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Gericht

Angeklagte im Fall um totes Baby im Müllsack lebte in kargen Verhältnissen: “Zimmer wirkte wie ein Abstellraum”

von Maximilian Springer

Vor dem Landgericht wurden heute (30. März 2022) Einblicke in das Leben der Angeklagten im Fall um das tote Baby, das in Heinersreuth im Müll gefunden wurde, gegeben. Ihre einzige Konstante schien die Inkonstanz zu sein.

Weitere Details über die Angeklagte Emilia C. (Name durch die Redaktion geändert) im Fall um das tote Baby, das in einem Müllsack in Heinersreuth gefunden wurde, kommen am Verhandlungstag am Mittwoch, den 30. März 2022, ans Licht. Sie wohnte bei ihrem Vater in einem Zimmer, in dem ihr Bett das einzige Möbelstück war. Das Bild, das von ihrem Leben im Gerichtssaal gezeichnet wird, zeigt sich als sehr schwierig.

Für den Termin am Mittwoch wurden mehrere Zeugen geladen. Darunter der Hausarzt der Angeklagten, der Polizeibeamte, der sie festgenommen hatte und einen Einblick in das Zimmer, in dem sie wohnte, bekam und die Ausbildungsleiterin und der Geschäftsführer der Bäckerei, in der sie zuvor eine Lehre abgebrochen hatte. Ebenso wurde die polizeiliche Befragung des Wirts verlesen, bei dem die 20-Jährige kurz als Küchenhilfe gearbeitet hatte und später eine Ausbildung als Köchin machen wollte.

Zimmer der Angeklagten nur karg eingerichtet

Der befragte Polizist war einer der Ersten, die am Tatort eintrafen. Mit seinem Kollegen begab er sich nach kurzer Zeit auf die Fahndung nach der Gesuchten, die damals 19 Jahre alt war. Nachdem sie ihre Mutter besuchten, wo sie gemeldet war, stellte sich heraus, dass Emilia C. dort schon seit Anfang 2021 nicht mehr wohnte. Mittlerweile sei sie bei ihrem Vater untergebracht. Dort angekommen sagte dieser den Beamten, dass sich die Tochter in ihrem Zimmer befinde.

Bereits der Weg zum Zimmer wirkte laut dem Beamten so, als wäre es ein Keller. Die Heizung sei auf dem Flur zu dem Raum gewesen. In der Räumlichkeit selbst fanden sie die Angeklagte vor, wie sie auf ihrem Bett saß. Ihr Rückzugsort selbst war zugestellt mit Kartons und Boxen. Nach Aussage des Beamten wirkte das Zimmer auf ihn eher wie ein Abstellraum und nicht wie ein Schlafzimmer. Das einzige Einrichtungsstück in diesem Zimmer war das Bett der 20-Jährigen. Am Fuße dessen stand ein großer Kühlschrank.

Wie vom Polizisten ausgesagt und auf den Beweisfotos zu erkennen, lag die blutige Wäsche der Nacht der Geburt einfach offen im Raum. Die Fotos zeigen ein Zimmer, in dem es keinen Nachttisch, keinen Schrank oder jegliche Dekoration gibt. Auf die Vorwürfe hin angesprochen, soll die Angeklagte kaum reagiert haben. Nach der Beschreibung des aussagenden Polizisten habe sie so gewirkt, als würde sie das alles nichts angehen. Aus freien Stücken soll sie geäußert haben, dass das Baby bei der Geburt tot gewesen sein soll, sie ihre Schwangerschaft nicht bemerkt habe und es mit den Handtüchern und dem Klopapier in einer Mülltüte entsorgt habe. “Ich habe mein Kind nicht umgebracht”, soll laut dem Beamten eine ihrer ersten Aussagen gewesen sein. Während des ersten Gerichtstermins räumte sie ein, dass diese Aussagen nicht zu hundert Prozent stimmten.




Schwangerschaft vom Hausarzt unbemerkt geblieben

Bei der Befragung ihres Hausarztes gibt dieser an, dass ihm ihre Gewichtszunahme nicht wirklich aufgefallen wäre. Ihr letzter Termin bei ihm wäre vor fast einem Jahr gewesen. Aufgrund ihrer Beschreibung, an Durchfall und Erbrechen zu leiden, habe er sie aufgrund der Tatsache, dass sie in der Gastronomie arbeite, sofort aus Infektionsschutzgründen krankgeschrieben.

Nachdem er vom Gericht gefragt wurde, ob er sie auf eine mögliche Schwangerschaft angesprochen habe, verneint er dies. Das sei bei so jungen Frauen ohnehin ein heikles Thema und sie habe keinen klassischen Schwangerschaftsbauch gehabt.

