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bt-Immobilien-Kolumne
Normaler Menschenverstand erspart den Gang zum Gericht.
Unser Bundesgerichtshof hat wieder einmal ein richtungsweisendes Urteil gesprochen, das ich Ihnen nicht vor-enthalten will.
Es gibt immer wieder Streit darüber, dass ein Nachbar seiner Pflicht nicht nachkommt, den Baumrückschnitt von herüberragenden Ästen, die in das Nachbargrundstück hineinragen, vorzunehmen.
Hier das Urteil in einem Satz:
Es besteht ein Anspruch auf Baumrückschnitt bei einer Grundstücksbeeinträchtigung durch Laub-, Nadel- oder Zapfenfall von herüberragenden Ästen eines Nachbarbaums.
Hier die detaillierte Erklärung des Sachverhalts in wenigen Sätzen:
Ragen die Äste eines Baums in das Nachbargrundstück hinüber und kommt es dadurch zu einer Grundstücksbeeinträchtigung wegen Laub-, Nadel- oder Zapfenfalls, so steht dem Eigentümer des Nachbargrundstücks gemäß §§ 1004 Abs. 1, § 910 BGB ein Anspruch auf Rückschnitt des Baums zu. Auf die Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung durch den Laubbefall gemäß § 906 BGB kommt es nicht an.
Nachstehend der Sachverhalt des Urteils vom 14.06.2019 (V ZR 102/18):
Auf dem Grundstück stand nahe der Grundstücksgrenze ein Kiefernbaum, deren Äste auf das Nachbargrundstück hinüberragten. Dadurch fielen Nadeln und Zapfen auf die dort gelegene Grundstückseinfahrt. Die Eigentümerin des Nachbargrundstücks klagte gegen den Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Kiefer stand, auf Rückschnitt der Äste.
Das Amtsgericht und Landgericht wiesen die Klage ab.
Der Bundesgerichtshof hingegen bejaht den Anspruch auf Baumrückschnitt:
Der Klägerin stehe der Anspruch auf Rückschnitt zu. Es komme allein darauf an, ob die Grundstücksnutzung objektiv beeinträchtigt werde. Dies könne auch durch eine mittelbare Beeinträchtigung durch das Abfallen von Laub, Nadeln und Zapfen geschehen.
Auf die Ortsüblichkeit des Laub-, Nadel- oder Zapfenfalls komme es nach Auffassung des BGH nicht an, Dies sei für die Frage, ob der Überhang geduldet werden muss, unerheblich.
Dass für Laub und Nadeln, die von herüberragenden Zweigen abfallen, ein strengerer Maßstab gilt als für Laub- und Nadelfall, der von einem auf dem Nachbargrundstück stehenden Baum ausgeht, findet aus der Sicht der Bundesrichter seine Rechtfertigung darin, dass der Nachbar die Äste über die Grundstücksgrenze herauswachsen lässt.
Was lernen wir aus diesem Urteil:
Solange die Kommunikation zwischen den Nachbarn funktioniert ist alles gut.
Sollten die Grundstückseigentümer nicht wissen, was sich gehört, um den Nachbarn nicht zu beeinträchtigen, dann kann fast jeder Sachverhalt, der zum Streit führt, bis zum obersten Gericht in Deutschland kommen. Schade, dass sich Gerichte mit solchen Dingen beschäftigen müssen, was für einen normalen Menschenverstand selbstverständlich ist.
Und so wird Justizia manchmal geradezu von Streithansln belästigt. Vor kurzem war ich als Zeuge ins örtliche Amtsgericht geladen, um darüber auszusagen, weil eine Fläche im Garten von ca. 1,5 m2 bei der Rückgabe einer Mietsache nicht mehr mit grünem Rasen versehen war. Dort war ein aufblasbarer kleiner Swimmingpool für die Kinder gestanden. Der arme Richter, der so seine Zeit verschwenden muss. Er hat sicherlich Wichtigeres zu tun, als über solche Lappalien zu entscheiden.
Zum Autor
Hans Werner Gloßner ist fränkischer Immobilien-Makler und gibt in seiner Kolumne viele Tipps zu den Themen Wohnen, Immobilien und mehr.