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Aluminium, Edelstahl und Stahl â alles das Gleiche oder grundverschieden?.
von Kai Mönch
Viel wurde in den vergangenen BeitrĂ€gen ĂŒber die Blechbearbeitung und die dazugehörigen Verfahren gesprochen. Einen wesentlichen Punkt haben wir bis dato aber auĂer Acht gelassen: der Rohstoff. Um das Werk eines Metallbauers oder eines metallverarbeitenden Unternehmens zu verstehen, ist es unverzichtbar auch die Rohstoffe nĂ€her zu betrachten. Stahl, Edelstahl und Aluminium sind dabei die gĂ€ngigsten Werkstoffe, die in der industriellen Metallverarbeitung Anwendung finden. Die Verarbeitung dieser einzelnen Werkstoffe, deren physikalische und chemischen Eigenschaften und nicht zuletzt das geeignete Anwendungsgebiet unterschieden sich dabei erheblich voneinander. Um die Unterschiede zu verstehen, werfen wir zunĂ€chst einen Blick auf den Allrounder:
(1) Stahl â der Allrounder
Stahl, eine Legierung aus Eisen und Kohlenstoff, ist mitunter das Multitalent unter den metallischen Werkstoffen. Durch seine hohe VerfĂŒgbarkeit auf dem Markt, den geringen Preis, die HĂ€rte und Festigkeit des Werkstoffs ist er in einer Vielzahl von Produkten enthalten â also ein perfekter Kosten-Nutzen-Faktor. Allerdings ist Stahl nicht gleich Stahl. Durch Beeinflussung chemischer und physikalischer Komponenten kann der Stahl bis zu einem gewissen Grad seiner spĂ€teren FunktionalitĂ€t angepasst werden.
Beispielsweise kann durch VerĂ€nderung des Kohlenstoffgehalts die HĂ€rte und Zugfestigkeit â das bedeutet die gewichtstechnische Belastbarkeit – des Stahls beeinflusst werden. Ist der Kohlenstoffgehalt sehr gering, so ist auch HĂ€rte und Zugfestigkeit geringer. DafĂŒr bietet der Stahl in diesem Zustand eine hervorragende Verarbeitbarkeit an, sodass Biegen und SchweiĂen leichter möglich sind. In der Praxis sind hĂ€ufig Bauwerke und BrĂŒcken aus niedrigkohlenstoffhaltigem Stahl gefertigt. Die geringere HĂ€rte bedeutet nicht, dass der Werkstoff weich wie Gummi ist, sondern im Kreis der metallischen Werkstoffe als weniger hart zu betrachten ist.
Durch Hinzunahme von Kohlenstoff kann der Stahl hĂ€rter und zugfester gestaltet werden. Diese Arten von StĂ€hlen sind auf dem Markt hĂ€ufig teurer zu erwerben und werden in Bereichen eingesetzt, bei dem gröĂere, sich stĂ€ndig bewegende, mechanische KrĂ€fte auf den Stahl ausgeĂŒbt werden. So werden StĂ€hle mit höherem Kohlenstoffgehalt bei ZahnrĂ€dern, Kranmasten oder PrĂ€zisionswerkzeuge eingesetzt. Die höhere HĂ€rte und Zugfestigkeit hat jedoch auch ihren Preis. Der Stahl wird spröde und dadurch schwerer verformbar, sodass es bei falscher Handhabung und hoher Belastung zu Bruch kommen kann. Ăhnlich verhĂ€lt es sich bei der SchweiĂbarkeit: Der höhere Kohlenstoffgehalt erschwert das konventionelle SchweiĂen, da der Stahl mit diesen Eigenschaften zu Rissbildung neigt.
