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Tag drei im Mordprozess gegen Leon D.: Angeklagter entschuldigt sich bei Rebeccas Mutter
Wie war die Beziehung zwischen Leon D. und Rebecca S. bevor sie starb? Wie sah die Freundesgruppe die beiden? Das Gericht versucht das heute in Bayreuth herauszufinden. Dem 19-jährigen Angeklagten wird zur Last gelegt seine Exfreundin im Mai ermordet zu haben.
Am dritten Tag im Mordprozess gegen Leon D., der im Mai diesen Jahres seine Exfreundin Rebecca S. ermordet haben soll, stehen Rebecca und ihre Beziehung zu Leon D. im Mittelpunkt. Mehrere Zeugen aus der Freundesgruppe und die Mutter der Getöteten sagen am Donnerstag im Landgericht Bayreuth aus. Gegen Ende des Prozesstags ergriff auch der Angeklagte kurz das Wort.
Erster Zeuge berichtet von zum Teil schwieriger Freundschaft
Nachdem gestern schon ein Mitglied des Freundeskreises ausgesagt hat, sprechen am Vormittag zwei Freunde Leons und Rebeccas aus dem Landkreis Bayreuth. Ein 20-jähriger Schulfreund berichtet: Leon und Rebecca hätten sich vor allem nach der Beziehungspause vermehrt gestritten. „Yo, ihr seid nicht mehr zusammen“, habe er den Freund mehrmals erinnern müssen. Er habe sogar Beleidigungen und Handgreiflichkeiten mitbekommen, welche vermehrt von Leon ausgegangen seien. Er habe Rebecca am Handgelenk gepackt und sie habe ihn gekratzt, wenn sie sich losreißen wollte. Man habe innerhalb der Gruppe spekuliert, wie lange es denn noch gehen könne zwischen Rebecca und Leon. Es habe also „Hintermunkeliges“ gegeben, formuliert der Zeuge zum Amüsement von Richterin Andrea Deyerling. „Man hätte schon blöd sein müssen, um das nicht mitzubekommen, dass das nicht gut läuft zwischen den zwei“, sagt der Zeuge. In einer Konfliktsituation auf einer Party habe er zum ersten und einzigen Mal gedacht, dass er jetzt vielleicht physisch dazwischen gehen müsse, weil die Situation von Leons Seite aus sonst eskalieren könnte. Wie er sein Verhältnis zu Leon heute sehe? Er sei sauer auf Leon und enttäuscht, würde ihm aber gerne vergeben können.
Seine eigene Freundschaft zum Angeklagten sei zum Teil auch vor der Tat nicht leicht gewesen, Leon habe ihm bei Streits gerne das Wort im Mund herumgedreht. Später hätten sie gelernt sich schlauer zu streiten, mehr wie Erwachsene, so der Zeuge. Leon D. und er sehen sich kurz an, Leon lächelt. Auch wegen seiner Erfahrungen mit Leon habe er vermutet, dass Leon Rebecca eingeredet habe, ein schlechter Mensch zu sein. Das habe er auch bei ihm versucht. Rebeccas Antwort auf eine Frage bei Tellonym, einer Plattform für anonyme Fragen, habe ihn stutzig gemacht. Was ihre schlechtesten Eigenschaften seien, habe die Frage gelautet. „Meine asoziale, ignorante Art“, habe Rebecca geantwortet. Das habe den Zeugen erstaunt, weil er Rebecca so nicht erlebt habe. Deshalb habe er sie direkt gefragt: „Hat Leon dir das eingepflanzt oder bist du da selber drauf gekommen?“ „Vielleicht beides“, habe Rebecca geantwortet.
