Zuletzt aktualisiert am

Coronavirus

Medikament gegen Long Covid in Erlangen entdeckt: Weltweit erster Patient von Corona-Spätfolgen geheilt

Durchbruch bei Long-Covid? In Erlangen haben Ärzte und Forscher weltweit die Spätfolgen von Corona geheilt. So geht es nun weiter.

„Weltweit erster Heilversuch eines Patienten mit Long-COVID-Syndrom an Erlanger Augenklinik erfolgreich durchgeführt.“ Diese Nachricht veröffentlichte die Uniklinik Erlangen in einer Pressemitteilung am Freitagabend (2. Juni 201).

Dank eines Medikaments, das ursprünglich zur Bekämpfung von Herzerkrankungen entwickelt wurde, ist es einem Ärzteteam der Augenklinik „im Rahmen eines individuellen Heilversuchs erstmals gelungen, dass ein 59-jähriger Mann mit Long-COVID-Syndrom beschwerdefrei wurde.“

Corona-Durchbruch? Erlanger Ärzteteam heilt ersten Long-Covid-Patienten

Ob der Wirkstoff BC 007 auch anderen Betroffenen hilft, soll nun bald in einer klinischen Studie überprüft werden. „Momentan können wir leider nicht mehr Menschen mit dem Medikament behandeln, da es noch nicht alle Zulassungsstudien durchlaufen hat“, sagt Prof. Dr. Christian Mardin, leitender Oberarzt der Augenklinik. Die Bilder der OCT-Angiografie zeigen demnach: Die Durchblutung der Netzhaut eines Patienten nach Corona-Infektion ist im Vergleich zu der eines Gesunden verringert.

Lesen Sie hier: In Bayreuth sind am Wochenende noch Tausende Impf-Termine zu vergeben.

Die Ärztinnen und Ärzte der Augenklinik sowie der Medizinischen Klinik 1 (Gastroenterologie, Pneumologie und Endokrinologie) und der Medizinischen Klinik 3 (Rheumatologie und Immunologie) des Uni-Klinikums Erlangen hatten im Rahmen der ReCOVer-Studie im Vorfeld bereits herausgefunden: „Wer eine COVID-19-Infektion hinter sich hat, bei dem ist die Durchblutung der Augen auch viele Monate später noch deutlich eingeschränkt. Hintergrundgedanke zu dem vorgenommenen Heilversuch war es, dass die veränderte Durchblutung sicherlich nicht auf das Auge begrenzt ist, sondern beispielhaft für den gesamten Körper gesehen werden kann“, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

Weltweit erster Patient von Long-Covid-Syndrom in Erlangen geheilt

Im Blut von ehemaligen Covid-Patienten fand das Ärzteteam gemeinsam mit einem langjährigen Kooperationspartner und ehemaligem Mitarbeiter des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in Berlin, Dr. Gerd Wallukat, Monate nach der Infektion bestimmte Eiweißstoffe. Mit diesen beschäftigen sie sich im Zusammenhang mit der Glaukom-Erkrankung (grüner Star) bereits seit Jahren: Autoantikörper gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren.

„Darunter ist zu verstehen, dass sich die per se gute Immunabwehr gegen den eigenen Körper richtet und Stoffe bildet, die schädlich sein können. Das bringt teils schwerwiegende Folgen mit sich“, erklärt Dr. Dr. Bettina Hohberger, Fachärztin der Erlanger Augenklinik.

Wenn der Körper vermehrt Autoantikörper bildet, greifen diese womöglich unterschiedliche Körperstrukturen an. Das Team fand bei Blutuntersuchungen heraus, dass Patienten nach einer Corona-Infektion mehrere dieser Eiweißstoffe aufweisen. „Wir kennen einen dieser Autoantikörper bereits von der Glaukom-Erkrankung und wissen von seiner schlechten Wirkung auf die Augendurchblutung“, erläutert Dr. Hohberger der Pressemitteilung zufolge weiter.