Auch auf anderem Wege kann die Eigenschaft von Stahl verĂ€ndert werden. So werden zu den beiden oben bereits genannten, klassischen Legierungselementen auch andere Elemente wie Chrom oder Nickel beigesetzt, deren Ziel es ist die Zugfestigkeit und HĂ€rte zu erhöhen. Aber was bringt die Hinzunahme anderer Legierungen? Mit dem Zusetzen weiterer Elemente wird ein chemischer Prozess herbeigefĂŒhrt, der eine feinere Struktur des Stahls erzeugt. Dieser Prozess lĂ€sst sich gut veranschaulichen, wenn man an grobkörnigen und einen feinkörnigen Sand denkt und diese vergleicht. Geht man davon aus, dass beide Arten von Sandkörnern gleichermaĂen eckig und wenig abgerundet sind, ist die Festigkeit des feinkörnigen Sandes bei Verdichtung deutlich höher. In der Werkstoffkunde spricht man daher auch von Feinkornstahl, der â wie oben bereits genannt âeine höhere Zugfestigkeit oder HĂ€rte aufweist.
Eine weitere Möglichkeit die Eigenschaften von Stahl zu beeinflussen, die Zugfestigkeit zu erhöhen und das Risiko der Sprödigkeit und der Rissbildung zu minimieren, ist die WĂ€rmebehandlung bei der Stahlerzeugung. Durch Erhitzen und schnelles AbkĂŒhlen (Abschrecken) kann der Stahl in eine hĂ€rte Phase ĂŒberfĂŒhrt werden. Durch weitere Erhitzungs- und AbkĂŒhlprozesse kann so auch die Zugfestigkeit dadurch erhöht werden.
Aber wenn doch der Stahl so viele positive Eigenschaften, gerade im Zuge der Verarbeitbarkeit hat, warum wird er dann nicht universell angewandt?
Stahl hat einen groĂen Nachteil und der ist jedem bekannt: die KorrosionsanfĂ€lligkeit. Ohne zusĂ€tzlichen Schutz der OberflĂ€che beginnt der Stahl durch Einfluss von Feuchtigkeit schnell zu rosten. HĂ€ufig werden deshalb Lackierungen und Verzinkungen eingesetzt, um das Rosten und letztlich auch die MaterialermĂŒdung zu vermeiden. Auf der anderen Seite wird hĂ€ufig der sog. Corten-Stahl eingesetzt, der sich die Rostbildung zunutze macht. Corten-Stahl, der auch wetterfester Stahl genannt wird, bildet schnell die klassische Rostschicht (Patina) und schĂŒtzt dadurch die darunterliegenden Schichten vor weiterer Rostbildung. Da der Corten-Stahl gerade in den letzten Jahren designtechnisch einen enormen Hype erfahren hat, findet man diesen sehr hĂ€ufig bei GartenzĂ€unen, Fassaden, in der Kunst oder auch im Transport- und Bauwesen bei Container, Bahnwaggons oder BrĂŒcken.
Ein weiterer Nachteil ist das hohe Gewicht von Stahl. Stahl ist schwer, weswegen dieser dort ungeeignet ist, wo geringes Gewicht eine wichtige Rolle spielen. Das sind beispielsweise im Rennsport, im Flugzeug- oder Raumfahrtbau.
In diesen Bereichen sind andere Werkstoffe besser geeignet. Dennoch sind die Vorteile von Stahl unverkennbar. Ohne diesen Werkstoff wĂ€re unser Leben und unser Konsumverhalten gar nicht denkbar. Besonders im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie im Bauwesen ist Stahl das Mittel der Wahl zur Herstellung der gewĂŒnschten Erzeugnisse. Wie wir gesehen haben, hat Stahl aber auch seine Nachteile. Ob andere Werkstoffe diese LĂŒcke fĂŒllen, lesen wir im nĂ€chsten Beitrag.
Zum Autor
Kai Mönch ist Prokurist bei der HBK Metallbearbeitung GmbH in Goldkronach bei Bayreuth, einem Familienunternehmen. Der Prokurist und QualitÀtsmanager informiert in seiner Kolumne zu interessanten und relevanten Themen aus der Branche der Metallverarbeitung.
Die Fortschrittlichkeit in der Metallverarbeitung steht fĂŒr ihn immer im Vordergrund seiner TĂ€tigkeiten. Seit mehreren Jahren ist er als Prokurist und QualitĂ€tsmanager tĂ€tig und gut vernetzt, was seinen Lesern:innen viele Insider/Geheim-Tipps ermöglicht.