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Gericht

Mann in Bayreuth geht mit Messer auf Polizisten los und wird angeschossen: “war ein Versuch, mich zu erschießen”

Im April letzten Jahres ging ein Mann mit einem Messer bewaffnet auf vier Beamte der Bayreuther Polizei los. Am Landgericht Bayreuth begann am 19. Januar 2022 das Gerichtsverfahren.

Derya A. soll im April 2021 mit einem Butterfly-Messer bewaffnet auf vier Polizeibeamte losgegangen sein. Dabei wurde ihm von einem der Polizisten in die Hand geschossen.

Jetzt verhandelt das Landgericht Bayreuth wegen versuchten Totschlags in vier Fällen. Am heutigen Mittwoch, 19. Januar 2022, begann das Verfahren unter der Leitung des vorsitzenden Richters Bernhard Heim.

Mann in Bayreuth wegen versuchten Totschlags angeklagt

Oberstaatsanwältin der Staatsanwaltschaft Bayreuth Sandra Staade verliest zu Beginn der Verhandlung die Anklage. Zwei Polizeibeamte waren am 21.04.2021 in dem Haus in der Albrecht-Dürer-Straße, in dem sich die Wohnung des Angeklagten und seines Vaters befindet, eingetroffen, weil der Vater einen Notruf abgesetzt hatte. Sein Sohn hätte randaliert und ihn geschlagen. Derya A. habe anschließend die Tür seines in der Wohnung befindlichen Zimmers auch nach mehrfacher Aufforderung nicht aufgemacht.

Nachdem zwei weitere Polizisten der Inspektion Bayreuth-Stadt als Verstärkung angerückt waren, habe sich der Angeklagte immer noch geweigert, die Tür zu öffnen. Einer der Polizisten habe anschließend die Tür eingetreten. Der Angeklagte habe sich mit einem Butterfly-Messer bewaffnet direkt hinter der Tür befunden und sei unvermittelt mit fuchtelnden und schneidenden Bewegungen auf Brusthöhe auf die Beamten zugestürmt, heißt es in der Anklageschrift. Das bt berichtete im April 2021 über den Polizeieinsatz, auf dem das Gerichtsverfahren beruht.

Die Polizisten hätten sofort die Flucht ergriffen und schnell die Wohnung verlassen, sodass der Angeklagte die Verfolgung aufgegeben habe. Dabei habe ihn ein Schuss eines Polizeibeamten an der das Messer führenden Hand getroffen. Nach dem Eintreffen weiterer Verstärkung habe die Polizei erneut das Zimmer betreten und den Angeklagten fesseln können – vorher habe Derya A. erneut versucht, nach dem Messer zu greifen. Der Angeklagte werde daher beschuldigt, versucht zu haben, vier Menschen zu töten, ohne Mörder zu sein.

Angeklagter: “Ich werde rechtswidrig festgehalten”

Vorsitzender Richter Bernhard Heim klärt nach der Anklageverlesung mithilfe eines Gutachtens des Betreuungsgerichts über den Gesundheitszustand des Angeklagten auf. Dieser befinde sich derzeit aufgrund einer psychischen, wahnhaften Störung in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses. Er gefährde in erheblichem Maße sich selbst und Rechtsgüter anderer, wodurch es zu mehreren Übergriffen gegenüber seinem Vater gekommen sei.

Er habe auch seinem Vater ein Messer gegeben und von ihm verlangt, “ihn abzustechen”, da er seinen Vater sonst schlagen würde. Der Angeklagte hält sich mit einer Aussage zu seinen Anschuldigungen zurück. Er hätte genug Gelegenheit gehabt, seine Sicht der Geschehnisse darzustellen. Er werde “seit April rechtswidrig festgehalten” und erwarte “aus diesem Verfahren nichts Besseres und nichts Schöneres”. Das Bayreuther Amtsgericht verhandelte über einen Mann, der Kinderpornografie verbreitet haben soll. Der Mann wusste nicht mehr, was ihn dazu getrieben hatte.