Auf der Arbeit immer wieder Probleme für die Angeklagte

Ebenso waren die Ausbildungsleiterin und der Geschäftsführer eines Bäckereibetriebs in Memmelsdorf, bei der Emilia C. eine Ausbildung im August 2018 begonnen hatte, als Zeugen geladen. Nach den Aussagen der beiden Bäckermeister sei die Angeklagte zu Beginn ihrer Lehre normal gestartet. Der Geschäftsführer sprach sogar davon, dass sie zu Anfang im Betrieb Torten gebacken hätte, die sie mit nach Hause nahm. Ihre Aufträge habe sie dort ordentlich erledigt.

Während des Großteils ihres ersten Ausbildungsjahres hätte auch alles so weit geklappt, aber irgendwann wurde sie immer unpünktlicher. Irgendwann soll es von der Seite der Beschuldigten geheißen haben, dass sie nicht mehr pünktlich um 3:30 Uhr erscheinen könne, da ihre Mutter bis 3 Uhr arbeiten müsse. Seitens des Chefs fiel die Aussage: “Ob sie kommt oder nicht, war Glücksspiel.” Die Bäckermeisterin meinte sogar, dass sie im Dienstplan ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr eingeplant wurde, da sie so unregelmäßig erschien.

Ebenso sei es ihr auch aufgefallen, dass es während der Zeit der Angeklagten im Betrieb sehr selten klar war, wo sie gerade wohne – ob bei der Mutter oder bei Vater und Oma. Ihrer Ausbilderin stellte sich der Eindruck, dass sie immer hin- und hergewandert sei. Ihrem Gefühl nach lief es meist besser, als die 20-Jährige bei ihrer Oma und ihrem Vater untergebracht war. Der Chef der Bäckerei sprach sogar davon, dass ihre Mutter an einem Tag, an dem sie ihre Tochter abholen wollte, “hysterisch” am Tor gestanden sei, weil sie wenige Minuten später als geplant aus dem Betrieb kam und ihr gesagt habe, dass sie nicht so viel Zeit habe.

Auch habe man, während die damalige Auszubildende gearbeitet hatte, öfter “Angebissenes” oder “Angetrunkenes” im Kühlraum gefunden. Als sie darauf angesprochen wurde, ob sie daheim nicht so einfach etwas zu essen kriege und ob es Probleme gäbe, verneinte das die Angeklagte. Nachdem sie dann im September 2020 den Betrieb endgültig verlassen hatte, hörten die Vorfälle mit Essen und Trinken auf. Aber ob das ganze auf Emilia C. zurückzuführen sei oder es sich um einen Zufall handele, konnte nicht mit Sicherheit gesagt werden. In ihrem zweiten Lehrjahr häuften sich ihre Abwesenheiten, bis sogar ein Brief der Berufsschule über ihre Fehlzeiten den Geschäftsführer erreichte.

Es habe deswegen mehrmals Gespräche mit den Eltern, insbesondere dem Vater, gegeben. Nach diesen besserte sich oft ihre Anwesenheit, riss aber nach kurzer Zeit wieder ein. Die Situation gipfelte damit, dass sie irgendwann Ende August 2020 ohne Krank- oder Abmeldung gar nicht mehr zur Arbeit kam. Nach etwa zwei Wochen bat ihr Chef sie dann zum klärenden Gespräch. Normalerweise fielen in solchen Fällen Entschuldigungen oder Gelöbnisse zur Besserung, doch die 20-Jährige habe kaum reagiert und keinerlei Emotionen gezeigt, als sie den noch während des Treffens angefertigten Aufhebungsvertrag unterschieb, gezeigt.

Zweiter Anlauf in der Gastronomie scheitert

Später wird auch noch die Aussage, die der Wirt, bei dem sie noch im Jahr 2022 kurz arbeitete, gegenüber der Polizei getroffen hat, verlesen. Darin spricht er von einem ruhigen Mädchen mit einer gepflegten Erscheinung, das sich für ihren Führerschein als Küchenhilfe Geld dazu verdienen wollte. Mit dem Führerschein hätte dann für sie die Option bestanden, in dem Betrieb eine Ausbildung als Köchin zu beginnen.

Bei ihrem ersten Probearbeiten habe die Frau des Wirts die Angeklagte gefragt, ob diese schwanger sei. Das verneinte sie jedoch. Nach einem Tag, an dem mehr losgewesen sei und ein anderer Angestellter meinte, dass das am nächsten Tag wieder der Fall sein könnte, erschien sie dann mit der Begründung, dass ihre Oma Corona habe und sie mit in Quarantäne müsste, nicht mehr. Ob dies in einem Zusammenhang steht, konnte der Gastronom nicht sicher sagen.