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Historisch
Nasentag, Bayreuth Awaaf und Homo Dabiens: Die Geschichte des Bayreuther Faschings
Wegen der Corona-Pandemie fällt Fasching im Jahr 2021 aus. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt am eigentlichen Faschingsdienstag auf die Geschichte des Bayreuther Faschings zurück.
Bayreuth und Fasching: Ein Blick zurück auf die Geschichte. bt-Kolumnist Stephan Müller hat sich auch an den Jahrhundert-Winter in Bayreuth erinnert. Damals gab es Fasching bei minus 20 Grad und schneeschippende Beamte.
Erster Bayreuther Faschingsumzug
Einen Zeitraum zwischen 74 und 79 Jahren benötigt der Halley’sche Komet, bis er immer mal wieder gut sichtbar an der Erde vorbeikommt. Im Jahr 1910 war es mal wieder soweit. Grund genug für die damaligen Macher des Fremdenverkehrsvereins, ihren ersten Bayreuther Faschingszug unter dieses Motto zu stellen.
Auf einem roten Werbeplakat stand in Anspielung auf das Auftauchen des Halley’schen Kometen zu lesen, dass “wegen bevorstehenden Weltuntergangs am 8. Februar 1910 der unwiderruflich letzte Maskenzug” in Bayreuth ansteht.
Bei so einer Drohung ging an diesem Faschingsdienstag natürlich jeder hin. Genau 40 Wägen und Gruppen waren beteiligt und es wird berichtet, dass sogar Sonderzüge eingesetzt wurden, damit auch Besucher aus dem Umland anreisen können.
In der Chronik des Fremdenverkehrsvereins ist zu lesen, dass dieser Faschingszug, in dem wenige Monate vor seinem Tod auch der legendäre Bayreuther Original Kaul-Hanni als “General Bumbum” mitfährt, gespickt mit Persiflagen auf das Lokalgeschehen ist.
Ziemlich respektlos wurde das Stadtregiment gehörig auf die Schippe genommen, angefangen beim ständig im Landtag sitzenden Stadtoberhaupt Leopold von Casselmann, der als “Dr. Quasselmann” verunglimpft wird, bis zu den Magistratsherren, die wegen ihres kommunalpolitischen Sünderregisters auf einem Wagen als Schafsköpfe dargestellt sind.
Der Bayreuther Nasentag
Der erst 1908 gegründete, noch junge Fremdenverkehrsverein sprühte vor Ideen. Nach dem großen Erfolg des Faschingszuges soll ein Jahr später der “1. Bayreuther Nasentag” zum Höhepunkt des Faschings werden. Keinesfalls soll das “Gwaaf” entstehen, dass in “Bareith nix los sei.”
Der Nasentag wird im großen Stil inszeniert: Die Veranstalter lassen eine “Nasenhymne” komponieren, lassen eine “Nasentag-Festkarte” drucken, es werden “Nasen in allen Dimensionen” für 20 Pfennig das Stück verkauft und es wird eine eigene kommunale Nasenordnung mit vielen Statuten in Kraft gesetzt.
Eine eiligst aufgestellte Nasenpolizei überwachte, dass jeder Bayreuther entweder von Haus auf einen großen “Zinken” hat, oder eine mächtige Pappnase auf dem echten Riechorgan hat. Der “Nasentag” wurde zum Flop. Die Verantwortlichen hatten vom “Nasentag” der damit nur ein einziges Mal in der Bayreuther Geschichte stattfand, “die Nase voll” und organisierten 1912 lieber wieder einen Faschingszug.
Bayreuth Awaaf
Nach den beiden Kriegen kamen die Bayreuther Narren erst Anfang der 50er-Jahre wieder so richtig in Schwung. Es waren 44 “Wahl-Bayreuther”, die im legendären Tanzcafé „Metropol“ bei einem “Kappenabend” den „Rheinländerverein“ gründeten. Am 11. November 1949 gaben die “Rheinländer” ihre erste „Fastnachtsdämmerung“ und der Ruf „Bayreuth Awaaf“ entstand. Im Jahr 1954 präsentierten die “Rheinländer” ihr erstes Faschingsprinzenpaar und 1956 erfolgte die Umbenennung zur „1. Große Karnevalsgesellschaft Rot-Weiß“.
Streng genommen war die 1. Große Karnevalgesellschaft schon die Zweite, denn es gab schon einmal mit dem “Bayreuther Carnevalsverein” von 1865 organisierte Narren, die am Faschingssonntag, den 11. Februar 1866, einen Faschingsumzug durchführten. Auf einem Wagen, der eine Eisenbahn darstellte, soll schon damals der Schriftzug „Schnecke“ geprangt haben. Eine Anspielung darauf, dass die Bayerische Eisenbahngesellschaft, ein noch heute existierendes Problem verursacht hat. Bayreuth wurde bei der Schienenverlegung “links liegengelassen”.
Festumzug mit 1.500 Metern
Doch zurück zu den 50er-Jahren: Das Tagblatt berichtet vom Faschingszug am 15. Februar 1953, “der eine Länge von über einem halben Kilometer aufweist”. Ebenfalls “lebhaften Anteil” fand der von der gerade gegründeten 1. Karnevalsgesellschaft veranstaltete Faschingszug am 3. März 1957, der “von Tausenden von Schaulustigen umsäumt” wurde. Dem Prinzenpaar Hildegard I. und Hans-Jürgen I. schon “50 prächtige Festwagen” und 1958 hatte der Festzug bei 60 Wagen schon eine Länge von 1.500 Metern.
