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Gesundheit

Versorgungsnotstand bei Kinderarzneimitteln: “Politik lässt akutes Thema einfach liegen”

“Kinder können nicht mehr mit Arzneimitteln versorgt werden!” Apotheker und gesundheitspolitischer ÖDP-Sprecher Wolfgang Reiter nimmt Holetschek und Lauterbach in die Pflicht.

Die bayerische ÖDP hat die Gesundheitsminister Holetschek und Lauterbach aufgefordert, sich gegen die drohende Verknappung von Fiebersäften und Zäpfchen für Kinder zu stemmen.

Wolfgang Reiter, Apotheker in Oberbayern und gesundheitspolitischer Sprecher des ÖDP-Landesverbandes fordert von den Ministern, „Druck auf die Hersteller auszuüben“. „Die Produktion muss kurzfristig hochgefahren und langfristig gesichert werden.”

“Kinder können nicht mehr mit Arzneimittel versorgt werden”

„Fiebersäfte mit Ibuprofen oder Paracetamol und Kindern, Elektrolytlösungen bei Durchfall und Erbrechen gibt’s überhaupt nicht, Fieberzäpfchen und Antibiotika werden bereits knapp.”

„Seit dem Frühjahr ist bekannt, dass es im Herbst zu Engpässen kommen wird, da einige Firmen die Produktion von Ibuprofen- und Paracetamol-Säften eingestellt haben. Eigentlich sollte ein Aufschrei durchs Land gehen, doch die Politik lässt das akute Thema einfach liegen. Kinder haben offensichtlich bei den Regierungsparteien keine wirkungsvolle Lobby“, kritisiert Reiter.

“Regierung macht praktisch nichts dagegen”

In seiner eigenen Apotheke konnte er die Versorgung mit Ibuprofen- und Paracetamol-Säften noch bis heute aufrechterhalten, weil er im Frühjahr vorausschauend eingekauft habe. “Seit Juli werden die Apotheken praktisch nicht mehr von der Industrie beliefert“, kritisiert der gesundheitspolitische ÖDP-Sprecher: „Dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und auch dem bayerischen Gesundheitsminister Klaus Holetschek muss man vorwerfen, praktisch überhaupt nichts getan zu haben, um die Katastrophe zu verhindern“.

Zum Problem: Im Frühjahr stellten die Firmen ABZ, Aliud, Ratiopharm und Stada die Produktion von Ibuprofen-Säften aus wirtschaftlichen Gründen komplett ein. Diese vier Firmen wurden in den vergangenen Jahren vom Großkonzern TEVA aufgekauft. Und im Ausland wird bis zu dreimal so viel pro Saft bezahlt wie in Deutschland. Gleiches Bild bei Paracetamol-Säften. Stada liefert gar nichts mehr und Ratiopharm nur noch Kleinmengen über den Großhandel. Die Firmen 1A Pharma und Hexal, die mittlerweile dem Schweizer Großkonzern NOVARTIS gehören, haben die Produktion ebenfalls eingestellt. Lesen Sie auch: In Zukunft könnten Drohnen Medikamente in Oberfranken zustellen.




“Verantwortung liegt bei der Bundesregierung”

Somit gibt es in Deutschland nur noch 2 Hersteller, die Paracetamol Säfte herstellen (Ratiopharm und Bene mit Benuron Saft) und nur noch 3 Hersteller, die Ibuprofen-Säfte für Kinder herstellen (Zentiva mit Ibuflam Saft, Reckitt Benckiser mit Nurofen Saft und Johnson & Johnson mit Dolormin Saft). Die verbleibenden wenigen Hersteller schaffen es nicht mehr, den Bedarf zu decken.

Reiter: „Zu verantworten haben diese Entwicklung alle Bundesregierungen der letzten 15 Jahre. Denn diese haben mit ihrem Festhalten an den Rabattverträgen dafür gesorgt, dass der Großteil der mittelständischen Arzneimittelhersteller von Großkonzernen wie Teva, Zentiva und Novartis aufgekauft wurde. Und damit ist Deutschland in der Arzneimittelversorgung komplett abhängig von diesen Großkonzernen. Es wird Zeit, diese Schieflage endlich zu korrigieren und den Machteinfluss von Großkonzernen zu begrenzen.