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Weniger Bürokratie für mehr Wirtschaftswachstum: Politik und Unternehmen einig
von bt-Redaktion
Beim Bürokratieforum der IHK für Oberfranken Bayreuth im Schloss Neudrossenfeld waren sich Vertreter aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft einig: Der Bürokratieabbau ist dringend notwendig. Doch aus Sicht der Unternehmer geht dieser Prozess viel zu langsam voran.
IHK-Präsident Waasner fordert entschiedene Maßnahmen
Trotz zahlreicher Maßnahmen sei die Anzahl der Einzelnormen auf Bundesebene zwischen 2014 und 2024 um 15 Prozent auf 52.155 gestiegen. Das hat IHK-Präsident Michael Waasner in seinem Impulsvortrag vorgerechnet.
„Eine geringere Belastung unserer Unternehmen durch weniger Bürokratie muss das erklärte Ziel sein. Alleine in Oberfranken entstehen Bürokratiekosten von rund 1,7 Milliarden Euro jährlich“, betont Waasner. Hoffnung setzt er auf die geplante „Omnibus“-Verordnung der EU, die eine Reduzierung bestimmter Berichtspflichten um bis zu 35 Prozent für kleine und mittlere Unternehmen vorsieht. Die IHK setzt sich entschieden für eine mittelstandsfreundliche Gestaltung dieser Regelung ein.
Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit
Finaznstaatssekretär Martin Schöffel warnt: „Es wurde noch nie so wenig investiert wie zuletzt. Der Standort Deutschland verliert immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit.“ Angesichts wirtschaftlicher Herausforderungen sei der Abbau unnötiger Bürokratie unerlässlich. „Wir müssen die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen weiter optimieren. Wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehen“, so Schöffel. Früher sei eine „ordentliche Verwaltung“ ein Standortvorteil gewesen. Das habe sich gedreht. 145 Milliarden Euro gingen laut Schöffel wegen bürokratischer Auflagen jährlich in Deutschland verloren.
Entscheidungen oft realitätsfern
Besonders in der EU wären Entscheider oft zu weit von der Praxis entfernt, so Schöffel. Als Beispiel nennt er die EU-Entwaldungsverordnung: „Wahnsinn!“ Zudem kritisiert er die oft übergenaue Umsetzung von EU-Verordnungen in Deutschland: „Wenn die EU 100 Prozent vorgibt, setzt Deutschland 150 Prozent um.“ Die Bayerische Staatsregierung prüfe aktuell rund 100 Maßnahmen zur Entbürokratisierung in Zusammenarbeit mit den IHKs und Verbänden.
Verwaltung und Wirtschaft: Gegenseitiges Lernen notwendig
Landtagsabgeordneter Kristan von Waldenfels, Mitglied der Entbürokratisierungs-Kommission im Landtag, fordert mehr Vertrauen der Verwaltung gegenüber Unternehmen. Zugleich könne der Staat viel von der Wirtschaft in Sachen „Prozessoptimierung“ lernen.
Professor Knill: „Wir brauchen bessere Regeln!“
Bürokratie sei grundsätzlich notwendig, um Rechtssicherheit zu gewährleisten, erklärt Prof. Christoph Knill von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Doch mittlerweile gebe es zu viele ineffiziente Regelungen.
„Betroffene müssen viel stärker eingebunden werden!“, fordert Knill. Zudem müsse die Verwaltung durch standardisierte Verfahren effizienter werden. Die Einführung des Normenkontrollrats 2006 sei ein wichtiger Schritt gewesen, allerdings verwalte dieser nur die Probleme, anstatt sie zu lösen.
Mittelstand leidet besonders unter Bürokratie
In der Podiumsdiskussion machte Waasner deutlich, dass besonders mittelständische Unternehmen unter dem Bürokratieaufwand leiden. „Wir können nicht für jede neue Verordnung einen Mitarbeiter einstellen.“
Junge Unternehmen sehen sich mit besonders großen Herausforderungen konfrontiert. Sebastian Leicht, Geschäftsführer des Start-ups Easy2cool, erklärt: „Ich musste feststellen, dass Bürokratie sehr aufwändig ist. Oft verstreicht zu viel Zeit für Genehmigungen, sodass Projekte am Ende obsolet sind.“
„Kein Beamtenbashing, sondern Vorgabenbashing!“
Regierungspräsident Florian Luderschmidt betont: „Beamte handeln im Rahmen der Gesetze. Wir müssen Bürokratie so gestalten, dass Vorgaben aufwandsarm umgesetzt werden können.“ Ein Beispiel für unnötige Bürokratie sei die Diskussion um die Wagner-Fußgängerampeln in Bayreuth.
Moderator Michael Ertel fasst zusammen: „Es geht nicht um Beamtenbashing, sondern um Vorgabenbashing.“
Vorschläge zur Entbürokratisierung: Mehr Tempo gefordert
Rund 350 Vorschläge zur Entbürokratisierung haben die bayerischen Landräte eingebracht. Der Kulmbacher Landrat Klaus Peter Söllner zeigt sich optimistisch, dass diese ernst genommen werden.
Michael Möschel, Vorsitzender des IHK-Ausschusses Verkehr und Mobilität, erinnert an die Zeit der coronabedingten Verwaltungsschließungen: „Ich habe den Eindruck, dass viele Verwaltungen immer noch geschlossen sind.“ Er fordert, dass Genehmigungen automatisch als erteilt gelten, wenn keine Entscheidung innerhalb einer festgelegten Frist getroffen wird.
Digitale Verwaltung noch nicht etabliert
Jens Korn, Bürgermeister von Wallenfels, weist darauf hin, dass digitale Verwaltungsprozesse noch nicht flächendeckend genutzt werden. „Von den letzten 50 Bauanträgen wurden gerade einmal drei digital eingereicht.“
Frank Lindner von der Töpfer Kulmbach GmbH kritisiert ebenfalls unnötige Genehmigungsprozesse: „Warum muss ein Unternehmen einen Bauantrag für ein Firmenlogo stellen?“
Fazit: Entbürokratisierung als gemeinsame Aufgabe
Das Bürokratieforum hat gezeigt: Wirtschaft, Politik und Verwaltung sind sich einig, dass der Bürokratieabbau beschleunigt werden muss. Digitale Prozesse und effizientere Regeln sind der Schlüssel, um Unternehmen zu entlasten und den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.