Notizen aus Italien
Bella Ciao
von Peter Knobloch
Es ist kein leichtes Dasein auf dieser Welt. Zwischen Pandemien, Kriegen und allerlei persönlichem Ungemach müssen wir tagtäglich eine Vielzahl von Entscheidungen treffen. Was ziehe ich an? Was esse ich? Was kann ich mir noch leisten? Komplizierter wird es bei Fragen wie: Was sage ich? Wie sag ich es? Sag ich überhaupt was? Und wer kennt nicht die infernalische Situation, wenn’s heißt: Wie man’s macht, macht man’s falsch.
In eine solche geriet unlängst der italienische Popstar Laura Pausini und sorgte damit für den Chefskandal der Woche.
Was war passiert?
Die Sängerin war Gast im spanischen Fernsehen. Die Stimmung war ausgelassen, und im allgemeinen Überschwang kam dem super-gut-drauf-seienden Moderator die Idee, gemeinsam ein italienisches Lied zu singen. Sprach’s und legte los: „Bella ciao, bella ciao ciao ciao …“ Statt mitzusingen, gefror Frau Pausini jedoch das Gesicht. „Dieses Lied singe ich nicht“, rief sie in die allgemeine Fröhlichkeit, „ich lasse mich vor keinen politischen Karren spannen.“ Autsch! Die Stimmung war im Eimer, und zu Hause war der Teufel los.
„Wie konnte Signora Pausini es wagen, die Hymne unserer Partisanen zu schmähen?“, meinten die einen. Sie hätte Haltung gezeigt, meinten die anderen. Der Rechtspopulist Matteo Salvini glaubte gar kundtun zu müssen, dass auch er niemals „Bella Ciao“ sänge. Und schon war Laura genau da, wo sie nicht sein wollte, eingespannt vor einem politischen Karren.
Nun muss man wissen, dass „Bella Ciao“ in Italien eine andere Bedeutung hat als bei uns. Die Geschichte des Liedes reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück und war ursprünglich ein Liebeslied. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sangen es die Reispflückerinnen in der Po-Ebene. Im Zweiten Weltkrieg wurde es zur Hymne der Partisanen und nach dem Krieg endgültig zum Kampflied der Linken.
Eine verfahrene Situation hätte der alte Kaiser Franz Joseph gesagt. Laura Pausini tat jedenfalls das einzig Richtige. Sie ging offline. Es wurde noch ein wenig gestritten und geschimpft, aber nach einer Woche bewegtem Nichts kehrte endlich wieder Ruhe ein.
Zum Autor
Seit über 15 Jahren lebt Peter Knobloch in Italien – nicht wegen des Berufs, sondern aus Liebe. Was als privates Abenteuer begann, entwickelte sich zu einer echten Berufung: Menschen für die Schönheit und den Charme Italiens zu begeistern.
Von seiner Heimatstadt San Giovanni Valdarno, nahe Florenz, aus führt er Gruppen durch die schönsten Regionen Italiens ..