RW21: Die Wahlveranstaltung der AfD und “dauerhaft erregte Hypermoralisten”
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Am Samstag ist die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, zu Gast im RW21 gewesen. In der Black Box, im Untergeschoss des Gebäudes, hielt sie gemeinsam mit Sylvia Limmer und Bernhard Zimniok eine Wahlkampfrede zur anstehenden Europawahl. Aufgrund des Schutzes ihrer Person war auch das Bundeskriminalamt mit vor Ort. Vor dem RW21 haben sich zu diesem Anlass rund 150 Gegendemonstranten platziert.
Ein Ort, an dem alle willkommen sind, oder?
Das RW21 ist vor und während der AfD-Wahlveranstaltung von Security und Polizeibeamten umstellt. Foto: red
Eigentlich ist das RW21 ein Ort, an dem alle willkommen sind – so formuliert es auch die MUT-Partei an diesem Samstagabend. Da einst im Stadtrat beschlossen wurde, dass das RW21 für politische Zwecke gemietet werden darf, ist es somit auch der AfD für Wahlveranstaltungen zugänglich. Ganz legitim.
Die Stadtbibliothek betont, dass sie eine öffentliche Bildungs- und Kultureinrichtung sei, die für alle Interessierten zu Verfügung stehe.
Das RW21 (…) weist darauf hin, dass laut Stadtratsbeschluss verschiedene Veranstaltungsräume aus städtischem Besitz für Parteien, Wählergruppen und politische Veranstaltungen zur Verfügung gestellt werden, darunter auch die Black Box im RW21. Wir geben bekannt, dass diese Veranstaltungen unabhängig von der eigenen Programmplanung des RW21 stattfinden und nicht von uns verantwortet werden.
(RW21 Stadtbibliothek via facebook)
Trotzdem führt die Tatsache, dass Beatrix von Storch hier am Samstagabend in der Black Box reden wird, bei vielen Gegnern zu Wut, Angst, Traurigkeit und vor allem Redebedarf. Stadtratsmitglied Klaus Wührl-Struller bekräftigt, dass man in der Politik auch aktiv werden muss und unterstützt somit die Gegendemonstration, die “Die Partei” federführend unter dem Titel “Demo gegen Braunstörche und Blaufußtölpel in Innenstädten” ab 18 Uhr bei der Stadt angemeldet hat.
Natürlich freuen wir uns nicht, wenn die AfD städtische Räume für ihre Veranstaltungen nützt. Aber verstecken ist keine Lösung. Zur Demokratie gehört auch der Mut, sich ihren Gegnern zu stellen.
(Klaus Wührl-Struller, Bündnis 90 / Die Grünen und Unabhängigen)
Kritik: Fehlende sichtbare Erklärung zur Demokratie in städtischen Räumen
Wührl-Struller verteidigt außerdem den Beschluss des Stadtrats, städtische Räumlichkeiten wie z.B. die Black Box für alle politischen Veranstaltungen zu öffnen, denn: „Wegen eines schwarzen Schafes würden wir die Weide für alle Schafe sperren. Das wäre falsch, denn politische Mitwirkung braucht den öffentlichen Raum”, erklärt er. Allerdings betonte er auch, dass in allen städtischen Räumen – nach Amberger Vorbild – bei politischen Veranstaltungen, eine Bayreuther Erklärung zu Demokratie und Toleranz gut sichtbar angebracht werden sollte – was bisher nicht der Fall sei.
Warum die Demonstranten gekommen sind
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Außer den Anhängern von “Die Partei” zeigen sich auch die MUT-Partei, das Bündnis “Bunt statt Braun”, die Jusos und die Allianz gegen Rechtsextremismus vor Ort. Sie alle haben ein gemeinsames Ziel: “Nazis raus”, schreien sie immer wieder im Chor zum schrillen Klang der Trillerpfeifen. “Wir sollten nicht mehr still sein”, sagt Selina Struck von den Jusos, denn die AfD sei eine Gefahr für die Demokratie – eine Partie die Hass und Hetze verbreite und europäische Freundschaften zerstören wolle, sagt sie bei ihrer Rede.
Ich möchte mir meine Freiheit nicht nehmen lassen.
