

Habeck als Schwachkopf bezeichnet – Razzia bei 64-jährigem Bamberger

Wenn die Polizei morgens um 6 Uhr bei einem klingelt und Handys, Computer und die Wohnung durchsuchen will. Was könnte einem da vorgeworfen werden? Kinderpornografie vielleicht? Oder Steuerhinterziehung? Menschenhandel? Oder man hat den Wirtschaftsminister einen Schwachkopf genannt…

Seit einiger Zeit kursiert ein Meme, man könnte auch sagen Schmäh-Bild im Internet. Kaum einer hätte es bemerkt.  Es ist nicht besonders tiefgründig. Eines von vielen. Es zeigt eine fiktive Werbeanzeige.

Das Logo der Marke Schwarzkopf ist zu sehen. Dabei steht da aber nicht „Schwarzkopf professional“, sondern „Schwachkopf professional“. Über dem Schriftzug ist ein Foto des lächelnden Wirtschaftsministers Robert Habeck zu sehen.

Im Juni – also vor fünf Monaten hat dieses Schmäh-Bild auch ein 64-jähriger Mann aus dem Landkreis Bamberg auf der Plattform X (ehemals Twitter) geteilt. Etwas, das täglich tausendfach passiert. Doch dieses eine Mal sollte für diesen einen 64-jährigen Mann fatale Folgen haben.

Polizei durchsucht Wohnung und Fahrzeuge

In der vergangenen Woche morgens um 6.15 Uhr klingelte nämlich die Polizei bei ihm: Hausdurchsuchung. Beantragt worden war die von der örtlichen Staatsanwaltschaft. Ohne vorherige Anhörung sollen Wohnung, Nebenräume und Fahrzeuge durchsucht werden, um Mobiltelefone, Speichermedien und internetfähige Endgeräte zu suchen. Anlass: Eine Anzeige von Robert Habeck.

Beleidigungen im Internet

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und das ist gut so. Wer einen anderen Menschen beleidigt, kann dafür bestraft werden. Wenn man auf offener Straße einen anderen einen professionellen Schwachkopf nennt, kann das bei entsprechender Anzeige auch juristische Folgen haben. Und das ist richtig. Für ein friedliches Miteinander in diesem Land, muss es auch gewisse Regeln zum sittlichen Umgang miteinander geben; auch wenn Viele das zu vergessen scheinen.

Im Internet wird der Umgangston immer rauer. Wenn Ricarda Lang mal anfangen würde, alle Menschen anzuzeigen, die sie beleidigt haben: Es kämen allein nach ihrem Besuch in Bayreuth im letzten Sommer sicher hunderte Anzeigen zusammen. Man stumpft offenbar ab.

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Ist Habeck zu dünnhäutig?

Robert Habeck will sich das nicht gefallen lassen: Er wehrt sich dagegen. Das ist legitim. Seitdem er im Amt ist, hat Robert Habeck 805 Mal Anzeige wegen Beleidigung erstattet.

Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat vor einigen Jahren erfolgreich gegen Beschimpfungen bei Facebook geklagt. Nach mehreren Jahren und Instanzen wurden die betreffenden 22 Kommentare auf Facebook als Straftaten gewertet. Man scheint einen langen Atem zu brauchen, wenn man sich mit den vorhandenen Mitteln gegen Beleidigungen im Netz auflehnen will.

Habeck wie damals Künast wollen sich wehren. Sie setzen damit auch ein Zeichen. Ein wichtiger Beitrag für weniger Hass im Netz: Die Menschen sollten sehen, dass man sich Online-Beschimpfungen nicht bieten lassen muss. Habeck bietet Pöblern die Stirn.

Habeck übertreibt

Aber er schießt damit auch übers Ziel hinaus. Und zwar aus zwei Gründen:

  1. Als Politiker muss er mehr aushalten, als Lieschen Müller. Ihm muss klar sein, dass die Menschen nicht ihn persönlich angreifen wollen, sondern sich hier eben der Frust entlädt. Der Frust über die Politik, den eine Demokratie aushalten muss.
  2. Und auch wenn er selbst natürlich die Durchsuchung nicht angeordnet hat: Er hätte wissen können und müssen was passieren kann, wenn er Anzeige erstattet. Dass er jetzt die Verantwortung an die Staatsanwaltschaft vor Ort weitergibt, ist feige.

Was tun gegen Beleidigungen im Netz?

Eigentlich wäre es die Aufgabe von Politikern eine Lösung gegen Hassreden und Beleidigungen im Internet zu finden. Bisher scheint es an Lösungen zu mangeln, die es erlauben Menschen für ihre Hassreden zur Rechenschaft zu ziehen ohne wie im Fall des Bambergers mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Denn das was ihm passiert ist war ja noch gar nicht die Strafe für sein Posting, sondern lediglich die Recherche. Warum reicht da der Zugang zu seinem X-Profil nicht aus?

Problem Unberechenbarkeit

Das Problem an den Konsequenzen für Beleidigungen im Netz ist, dass sie hart, aber selten sind. Bei vielen anderen Straftaten ist klar was passiert: Klau was im Supermarkt und werde erwischt: Gibt es Ärger. Das ist vorhersehbar.

Doch im Internet wird täglich viel Schlimmeres als „Schwachkopf“ geschrieben und es passiert nichts. Bis jetzt. Denn der Bamberger wird nun -initiiert durch den Bundeswirtschaftsminister – in seinem zu Hause wie ein Schwerverbrecher behandelt.

Das hat niemand kommen sehen und das wird auch kaum jemand als verhältnismäßig empfinden. Es hinterlässt ein beklemmendes Gefühl, wenn Polizisten aus solch niederen Anlässen private Nachrichten durchkämmen und persönliche Fotos durchsuchen.

Dass ein Staat hier mit der viel gepriesenen  ganzen Härte des Gesetzes vorgeht, ist Wasser auf die Mühlen derer, die man eigentlich bekämpfen will. Denn die AfD macht nun Stimmung wegen des „Schwachkopf“-Streits und nutzt ihn für ihre Agenda. Die Followerzahl des X-Profils des Bambergers ist in den letzten Wochen von rund 900 auf über 5000 angewachsen.

Schwachkopf und Habeck – für immer verbunden

Wenn man heute Schwachkopf googelt, dann erscheinen Bilder Habecks. Ob das im Sinne des Erfinders war oder sich Robert Habeck damit einen Bärendienst erwiesen hat, kann sich jeder selbst beantworten.