Anschließend wird der über-80-jährige Vater des Angeklagten vernommen. Der türkischstämmige Herr ist seit 53 Jahren in Deutschland ansässig, braucht jedoch für die Vernehmung einen Dolmetscher. Er möchte vor Gericht nicht gegen seinen Sohn aussagen und könne sich auch nicht mehr genau daran erinnern, was er bei der polizeilichen Vernehmung gesagt hatte und wie der Vorfall ablief. Er erlaubt allerdings dem Gericht, sich auf diese Aussagen zu beziehen und die Polizisten zu befragen.

Der Angeklagte, der jahrelang in einer Anwaltskanzlei als Rechtsassessor tätig war, beteuert im Folgenden, dass seinem Vater diese Aussage in den Mund gelegt worden sei und dass er die Erlaubnis nicht erteilt habe. Außerdem beschuldigt er die Polizisten, versucht zu haben, ihn in seiner Wohnung zu erschießen.

Mann in Bayreuth geht mit Messer auf Polizisten los

Teile des Geschehens bei dem Vorfall wurden von einer Body-Cam eines der anwesenden Polizisten aufgezeichnet. Das Gericht um Richter Heim nimmt die Aufnahme in Augenschein. Sie zeigt die Sekunden vor dem Eintreten der Zimmertür des Angeklagten bis zum Ruf nach weiterer Verstärkung vor dem Haus.

Nach dem Eintreten der Tür ist auf dem Video der Angeklagte zu sehen, wie er in der Tür steht und sich auf die Beamten zubewegt. Einer der Beamten schreit zweimal lauthals “Messer weg!”, ehe sich die vier Polizisten umdrehen und aus dem Haus flüchten. Während der Flucht sind mehrere Schüsse zu hören. Der Polizist mit der Body-Cam lässt draußen verlauten, dass er Pfefferspray abbekommen habe und der Angeklagte vermutlich in den Bauch getroffen wurde. Nach Aussage mehrerer Polizeibeamten hätten sie versucht, den Angeklagten mit Pfefferspray zu stoppen. In Pegnitz wollte eine Corona-Demonstrantin keine Maske aufsetzen und zeigte ein falsches Attest.

Einer der Polizisten vor Ort, der im weiteren Verlauf der Verhandlung auch als Zeuge aussagt, habe bei dem Vorfall durch die Schüsse ein Knalltrauma erlitten. Prof. Dr. Peter Betz, Sachverständiger vom Institut für Rechtsmedizin in Erlangen, beleuchtet die Schusswunde des Angeklagten näher. Er wurde durch einen Pistolenschuss an der Hand verletzt. Die Patrone sei an der Innenseite des Daumens eingedrungen und am Handgelenk wieder herausgekommen. Es handle sich um einen klassischen Durchschuss.

Angeklagter hatte “Bruch in seinem Leben”

Laut dem sachbearbeitenden Polizeibeamten habe man Freunde des Angeklagten von früher und auch den ehemaligen Arbeitgeber vernommen. Dort sei vermehrt angegeben worden, dass der Tod der Mutter von Derya A. für einen klaren Bruch in seinem Leben gesorgt habe. Er hätte sich danach komplett gewandelt und auch soziale Kontakte gemieden.

Nach Angaben von Prof. Betz hätten die beim Angeklagten durchgeführten Blutproben und Substanztests alle negative Ergebnisse gehabt. Zum Zeitpunkt des Vorfalls habe er dementsprechend nicht unter dem Einfluss wahrnehmungsbeeinträchtigender Substanzen gestanden.

Derya A. machte während der Verhandlungen mehrfach Gebrauch von seiner rechtswissenschaftlichen Erfahrung Gebrauch und warf beispielsweise dem sachbearbeitenden Polizeibeamter vor, Schauspieler zu sein, weil dieser die Details zu dem Fall nicht aus dem Kopf vortrage, sondern in seinem Ordner vor sich herumblättere. Auch bezeichnete er die diversen als Zeugen geladenen Polizisten als “Möchtegern-Polizisten”, die rechtswidrig handeln.

Für das Verfahren sind aktuell vier weitere Termine vorgesehen. Die Verhandlung wird am Mittwoch, 26. Januar 2022, um 9 Uhr fortgesetzt.

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