Wie er denn die Verhältnisse bei Leon zuhause beschreiben würde, will die Richterin noch wissen. Da sei ihm nie etwas aufgefallen, außer dass Leon zurückhaltender gewesen sei, wenn seine Mutter in der Nähe war. Leons Mutter sei eine „typische deutsche Mutter“, sagt der Zeuge. Was denn das heiße, fragt Richterin Andrea Deyerling und fügt lächelnd hinzu: „Sie haben Wahrheitspflicht.“ „Oh Mann“, sagt der Zeuge und windet sich etwas. Schließlich fügt er hinzu: „höflich und streng.“
Enger Freund Rebeccas: „Ich wollte sie warnen“
Als nächstes sagt ein Zeuge aus der Freundesgruppe aus, der Rebecca als seine beste Freundin bezeichnet. Er ist 21 Jahre alt und kommt aus dem Landkreis Bayreuth. Auf die Frage, wie er Leon beschreiben würde, schweigt der Zeuge lange. Er berichtet, er habe schon recht schnell bemerkt, dass Leon im Umgang nicht immer einfach sei. „Wenn man mit Leon redet, dann ist das wie ein Tanz auf Eierschalen“, sagte er der Polizei. Leon sei nicht kritikfähig gewesen und habe zweierlei Maß angelegt. Nach der Trennung habe der Zeuge sich enger mit Rebecca angefreundet, sie habe ihm schließlich auch Chatverläufe gezeigt, in denen Leon sie wüst beschimpft habe. Ob er sich vorstellen könne, dass Leon im Chat aggressiv und im Persönlichen defensiv gewesen sei, fragt Richterin Deyerling. „Nein“, gibt er zu Protokoll. Er habe Leons Umgang mit Rebecca respektlos gefunden. Leon habe Rebecca nicht seine „Freundin“, sondern seine „Bitch“ genannt und sexistische Witze über sie gemacht. Aus Spaß habe er Rebecca außerdem manchmal in den Schwitzkasten genommen. Gegen Ende und vor allem nach der Beziehung habe Rebecca mehr „ihren Mann gestanden“, sich nicht mehr alles gefallen lassen und auch mal kontra gegeben, berichtet der Zeuge. Sie sei ihm freier und glücklicher vorgekommen, sei nach der Trennung gewachsen.
Dass Rebecca etwas mit den anderen Jungs aus der Gruppe unternahm, habe Leon vor und nach der Beziehung nicht akzeptieren wollen. Der Zeuge und Rebecca hätten zum Beispiel gerne zusammen gekocht. Als Leon das mitbekommen habe, habe er Rebecca mit Nachrichten überhäuft und dem Zeugen geschrieben: „Hör mal auf, meine Freundin zu ficken“. Hier zuckt Leon D. kurz. „Wo ist das Vertrauen?“, habe der Zeuge dem Freund geschrieben. Es gebe einen Ehrenkodex in der Gruppe, dass man nichts mit der Ex-Freundin des Freundes anfange und daran habe er sich auch gehalten. Daraufhin habe er Leon nicht mehr erzählt, wenn er etwas mit Rebecca unternehmen wollte. Andere in der Gruppe hätten es genauso gemacht. Man habe sich das Drama ersparen wollen.
Bei einem Besuch in einer Shisha-Bar sitzt Rebecca kurzzeitig auf dem Schoß des Zeugen, weil jemand ihr ihren Platz weggenommen habe. Gekuschelt, wie Leon D. am ersten Prozesstag berichtete, habe Rebecca aber nicht mit ihm. Leon habe deshalb den ganzen Abend stumm vor sich hingestarrt und so die Stimmung in der Gruppe heruntergezogen. Bei einer anderen Gelegenheit, dem viel besprochenen Party-Abend in einem Club, habe Leon den ganzen Abend geweint, weil Rebecca mit einem anderen Mann getanzt habe. Auf dem Heimweg habe er dem Zeugen gesagt: „Ich hätte Rebecca nie der Gruppe vorstellen sollen. Das beste, was wir als Gruppe tun können, ist den Kontakt mit Rebecca abzubrechen.“ Leon verzieht im Gerichtssaal skeptisch das Gesicht. Zuhause bei Rebecca, wo alle übernachten wollen, streiten sich Rebecca und Leon nach Aussage des Zeugen lautstark, während die anderen im Keller warten. Er habe Angst gehabt zu hören, dass Leon Rebecca oben schlägt. Die Türe sei offen gewesen, er in Bereitschaft nach oben zu rennen und einzugreifen. Nach diesem Abend habe er Rebecca warnen wollen. „Ich wollte ihr schreiben, dass sie in Zukunft aufpasst und sich fernhält“, sagt der Zeuge. Er habe das dann aber doch lieber telefonisch machen wollen. Dazu sei es nicht mehr gekommen.