Schwarz-Weiß wird gegründet
Am 12. Dezember 1958 wurde im Bayerischen Hof von rund 50 Narren die „Bayreuther Faschingsgesellschaft Schwarz-Weiß e.V.“ gegründet. Sie 1958 wechseln sich die Rot-Weißen mit der Faschingsgesellschaft Schwarz-Weiß bei der Kürung der „Tollitäten“ ab.
Mit einem Schmunzeln stellt man heute jedoch fest, dass der Faschingszug in den 50er- und 60er-Jahren irgendwie von Mal zu Mal Jahr imposanter wurde. Entweder war er 500 Meter länger oder es waren zehn Wägen mehr oder die Zahl der Schaulustigen stieg in “Zehntausender-Schritten”. Der Sprung von 60 Gruppen und 40.000 Besucher (1959) auf 70 Wägen und 50.000 Zuschauer (1960) war bei einer Einwohnerzahl von 61.000 schon sehr gewaltig.
Im Jahr 1962 fiel der Faschingszug aus. “In Anbetracht der durch die Bergwerkskatastrophe in Völklingen und die Überschwemmungen in Norddeutschland entstandenen ernsten Situation beschließt der Festausschuss des Bayreuther Faschings, den Faschingszug 1962 ausfallen zu lassen und startet den Aufruf: „Statt Faschingszug ein Spendenkonto”.
Emotional behinderte Oberfranken
Wie es 1967 zu der Feststellung in der Presse kam, dass diese Faschingssession den “Bayreuthern den langweiligsten Fasching seit Narren-Gedenken” bescherte, wollen wir gar nicht wissen. Und erst recht nicht, wie es zur der Schlagzeile kam, dass es die Faschingsprinzessin war, die “für die einzige Aufregung” des Faschings sorgte.
“Ihre Lieblichkeit” lief nach einer langen Galasitzung auf und davon lief. Sie würde auch ohne Fasching groß und berühmt werden, prophezeite sie damals. “Eine Drohung”, so hieß es im Jahresrückblick, “die sie übrigens bis heute nicht verwirklicht hat!”
Auch der Faschingszug fiel 1967 ins Wasser, übrigens für viele Jahre. Es folgte eine traurige Zeit: Der Bayreuther machte seinen Ruf als „Homo Daabiens“, dem daaben Menschen alle Ehre und es bestätigte sich die uralte Erkenntnis, dass aus “emotional behinderten Oberfranken keine “rheinischen Jecken” zu machen sind.
“Heiße Nacht am kühlen Tappert”
Für die Lichtblicke in den 70er und 80er-Jahren sorgte die sehr rührige Faschingsgesellschaft “Schwarz Weiß” und die Bürgerressource mit ihrem stets ausverkauften Rosenmontagsball in der Stadthalle. Mit dem immer wiederkehrenden Motto: “Heiße Nacht am kühlen Tappert”.
Fasching mit Prominenz in der Kaserne
Ein großer Erfolg war auch der jährliche “Bundeswehr-Fasching” mit zahlreichen prominenten Sportlern, der vom “Kantinen-Wirt” Otto Krug durchgeführt wurde. Dabei gaben sich die Basketball-Nationalspieler Armin Sowa und Georg Kämpf, die Bundesliga-Fußballer Jörg Dittwar und Heinz Schneider oder die Eishockeyspieler wie Helmut Bauer, Anton Doll oder Walter Deisenberger gaben sich in der Kaserne die Ehre.
Ein Wagen – 10.000 Zuschauer
Erst 1989 nahmen die Bayreuther Narren ihren Faschingszug wieder in Angriff. In der Chronik der Stadt heißt es, dass es “nach langjähriger Abstinenz” wieder einen Faschingszug in Bayreuth gab, wenn auch “nur mit einem Wagen von der Schinner-Brauerei bis auf den Marktplatz.” Diesen einen Wagen sollen rund 10.000 Menschen bewundert haben.
Und so ist seit 30 Jahren der Umzug am Faschingssonntag der Höhepunkt des Bayreuther Faschings, der inzwischen vom Volksfestplatz über die Richard-Wagner-Straße bis zum Markt führt.
Im Jahr 2006 traten die “Bayreuther Mohrenwäscher” als neue Faschingsgesellschaft auf und mit Gründung der “Bayreuther Hexen” gab es sogar vier Faschingsgesellschaften. Das war dann ganz offensichtlich zu viel für das Städtchen, denn im Jahr 2016 gaben die “Rot-Weißen”, die nur noch 30 Mitglieder und keine Garde mehr hatten, 67 Jahre nach ihrer Gründung auf.
Der Faschingszug wird also vom jeweiligen Faschingsprinzenpaar und den Elferräten und Funktionären der drei Bayreuther Faschingsgesellschaften “Schwarz-Weiß”, “Mohrenwäscher” und “Hexen” angeführt.
Stephan Müller
Stephan Müller (54) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.