Zuletzt aktualisiert am
1. April
“Wie ein Narr zum 1. April” – Bayreuther Geschichte und Geschichten zum Aprilscherz
bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück auf die schönsten Aprilscherze der Bayreuther Geschichte.
Ein bisschen ist er schon aus der Mode gekommen, der “Aprilscherz”. Seit vielen Jahrhunderten werden den Mitmenschen am 1. April erfundene Geschichten in möglichst glaubwürdiger Form untergejubelt. Beim Blättern in alten Zeitungen gewinnt sich der Eindruck, dass der Aprilscherz zwischen den 50er und 60er Jahren so etwas wie Hochkonjunktur hatte. Da warnten die Zeitungen vor dem “Dihydrogen-Monoxid”, was nichts anderes als Wasser (H2O) ist, es wurde gemeldet, dass die bundesdeutsche Flagge auf einem Antarktis-Archipel gehisst wurde, worauf die “DDR” der “BRD” ein „expansionistische Streben“ vorwarf, und mit einer Fotomontage wurde untermauert, dass im britischen Sektor von West-Berlin der “Linksverkehr” eingeführt werden sollte.
Entfettung mit den Beatles
Auch das “Bayreuther Tagblatt” und die “Fränkische Presse” waren in dieser Zeit sehr erfinderisch. Über eine Nachricht, dass die “Backstreet Boys” oder “Take That” bei den Bayreuther Festspielen singen würden, würde die Gemeinde heute natürlich nur milde lächeln. Am 1. April 1965 war Bayreuth allerdings in heller Aufregung, als Wieland Wagner, der sich weltweit als innovativer “Bühnenrevolutionär” einen Namen gemacht hatte, mit den “Beatles” abgebildet war. Der “Wagner-Enkel”, so hieß es, hat die “Beatles” für die Bayreuther Festspiele 1966 im kommenden Jahr verpflichtet. Die “Pilzköpfe” sollen die Partien der vier brabantischen Edlen im “Lohengrin” singen und später gerne mehr. Dazu wird der Festspielchef von den Scherzbolden in der Kulturredaktion zitiert: “Ich verspreche mir von diesen frischen jungen Stimmen im Verlauf der nächsten Jahre – wenn ich sie in den Hauptpartien einsetzen kann – die angestrebte Entfettung des heute nicht mehr zeitgemäßen Wagnerklanges.”
Bayreuther Aprilscherze
Die Bevölkerung fiel auch immer wieder auf die Scherze der Redakteure herein. Am 1. April 1953 fanden sich 45 Bayreuther im Evangelischen Gemeindehaus zur Bayreuther Fernsehpremiere ein. Vergeblich warteten sie auf den verantwortliche Ingenieur Dr. Rilpa, aus dessen fünf Buchstaben man unschwer den Monat April herausfiltern konnte.
Ebenfalls gezählte 45 Männer fanden sich 1968 im Kleinen Haus der Stadthalle ein. Dort sollte eine “Striptease-Probevorführung” stattfinden, quasi als Testlauf, weil Oberbürgermeister Hans Walter Wild mit einem Striptease-Lokal auf dem “Ring”-Hochhaus liebäugelte. Neben dem “Ring”-Hochhaus sollte am 1. April 1966 Bayreuths erster “Wolkenkratzer” entstehen. Statt den angekündigten 22 Stockwerken entstand an dieser Stelle viele Jahre später die sechs Stockwerke des “Uni-Apart-Gebäudes” mit seinen Studentenwohnungen.
Zeitungsenten
Die Jean-Paul-Gesellschaft regte sich über die Ankündigung im Jahr 1968 auf, als der “Jean-Paul-Pavillon” im Hagengut in Moritzhöfen zur öffentlichen Bedürfnisanstalt werden sollte. Am 1. April 1955 wurde wegen dem zunehmenden Verkehr der erste Spatenstich für eine Untertunnelung des Sternplatzes angekündigt, ehe 1959 Oberbürgermeister Hans Walter Wild mit dem “persönlichen Zebrastreifen” eine günstigere in die Diskussion brachte. Den könne man mitführen und bei Bedarf quasi auf der Straße entrollen. In den 70er Jahren stellte die Bundesbahn die Eisenbahnstrecke nach Thurnau ein. Die “Zeitungsente”, dass daraufhin eine “Bayreuther Ringbahn” eingerichtet werden soll, hatte sogar Charme, wenngleich nun 50 Jahre später die alte Trasse ein wunderbare Fahrradverbindung darstellt.
Zwei Scherze wurden tatsächlich verwirklicht
Schön finden wir es, dass zwei “April-Ankündigungen” inzwischen tatsächlich umgesetzt wurden. Das Bayreuther Tagblatt berichtete am 1. April 1928, dass ein Professor Dr. R. Einfall (!) das Gelände am Röhrensee in einen Tiergarten umwidmen wird. Zur Eröffnung wurden zwei Seehunde und eine “ungefährliche indische Krokodilart” angekündigt. Der See, der am 1. April 1957 durch das Anstauen des Roten Mains entstehen sollte, wurde fast sechs Jahrzehnte später Wirklichkeit. Seit der Landesgartenschau schmückt die “Wilhelminenaue” tatsächlich ein kleiner Stausee.