Freundin Rebeccas: Leon war ihr zutiefst unsympathisch
Die nächste Zeugin, eine Freundin Rebeccas, lernt Rebecca im September 2023 in der Berufsschule kennen. Sie habe sich gleich am ersten Tag neben Rebecca gesetzt und sich sofort gut mit ihr verstanden. „Ich habe Rebecca zwar nicht lange gekannt, aber sie war eine meiner engsten Freundinnen. Wir wollten noch viel mehr zusammen machen, aber das geht ja jetzt nicht mehr“, sagt sie. Rebeccas Freund kenne sie nur aus Erzählungen, er sei ihr sehr unsympathisch gewesen. Sie sehe ihn heute zum ersten Mal. Die Zeugin ist aufgebracht und wird laut, als sie schildert, wie Leon ihre Freundin behandelt habe: Er habe Rebecca geradezu terrorisiert, auch nachts um 3 Uhr oder wenn sie lernen musste, mit ihr telefonieren wollen. „Ich hab nicht verstanden, warum der mit 19 Jahren kein Nein verstehen kann“, sagt sie. Rebecca sei von Leons Verhalten verletzt gewesen und habe die Streits mit ihm nicht gewollt. „Rebecca musste, auf deutsch gesagt, wie so ein kleines Hündchen immer da sein, wenn Leon das wollte“, so der Eindruck der Zeugin. Leon habe sich ihres Wissens auch nie bei Rebecca entschuldigt.
Sie selbst habe Rebecca geraten, sich zu trennen und den Kontakt zu Leon abzubrechen. Einige Monate nach der Trennung habe Rebecca sich neu verlieben wollen. Die beiden reden viel über Jungs, die Freundin schlägt ‚Kandidaten‘ vor, berät und „begutachtet“, wie Richterin Andrea Deyerling erfragt. Darunter auch der Zeuge, der wegen einer Einladung Rebeccas ins Spa ein Interesse seitens Rebecca vermutet hatte. Für die Männer aus der Freundesgruppe habe Rebecca sich aber nicht interessiert, so die Zeugin. Rebecca habe einen „Crush“ auf einen Arbeitskollegen, einen Anästhesisten, gehabt. „Wir lernen heute so viele neue Worte: Crush heißt, sie hat für ihn geschwärmt?“ fragt Richterin Deyerling nach. „Ja“, sagt die Zeugin mit einem Lächeln in der Stimme. „Rebecca war so nett und lebensfroh und so hübsch. Ich wäre so glücklich für sie gewesen, wenn sie jemand neuen gefunden hätte“.
Schulkamerad sagt aus: Rebecca und Leon waren ein „berühmtes Paar“
Den nächsten Zeugen, einen 19-jährigen Studenten aus dem Landkreis Bayreuth, lernt Leon in der 7. Klasse über dem Lateinbuch kennen. Die beiden teilen sich ein Buch, freunden sich an, spielen gemeinsam Tischtennis und Volleyball. Leon hört ab der Oberstufe auf, dann sei der Kontakt seltener geworden. „Leon spielt Playstation und ich am Computer, da hatten wir einfach weniger miteinander zu tun“, so der Zeuge. Er besuchte auch die gleiche Klasse wie Rebecca, schildert, Rebecca sei in der Klasse von manchen „komisch“ gefunden worden. Das könne damit zu tun haben, dass Rebecca ein „Pferdemädchen“ gewesen sei. Was genau daran jetzt so schlimm sei, konnte er der Richterin nicht beantworten. Rebecca und Leon seien ein berühmtes Paar am WWG gewesen, weil sie auch in der Schule sehr viel Zeit miteinander verbracht hätten. Zu kurzzeitiger Ratlosigkeit im Gerichtssaal führt die Erwähnung eines „Waldstücks“ in der Nähe des Rotmaincenters, in dem Leon und der Zeuge sich mit ein paar Freunden getroffen hätte, um Alkohol zu trinken. Wo das betreffende Waldstück zu finden sei bleibt ungeklärt, bei dieser Gelegenheit habe Leon dem Zeugen aber erzählt, dass es ihn störe, dass Rebecca so viel Raum in seiner Freundesgruppe einnehme. Es seien ja schließlich seine Freunde und er habe sie ihr vorgestellt. Nun wünsche er sich, dass sie die Gruppe auch wieder verlasse. Der Angeklagte verzieht das Gesicht, mit dieser Aussage scheint er nicht einverstanden zu sein.
