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Kommentar

Hitzefrei für den Verstand? – Wenn Schulen zur Sauna werden

Es ist wieder so weit. Der Sommer hält Einzug, und mit ihm die alljährliche Hitzewelle, die unsere Schulen in schwitzige Brutkästen verwandelt. Während sich Wasserratten im Schwimmbad über steigende Temperaturen freuen, schmilzt nicht nur das Eis in der Hand, sondern in Klassenzimmern vor allem die Konzentration unserer Kinder. Im letzten Jahr war es an über 10 Schultagen über 25 Grad heiß – Tendenz steigend. Und wer schon einmal versucht hat, komplexe Gleichungen zu lösen oder Goethes „Faust“ zu interpretieren, während einem der Schweiß den Rücken herunterläuft und die Luft zum Schneiden dick ist, der weiß: Das ist kein Zustand, der dem Lernerfolg zuträglich ist.

Hitzefrei für den Verstand? – Wenn Schulen zur Sauna werden

Statt geistiger Höhenflüge erleben wir eher ein kollektives Dahinschmelzen. Für Erwachsene im Bürojob ist das schon unangenehm. In der Schule umso mehr.  Lehrkräfte kämpfen gegen die Lethargie an, während die Schülerinnen und Schüler auf ihren Stühlen kleben, die Hefte durchfeuchtet sind und alle nur an eins denken: Hitzefrei. Von effizientem Unterricht kann da kaum die Rede sein. Es ist eher eine Art Hitzetraining, bei dem am Ende alle nur noch wissen, wie man einen Ventilator bedient. Sehr viel mehr wird an diesen Tagen kaum gelernt.

Der globale Blick: Klimaanlagen – Standard, nur nicht bei uns?

Blickt man über die Landesgrenzen hinaus, fragt man sich unweigerlich, ob wir hierzulande einem Konzept der Abhärtung gegen hohe Temperaturen folgen. Vielleicht sollen unsere Kinder ja lernen, widrige Umstände einfach zu ertragen, ohne zu jammern. Ein Bootcamp der Hitzeresistenz. In vielen Ländern in Europa, aber auch in immer mehr Regionen der USA oder Asiens, sind Klimaanlagen in Schulen längst Standard. Dort hat man verstanden, dass eine angenehme Lernumgebung keine Luxusfrage, sondern eine Notwendigkeit ist.

Es ist keine Frage der Funktionalität, sondern auch ein Ausdruck von Wertschätzung. Wenn wir wollen, dass Kinder lernen, dass sie wichtig und wertvoll sind, dann müssen wir ihnen zeigen, dass ihr Wohlbefinden zählt – auch und gerade in der Schule. Wer unter tropischen Bedingungen schreiben, denken und lernen soll, bekommt unweigerlich das Gefühl: Du bist uns nicht wichtig.

Zwischen Pragmatismus und Realität: Die Grenzen des Hitzefreis

Apropos Anpassung: Sollten wir vielleicht die Ferienzeit anpassen? Wäre das eine Lösung? Statt die Kinder im immer heißer werdenden Juli in die Klassenzimmer zu zwingen, könnte man die schulfreie Zeit einfach nach vorne schieben. Natürlich hat die derzeitige Regelung viele Vorteile – auch in Abstimmung mit den anderen Bundesländern –, aber im stets heißesten Monat des Jahres würden Ferien ja vielleicht Sinn ergeben.

Tatsächlich versuchen die meisten Schulleiterinnen und Schulleiter sicherlich, das Beste für ihre Schützlinge rauszuholen. Sie öffnen Fenster, schicken die Kinder ins Freie, wo es schattig ist, oder verkürzen den Unterricht. Doch all diese gutgemeinten Bemühungen stoßen an Grenzen. Denn am Ende des Tages müssen nun einmal Prüfungen geschrieben und Lehrstoff vermittelt werden. Daran ändert auch ein noch so ausgedehntes Hitzefrei nichts. Der Lehrplan wartet nicht auf angenehmere Temperaturen.

Investitionsstau statt Klimaanlage: Die bittere Realität

Und dann kommt die bittere Wahrheit: Bevor auch nur ein einziger Gedanke an eine Klimaanlage verschwendet wird, stehen wir vor einem Investitionsstau an unseren Schulen, der sich gewaschen hat. Die Toiletten, von denen in manchen Bayreuther Schulen schon Legenden über ihre Unbenutzbarkeit kursieren, müssten dringend saniert werden. Dächer lecken, Fenster sind undicht, die digitale Ausstattung gleicht vielerorts eher einem Museum für veraltete Technik.

Angesichts dieser Mammutaufgaben, die seit Jahrzehnten vor sich hergeschoben werden, mutet die Diskussion um Klimaanlagen fast schon zynisch an. Sie stehen vermutlich ganz weit unten auf der Prioritätenliste – irgendwo zwischen dem Wunsch nach einer Schulkantine mit Sterneküche und einem eigenen Schulhund für jede Klasse.

Vielleicht sollten wir einfach darauf hoffen, dass sich unsere Kinder im Erwachsenenalter mit ihrem erworbenen Hitzeresistenz-Know-how im globalen Wettbewerb besser schlagen. Oder wir fangen endlich an, das Bildungsland Deutschland nicht nur mit schönen Sonntagsreden, sondern auch mit adäquaten Investitionen für die Zukunft fit zu machen. Die Kommunen brauchen da endlich Unterstützung.

Denn wer in Bildung investiert, investiert auch in Würde. Und in die Überzeugung, dass jedes Kind zählt.