Wussten Sie das? – 10 Fakten über Parsifal
Am 13. Januar 1882 vollendete Richard Wagner, dessen Name 13 Buchstaben enthält und der im Jahr 1813 geboren wurde, dessen Quersumme wiederum 13 ergibt, exakt 13 Monate vor seinem Tod am 13. Februar 1883 mit dem Parsifal sein 13. und letztes Bühnenwerk… – Mysteriös wie so manches im Umkreis von Wagners „Weltabschiedswerk“, wie er es selber nannte.
Am 26. Juli 1882 wurde das „Bühnenweihfestspiel“ im Bayreuther Festspielhaus uraufgeführt. 6 Jahre lang hatte das Festspielhaus zuvor geschlossen bleiben müssen, nachdem die Uraufführung des Ring des Nibelungen 1876 ein finanzielles Desaster gewesen war und der gesamte Kostüm- und Dekorationsfundus hatte verkauft werden müssen. Der Parsifal ist das meistgespielte Bayreuther Werk. Die Premiere der diesjährigen Neuproduktion am 25. Juli ist bereits die 544. Vorstellung seit der Uraufführung.
Für den menschenscheuen königlichen Gönner und Mäzen Ludwig II. von Bayern war für die Vorfahrt und den Zugang 1882 extra der zentrale „Königsbau“ vor der Fassade des Festspielhauses errichtet worden, auf dessen Dachbalkon sich heute bei den Vorstellungen die Fanfarenbläser zu Ankündigung des Beginns der einzelnen Akte versammeln. Allerdings wurde der „Königsbau“ vom König nie genutzt, denn er kam nicht zu den Festspielen.
Bereits 1857 in Zürich beschäftigte Wagner sich mit dem mittelalterlichen „Parzival“-Stoff. Er hatte gerade Tristan und Isolde begonnen und plante, den gralssuchenden Parzival am Siechbett Tristans erscheinen zu lassen, bevor dann ein eigenständiger Opernstoff daraus wurde. Wagner behauptete in seiner Autobiographie Mein Leben, den Einfall hierzu ausgerechnet am Karfreitag gehabt zu haben, was er jedoch später selbst als eine seiner zahlreichen und wirkungsträchtigen Inspirationslegenden entlarvte. Die Änderung der Schreibweise des Namens in „Parsifal“ nahm Wagner vor, weil er irrtümlich glaubte, das Anagramm „Fal Parsi“ würde auf Arabisch „reiner Tor“ bedeuten und so den Charakter der Figur beschreiben. Seitdem liest man immer wieder alle möglichen Varianten: „Parzifal“, „Parsival“, wogegen der Enkel Wolfgang Wagner mit seinem legendären oberfränkischen Dialekt stets „Basiwall“ sagte.
Wagner wollte, dass Parsifal ausschließlich in Bayreuth gespielt werden dürfe. Daran hielt sich jedoch nach Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist, damals nur 30 statt wie heute 70 Jahre nach dem Tod des Autors, niemand mehr – trotz einer dann jedoch vergeblichen Eingabe Cosima Wagners beim Reichstag. Aber der sakrale Charakter von Wagners letztem Werk umgab es stets mit einer besonderen Aura von Heiligkeit. Bis heute hat sich teilweise der Brauch gehalten, nach dem 1. Aufzug nicht zu applaudieren. Wagner selbst indessen spendete insbesondere seinem Blumenmädchen Carrie Pringle lauten Beifall – und wurde daraufhin von den „Wagnerianern“ ausgezischt… . Noch an seinem Todestag gab es wegen eines angekündigten Besuchs der ihm ausnehmend gut gefallenden Sopranistin in Venedig einen Ehekrach mit Cosima.
Aber wie schon nach dem Ring 6 Jahre zuvor war Wagner von der Kluft zwischen idealem Wunschbild und der banalen Wirklichkeit des Theaters enttäuscht. „Nachdem ich das unsichtbare Orchester erfunden habe, möchte ich noch das unsichtbare Theater erfinden“, sagte er zu Cosima und dachte daran, nur noch Symphonien zu schreiben.
Trotzdem wurde die Inszenierung in Bayreuth zur Ikone und 50 Jahre lang weitgehend in den originalen Dekorationen gespielt, „auf denen noch das Auge des Meisters geruht hat“, wie es die besonders fanatischen „Wagnerianer“ formulierten. Erst 1934 wurde endlich auch der als heilig geltende Gralstempel erneuert. Man stelle sich vor, Wagner hätte seine Idee realisiert, dass die Kundry des 2. Aufzugs eigentlich „wie eine tizianische Venus nackt daliegen“ müsse…
Für die Verwandlung des Gralswaldes in den Tempel war eine spezielle Wandeldekoration entworfen worden. Die Verwandlung dauerte jedoch länger als die Verwandlungsmusik. Auf die Bitte, einige Takte einzufügen, reagierte Wagner erbost: „Soll ich jetzt etwa meterweise komponieren“, und überlies dies seinem Assistenten Engelbert Humperdinck.
Bei der letzten Vorstellung am 29. August 1882 kam Richard Wagner während der Verwandlungsmusik im 3. Aufzug in den Orchestergraben, übernahm die Leitung vom Dirigenten Hermann Levi und dirigierte das Werk unbemerkt vom Publikum selbst zu Ende. Es war das erste und einzige Mal, dass Wagner in seinem Festspielhaus zum Taktstock griff.
Als Hans Knappertsbusch das Werk bei den ersten Festspielen nach dem Zweiten Weltkrieg 1951 dirigierte, war er verwundert über Wieland Wagners abstraktes, extrem reduziertes Bühnenbild und dachte, die Dekorationen würden wohl schon noch kommen. Als ihm jedoch klar wurde, dass Wieland Wagner selbst auf die herabschwebende Taube am Ende verzichten wollte, kam es fast zum Bruch. Wieland Wagner ließ die Taube daraufhin doch vom Schnürboden herab, jedoch nur so weit, dass Knappertsbusch im Orchestergraben sie sehen konnte, während sie tatsächlich aber hinter dem Portal blieb. Beim anschließenden Bankett gab Knappertsbusch seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass er sich durchgesetzt habe. Seine Frau, die immerhin in der 1. Reihe gesessen hatte, erwiderte jedoch, dass sie die Taube nicht gesehen habe, woraufhin sie sich vom „Kna“ in dessen gewohnt ruppiger Art die Zurechtweisung einhandelte: „Ihr Weiber seht ja auch nie was…!“ – Ein frühes Beispiel für „Augmented Reality“ im Festspielhaus…
zum Autor
Dr. Sven Friedrich
ist Theater-, Literatur- und Kommunikationswissenschaftler. Seit 1993 leitet er in Bayreuth das Richard Wagner Museum mit Nationalarchiv und Forschungsstätte der Richard-Wagner-Stiftung, das Franz-Liszt- und das Jean-Paul-Museum.