Long-Covid-Patient in Erlangen geheilt

Durch die langjährige Kooperation mit Dr. Wallukat hatte die Ophthalmologin in Erlangen (Ophthalmologie = Augenheilkunde) von einem Präparat erfahren, das diese schädlichen Autoantikörper bindet. Dadurch wäre es möglich, die Autoantikörper unschädlich zu machen und so möglicherweise die Durchblutungsstörungen zu verbessern. „Das Medikament wurde vor einigen Jahren speziell für Patienten mit einer schweren Herzerkrankung von Dr. Wallukat, seiner Kollegin Dr. Annekathrin Haberland und ehemaligen Herzchirurgen des Deutschen Herzzentrums Berlin in eine Zulassungsstudie gebracht“, heißt es.

„Ursprünglich wollte ich damit meinen Glaukom-Patienten helfen“, wird Dr. Hohberger zitiert. „Als wir dann die Ergebnisse sahen, die aus Kooperationsprojekten zu Long COVID entstanden sind, waren es wie viele kleine Puzzlestücke, die für uns zusammenpassten. Es war durchaus denkbar, dass sich auch die Long-COVID-Symptomatik dadurch bessern könnte.“

Ein langjähriger, an Glaukom erkrankter Patient des Erlanger Glaukomregisters berichtete schließlich nach überstandener Corona-Infektion von seinen Symptomen: Geschmacksverlust, Konzentrationsstörungen und Abgeschlagenheit. Diese würden ihn in seinem beruflichen und privaten Leben massiv einschränken. Das Team der Augenklinik wollte daraufhin Hilfe anbieten. Im Rahmen eines individuellen Heilversuchs mit dem Berliner Medikament BC 007 erhielt der Mann (59) das Präparat per Infusion. Er blieb drei Tage stationär am Uni-Klinikum Erlangen.

Corona-Erkrankung: Erlanger Ärzte heilen erstmals Corona-Spätfolgen

„Bereits innerhalb weniger Stunden zeigte sich eine Besserung. Bei seiner Entlassung fühlte sich unser Patient schon deutlich erholter als vor der Verabreichung und seine Autoantikörperwerte bestätigten diesen Eindruck“, so das Ärzteteam. Auch die Konzentrationsschwierigkeiten verschwanden, die Leistungsfähigkeit des Mannes stieg wieder an und der Geschmackssinn kehrte ebenfalls zurück. „Insgesamt hat sich die Durchblutung der Kapillaren, die wir am Auge messen können, deutlich verbessert.“ Das Team der Erlanger Augenklinik geht deshalb davon aus, dass die Long-Covid-Beschwerden des Mannes dank der verbesserten Durchblutung verschwunden sind.

Weiter heißt es: „In Zusammenarbeit mit der Intensivstation der Medizin 1, auf der seit dem Frühjahr 2020 auch Corona-Patienten behandelt werden, und der Medizin 3 untersuchte das Forschungsteam der Augenklinik die Durchblutung der kleinsten Gefäße, der Kapillaren, bei COVID-19-Patienten. Den Blutfluss machten sie mithilfe einer innovativen, schmerzfreien und nicht-invasiven Methode sichtbar: der OCT-Angiografie (optische Kohärenzangiografie). Nur im Auge und am Nagelfalz – dem Übergang zwischen Nagelbett und Finger – ist es möglich, den Blutfluss sichtbar zu machen, ohne beispielsweise Kontrastmittel zu injizieren.

Bei der klinischen Studie können die Augenärztinnen und -ärzte des Uni-Klinikums Erlangen diese Untersuchungsmethode seit 2020 gezielt Patientinnen und Patienten nach ihrer COVID-19-Infektion anbieten. Erste Auswertungen zeigen: Noch Monate nach der Erkrankung ist die Durchblutung innerhalb der Netzhaut deutlich eingeschränkt, auch wenn Betroffene keine Sehbeschwerden haben. Die klinische Studie mit Patienten nach einer COVID-19-Infektion wird weiterhin fortgeführt. Gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Erlanger Max-Planck-Zentrums für Physik und Medizin und dem Team um Dr. Wallukat werden nun gezielt Mechanismen untersucht, die zu der eingeschränkten Durchblutung führen können und den Wirkmechanismus des erfolgreichen Heilversuches erklären können.“ (kam)

Bayreuther Tagblatt - Redaktion

 Redaktion