Die Markgräfin “lacht sich tot”
Den Brauch, seine Mitmenschen an diesem Tag “in den April zu schicken”, also sie mit einer erfundenen Geschichte hereinzulegen oder sich über sie lustig zu machen, ist schon einige Jahrhunderte alt. Dies beweisen zwei interessante Dokumente aus der Bayreuther Geschichte: So schreibt die Markgräfin Wilhelmine am 2. April 1754 an ihren Bruder Friedrich den Großen, dass sie “gestern die ganze Stadt in den April geschickt” habe. “Ich habe ein Trauerspiel im Geschmack des Potpourris verfassen lassen, die Voltaire so pathetisch vortrug. Man hat Verse aus verschiedenen Tragödien entnommen. Ich ließ mir dies schöne Stück nach der Theateraufführung in meinem Zimmer vorspielen; es war zum Totlachen. Das Schönste bei der Sache ist, dass viele darauf hereingefallen sind…”. Auch wenn sich aus diesen Zeilen nicht so ganz schlüssig wieder spiegelt, warum sich die Markgräfin “totgelacht” hat, nehmen wir an, dass es der Bruder schon begriffen hat…
Von Pontius zu Pilatus
Im Jahr 1644, also über einhundert Jahre vorher, finden wir einen Hinweis auf den damals schon bekannten Aprilscherz. Der Kulmbacher Baumeister Abraham Schade hat als Schüler des berühmten Michael Mebart, am “Canzlejbau zu Bayreut” gearbeitet und wurde nicht bezahlt. In einem Brief vom 18. März 1644 prangert er die säumigen Zahlung an: “In mittelst ist der Obereinnehmer gen Bayreut geritten, und uff dato nicht wieder kommen. So weiß ich auch nicht, wie es nun weiter damit hergehen wirdt. Also ist mit mir seither die Passion gespielet, und bin von einem zum andern (wie ein Narr zum 1. Aprili) umgeschickt worden…
Wie “ein Narr” sei er also von einem zum andren geschickt worden. “Von Pontius zu Pilatus” also. Das spottvolle Hin- und Herschicken Christi wird als möglicher Ursprung des “April-Scherzes” gesehen. Judas Ischariot soll nämlich entweder an einem 1. April geboren worden sein oder sich per Strick das Leben genommen haben. So gesehen wäre der 1. April ein Unglückstag. Dies ist aber nur eine These. Andere Historiker sehen die Erklärung im Münzwesen, das auf dem Augsburger Reichstag von 1530 geregelt werden sollte. Als es nicht dazu kam, wurde für den 1. April ein besonderer Münztag ausgeschrieben. Als auch dieser abgesagt wurde, verloren viele Spekulanten ihr Geld und wurden so zum Gespött ihrer Mitmenschen.
Statt Rendezvous die Gemahlin
In Frankreich erzählt man sich, dass eine sechzehnjährige Unbekannte ihrem König Heinrich IV. schriftlich ein Rendezvous am 1. April angeboten hat. Als Heinrich zum Treffpunkt kam, habe ihn überraschend seine Gemahlin Maria von Medici und der versammelte Hofstaat begrüßt. Man habe sich untertänigst dafür bedankt, dass er der Einladung zum “Narrenball” gefolgt sei. Möglich wäre auch eine Überlieferung aus dem alten Rom. Die Römer sollen am 1. April ein Narrenfest gefeiert haben.
Leider ist kein Aprilscherz von Richard Wagner bekannt. Zumindest beweisen aber zwei Einträge von seiner Frau Cosima, dass den Wagners der Aprilscherz zumindest geläufig war. Cosima notiert am 1. April 1878: “R. hatte eine gute Nacht. Er arbeitet. Allerlei Aprilnarrheit bei Tisch mit den Kindern, was Richard freut.” Am 1. April 1880 schreibt Cosima: “Jubelnd begrüße ich den 1. April… R. scherzt mit den Kindern.”
Die Sache mit den Bratwürsten
Wann sind Sie das letzte Mal in den April geschickt worden. Ich weiß es ganz genau. “Neeein!” habe ich geschrien und gemerkt, dass es schon zu spät war. Der Mann im Bratwurst-Ständla in der Richard-Wagner-Straße hatte die rote Plastikflasche schon zusammengedrückt und aufgezogen. Ketchup geht gar nicht. Auf Bareider Brodwerschd gehört Sempft. Zu spät! Es wird nur noch wenige Millisekunden dauern, bis sich die zähe Flüssigkeit aus dieser roten Flasche über seine Bratwürste ergießen wird. “Pfrrrrt”, macht es. Ich schaue … und sehe, wie sich gelber Senf auf meinen Bratwürsten ausbreitet. “April, April” freut sich der Mann im Ständla und grinst: “So schee hot sich heit noch kaaner aufgreecht!” Der Aprilscherz ist gelungen. “Morgen ist der Senf wieder in der gelben Flasche!”
Stephan Müller
Stephan Müller (55) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.