Zuletzt aktualisiert am

Organspende

Warum sollte mein lebendes Organ im Sarg verrotten – ein Kommentar zum gescheiterten Gesetz

Organspenden müssen in Deutschland weiterhin ausdrücklich zugestimmt werden. Das hat der Bundestag heute (16. Januar 2020) entschieden. Ein Kommentar von Christoph Wiedemann.

Organspenden müssen in Deutschland weiterhin ausdrücklich zugestimmt werden. Das hat der Bundestag heute (16. Januar 2020) entschieden. Im Bundestag wurde am Donnerstag der Vorschlag einer Abgeordnetengruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abgelehnt. Sie wollten, dass künftig jeder automatisch seine Organe spendet, außer man widerspricht.

Politik stimmt gegen neues Organspendegesetz

Dieser Gesetzentwurf wurde im Bundestag allerdings abgelehnt: 379 Abgeordnete stimmten dagegen, 292 Parlamentarier unterstützten das neue Gesetz und drei enthielten sich. Es bleibt demnach, wie es ist: Wer seine Organe spenden möchte, muss sich darum kümmern und einer Organspende zustimmen.

Ein neuer Gesetzesvorschlag der Grünen soll nun bewirken, dass Menschen häufiger auf die Organspende aufmerksam gemacht werden. Im Raum stehen alle zehn Jahre, wenn der Personalausweis erneut wird, oder alle zwei Jahre vom Hausarzt.

Organspende muss den Menschen aufgedrängt werden – ein Kommentar

Das Scheitern des Gesetzentwurfes ist ein weiterer Rückschlag für alle Menschen, die auf eine lebensrettende Organspende warten. Etwa 9.500 Menschen stehen aktuell auf der Organspendeliste. Sie brauchen einen Spender, um selbst leben zu können. Doch die Spender fehlen in Deutschland. Im Jahr 2018 sind 901 Menschen auf der Warteliste gestorben. Deutschland ist das europäische Land mit der längsten Warteliste.

Und warum? Weil man in Deutschland selbst tätig werden muss, um Organspender zu werden. Ich selbst habe keinen Ausweis, habe allerdings auch nichts dagegen, dass nach meinem Tod meine Organe einem anderen Menschen das Leben retten. Was fehlt, ist die Bereitschaft mich um einen Ausweis zu kümmern. Zu aufwendig, zu bürokratisch und ich denke nunmal nicht stündlich daran, was nach meinem Tod geschieht.

Bürokratie runter, Aufmerksamkeit rauf

Die Lösung, die heute im Bundestag abgelehnt wurde, wäre deshalb eine immense Hilfe für die Organspende. Es wäre keine Pflicht zu spenden, sondern eine Pflicht sich gegen das Spenden zu entscheiden. Außerdem bleibt zu erwähnen, dass sämtliche Umfragen für diese Widerspruchsregelung waren. Bei einer Umfrage des ZDF stimmten 61 der Menschen für diese Regelung, bei einer Umfrage der Organspende-Organisation seien sogar 84 Prozent positiv zum Spenden eingestellt – nur die Vertreter des Volkes sehen das offensichtlich anders.

Was bleibt nun also übrig? Ein neuer Vorschlag, um Organspende beim Arzt oder neuen Ausweis anzusprechen. Was allerdings dringend geändert werden sollte, sind die bürokratischen Hürden. Wieso sollten Ärzte nicht fragen dürfen, ob Organe gespendet werden sollen? In der Patientenakte würde ein Haken gesetzt werden – fertig.

Warum sollte mein lebendes Organ im Sarg verrotten?

Simpel, einfach und schnell. Es würde viele Möglichkeiten geben, Organspende in den Fokus zu rücken. Und der Fokus Gesundheit liegt nunmal bei Arzt- oder Krankenhausbesuchen an vorderster Stelle. Also sollte auch dort über Organspenden zusätzlich entschieden werden dürfen.

Denn letztlich bestimmt jeder Menschen selbst über seinen Körper. Ich vertrete die Auffassung: Was soll ich tot mit lebensfähigen Organen anstellen? Mir bringt eine gesunde Niere nichts, wenn ich in einem Sarg verrotte. Dafür könnte ich nach meinem Tod einem anderen Menschen das Leben schenken. Und da ich mich gerade mit dem Thema befasst habe, habe ich mir einen Organspendeausweis zukommen lassen. 

Bayreuther Tagblatt - Christoph Wiedemann

 bt-Redakteur Online/Multimedia
Christoph Wiedemann