(Selina Struck, Jusos Bayreuth)
Die Gesellschaft rückt immer weiter nach rechts, wie man in Ungarn, Österreich oder Polen sehen kann. Das schwächt nicht nur die Wirtschaft, sondern die kulturelle Vielfalt geht dabei auch kaputt. Die Abschottung wiederum macht die Leute dumm. Denn, wer sich mit anderen Kulturen austauschen kann, bildet sich automatisch weiter. Ich bin hier, weil ich gegen Leute vorgehen möchte, die andere Kulturen nicht akzeptieren. Das ist menschenunwürdig. Ich möchte ihnen die Augen öffnen.
(Pascal Haymann, Die PARTEI)
“Wir haben keine Angst”
Die Demonstranten stehen in der Bayreuther Innenstadt, um lautstark für ein geeintes und starkes Europa zu kämpfen. Oder, wie es die Allianz gegen Rechtsextremismus der Metropolregion Nürnberg vor dem RW 21 formuliert:
Foto: Allianz gegen Rechtsextremismus der Metropolregion Nürnberg
Betreten Besucher der AfD-Wahlveranstaltung den Eingangsbereich des RW21, schallen ihnen laute Buh-Rufe aus der Menge entgegen oder Parolen, wie “Ganz Bayreuth hasst die AfD” und “Der Storch muss weg”.
Einblicke in die Black Box
Wer hinein möchte ins RW21, der wird abgetastet und muss seine Tasche öffnen und teilweise ausräumen. Zur Sicherheit, versteht sich. In der Black Box sitzen viele alte Menschen, aber auch andere, teilweise im Anzug. Sogar mit EU-Fähnchen haben sich einige hinein gewagt.
Beatrix von Storch / AfD im RW21 , Foto: red
Für die stellvertretende AfD-Fraktionsvorsitzende, Beatrix von Storch, ist das jedoch vollkommen in Ordnung. Man könne sich am Abend über Europa unterhalten. Aber man müsse ja am Ende nicht mit einer gemeinsamen Meinung nach Hause gehen, sagt sie. Wären diese Menschen nicht hier im Räum, wären allerdings definitiv auch keine Europa-Fähnchen hier.
In der Black Box sitzen etwa 70 Personen. Die Stimmung wirkt etwas angespannt. Am Rande des Raumes und auch zwischen den Besuchern gibt es zwei große Frauen im Hosenanzug und einige muskulöse Männer, allesamt über Funk verkabelt. Eine Frau spricht sogar in ihre Armbanduhr – alles verwanzt. Bei jeder hektischen Bewegung, scheinen die Blicke sofort auf einem zu kleben. Eine entspannte Wahlveranstaltung, das wäre irgendwie anders. Oder? Doch die AfD bleibt stets optimistisch und leitet die Rede-Beiträge mit folgenden Worten ein:
Sylvia Limmer spricht sogar von den “dauerhaft erregten Hypermoralisten da draußen”. Für sie seien die Demonstranten vor dem RW21 weltfremde Moralapostel bunter Truppen. Danach erklärt sie anhand mehrerer Beispiele mit Verweis auf die Broschüre “60 Gründe für die EU”, warum die aufgeführten Gründe weit entfernt von der Realität seien. Redner Bernhard Zimniok ist empört darüber, dass etwa 80 Prozent der Gesetze in der EU lediglich durchgewunken werden würden. “Damit muss Schluss sein, dafür sorgen wir”, sagt er. Und ergänzt:
Mir sind hässliche Bilder vor den Grenzen Europas lieber, als auf den Straßen Europas.
(Bernhard Zimniok, AfD-Kandidat zur Europawahl 2019)
Rock against Racism in der Schokofabrik
In der Bayreuther Schokofabrik gibt es im Anschluss zur Demo ab 19 Uhr mehrere Konzerte unter dem Motto “Rock against Racism”. Auch die Künstler betonten noch einmal, dass es um einen gemeinsamen friedlichen Abend voller Musik gehe. Ab dem RW21 fährt sogar ein kostenloser Shuttle, der die Demonstranten ins Kulturzentrum in der Bernecker Straße bringt.