Zuletzt aktualisiert am
Unfassbarer Betrugsfall: Razzia bei Tankstellenkette in Hof
von bt-Redaktion am 14. November – aktualisiert am 18. November um 12.30 Uhr
Indem sie Schmieröl zu Diesel umdeklariert haben, haben Kriminelle mehrere Millionen Euro Steuern hinterzogen. Sechs Beschuldigte sitzen deshalb nun in Untersuchungshaft.
Am Donnerstag (14.11.2024) rückten 230 Ermittler des Zolls im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hof aus um bundesweit 32 Wohn- und Geschäftsräume zu durchsuchen. Auch im Landkreis Hof wurden Proben an mehreren Tankstellen genommen und Räume durchsucht.
Die Hintergründe waren zunächst unklar. Mittlerweile steht fest: Der Einsatz war Teil einer umfassenden Ermittlung, die eine Steuerhinterziehung in Millionenhöhe aufgedeckt hat. Sieben Haftbefehle sind mittlerweile in diesem Zusammenhang vollstreckt.
Was wird den Beschuldigten vorgeworfen?
Sie sollen über 37 Millionen Liter Schmieröl im Wert von rund 52 Millionen Euro zweckwidrig und unversteuert als Dieselkraftstoff an Gewerbekunden und über Tankstellen an Endverbraucher im Bundesgebiet verkauft haben.
Das Schmieröl, auf das im Gegensatz zum Diesel keine Energiesteuer anfällt, sollen sie aus Osteuropa an ein in Oberfranken ansässiges Unternehmen geliefert haben, das das Öl dann als steuerpflichtigen Dieselkraftstoff über eigene Tanklastwagen an mehrere Empfänger im Bundesgebiet abgegeben hat. Daneben wird der oberfränkische Unternehmer verdächtigt, den unversteuerten Dieselkraftstoff über firmeneigene Tankstellen im Landkreis Hof und im Vogtlandkreis an Endverbraucher verkauft zu haben. Gegen ihn und gegen diejenigen, die das Schmieröl beschafft haben, ist Haftbefehl erlassen worden.
Bemerkenswerter Umfang
Die Ermittler gehen davon aus, dass mindestens seit Anfang 2023 an jedem Arbeitstag der Inhalt von bis zu 16 Tanklastwagen Schmieröl in die Tanklager des heimischen Unternehmens abgepumpt worden sein könnten.
Die Staatsanwaltschaft geht von 1.230 Tanklastwagen mit je durchschnittlich 30.000 Litern Inhalt aus, bei denen die Energiesteuer so hinterzogen worden sein könnte. Als Lieferanten bzw. Rechnungssteller des Schmieröls traten mitunter Firmen aus Hamburg, Amberg und Falkensee, überwiegend jedoch aus Berlin in Erscheinung.
Steuerschaden geht in die Millionen
Der vorläufige Steuerschaden (Energiesteuer) wird auf rund 18 Millionen Euro geschätzt. Die Steuerfahndungsstellen der Finanzämter Bayreuth, Berlin, Potsdam und Braunschweig ermitteln zudem wegen Verdachts der Hinterziehung der Umsatzsteuer. Der hierbei vorläufig geschätzte Schaden könnte bei zusätzlich rund 3,6 Millionen Euro liegen.
Am Durchsuchungstag stellten die Zollermittler umfangreiches Beweismittel wie Geschäftsunterlagen, schriftliche Aufzeichnungen, Notebooks, Tablett-PCs, Handys und über 30.000 Euro Bargeld, aber auch 12.500 Euro Falschgeld sicher.
Im Rahmen der Vermögensabschöpfung bzw. zur Sicherung der hinterzogenen Steuern haben die Kräfte zudem 15 Tankfahrzeuge unterschiedlicher Größen, 6 Lastkraftwagen, 6 Anhänger und 10 Personenkraftwagen beschlagnahmt bzw. gesichert. Den Wert eines noch am 15.11.2024 im Nachhinein gepfändeten Tanklastwagens wird auf knapp 400.000 Euro geschätzt.
An sieben Tankstellen wurden die Dieselzapfsäulen gesperrt, auf dem Firmengelände der Inhalt der Lagertanks durch Verplombung gesichert.
Ein Verdächtiger versuchte noch Beweise zu vernichten
Während der Einsatz lief war einer der Beschuldigten im Flugzeug mit Anflug auf Frankfurt am Main. Er hatte offenbar von den Razzien gehört. Es besteht der Verdacht, dass er deshalb über die Bordtoilette, den Mülleimer der Bordküche und Taschen der umliegenden Sitze versuchte, im Handgepäck mitgeführte schriftliche Aufzeichnungen zu vernichten. Die Zollbeamten, die ihn in Empfang genommen haben, durchsuchten die Maschine und fanden die Beweise.
„Zielgerichtet werden die Strukturen der Täter zerschlagen und deren rechtswidrig erlangtes Vermögen eingefroren. Gemeinsam stehen wir so für einen fairen Wettbewerb in Deutschland“, so Tino Igelmann, Leiter des Zollkriminalamtes in Köln.
Das Verfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen bzw. der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei dauert an. Weitere Details können aus ermittlungstaktischen und persönlichkeitsrechtlichen Gründen sowie wegen des Steuergeheimnisses derzeit nicht mitgeteilt werden.