Wie er Leon beschreiben würde? Leon sei interessant, aber auch ein bisschen komisch, weil er sich für Anime, Manga und Videospiele interessiere. Mit Fremden sei er in sich gekehrt, unter Freunden offener und tendenziell rechthaberisch. Rebecca wird zum zweiten Mal an diesem Prozesstag mit dem Wort „lebensfroh“ beschrieben. „Ein herzenslieber Mensch“ sei Rebecca gewesen, habe der Zeuge in der Polizeivernehmung gesagt, liest Richterin Deyerling vor. Das sehe er immer noch so, bestätigt der Zeuge.
„Ich wusste, dass Leon verbal aggressiv war“, sagt der 19-Jährige. Er habe mitbekommen, dass Leon Rebecca zum Beispiel laut und beleidigend als „dumm“ bezeichnet habe. Außerdem habe er von anderen gehört, dass Leon Rebecca in der Schule mal geschlagen habe. Aus diesen beiden Aspekten habe er die Vermutung abgeleitet, dass Leon vielleicht auch körperlich aggressiv sei. „Eigentlich hat das aber nicht zu meinem Bild von Leon gepasst“, sagt der Zeuge. Er habe sich da auch nicht einmischen wollen, er sei ja auch nicht so eng mit Leon oder Rebecca befreundet gewesen.
Rebeccas Mutter: Rebecca war ein „total liebes Mädchen“
Nun verlässt Rebeccas Mutter ihren Platz als Nebenklägerin und nimmt im Zeugenstand Platz. Zur Tatzeit war sie im Italien-Urlaub. Rebecca habe sich vor dem Urlaub mit den Worten „Es sind ja nur zwei Wochen“, bei ihr verabschiedet. Rebeccas Mutter weint. Warum Sie das Haus am Tag nach der Tat betreten wollte, fragt Richterin Andrea Deyerling behutsam. Sie habe sich so auf das vorbereiten wollen, was noch auf sie zukommen würde: Auf den Abschied von ihrer Tochter.
„Ein total liebes Mädchen“ sei Rebecca gewesen, ein „Anfängerkind“, also eines, das es unerfahrenen Eltern leicht macht. Sie sei einfach im Umgang gewesen, habe früh und viel gelesen und sei selbstständig gewesen. Den Schulweg habe sie schon früh alleine gehen wollen. Als die Mutter ihr heimlich nachgeht um sicherzugehen, dass alles klappt, habe ihre Tochter gesagt: „Ich hab dich schon gesehen, du kannst nachhause gehen. Ich kann das alleine.“ Rebeccas Leidenschaft sei das Reiten gewesen. Als ein eventueller Verkauf ihres Ponys und eine schwere Krankheit im Bekanntenkreis bekannt werden, macht Rebecca eine schwere Zeit durch, so die Mutter. Durchsetzungsstark sei ihre Tochter schon gewesen, sagt Rebeccas Mutter. Deswegen habe sie sich auch nicht vorstellen können, dass Rebecca sich von ihrem Freund tyrannisieren lasse. Aber dass Rebecca Leon schlecht behandelt haben könnte, schließt sie auch aus.
Eine Trennung im Guten war Rebecca wichtig
Leon sei Rebeccas erste große Liebe gewesen. Sie habe gestrahlt, als sie mit Leon zusammengekommen sei. Auch die erste Beziehungspause im Jahr 2022 sei schwierig für Rebecca gewesen. Sie habe Leon zurückgewollt, gesagt, dass sie ihn noch liebe. Nach der Pause hätten die beiden sich vermehrt gestritten, das sei im Haus auch zu hören gewesen. Was genau gesagt wurde, wisse sie aber nicht. Es sei Rebecca wichtig gewesen, mit Leon in Freundschaft auseinanderzugehen, weil sie unter der Trennung der Eltern sehr gelitten habe.
Leon D. entschuldigt sich bei Rebeccas Mutter
Zum Ende der Aussage von Rebeccas Mutter bittet Verteidiger Hilmar Lampert um Sprechzeit für Leon D. Er wolle ein paar Worte an Rebeccas Mutter richten. Ob das in Ordnung sei? Rebeccas Mutter nickt. Leon spricht mit zittriger Stimme: „Ich wollte sagen, dass mir das alles furchtbar leid tut. Es tut mir leid“, sagt er ins Mikrofon. Dann ist der Prozesstag beendet.