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Bayreuth Historisch
Versammlungsverbote und Quarantänestationen in der Bayreuther Geschichte
Das gesellschaftliche Leben ist momentan auf ein Minimum begrenzt. Allerdings sind Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbote nichts neues in der Bayreuther Geschichte.
Aktuell ist das gesellschaftliche Leben in Bayreuth auf ein Minimum begrenzt. Doch Ausgangsbeschränkungen und Versammlungsverbote gab es in der Bayreuther Geschichte bereits häufiger. bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück.
Als die Pest Bayreuth erreichte
Eine „feierliche Procession zum Bilde der heiligen Jungfrau zu Mangersreuth“ sollte im Jahr 1495 helfen, um die Pest in Bayreuth zu besiegen. Hauptmann Kunz von Wiersberg verbot die Prozession. Er befürchtete „die Pest möchte dadurch noch weiter im Lande verbreitet werden.“
Im Jahr 1682 zeigte sich wieder die Pest, die dem Bayreuther Land von Sachsen und Böhmen nahe kam. So nahe, dass die Grenze gesperrt und in Schirnding und Fischern Contumazhäuser errichtet wurden: „Durch diese Vorsichtsmaßregeln“, heißt es in der Stadtchronik von Johann Wilhelm Holle, „blieb das Land befreit, weshalb am 27. Juli 1684 ein allgemeines Dankfest angeordnet wurde.
Ein Versammlungsverbot, die Reglementierung des Grenzverkehrs und Quarantänestationen: Die Maßnahmen aus der Bayreuther Stadtchronik sind gar nicht weit weg von dem, was die Experten heute anordnen, um die Pandemie der Lungenkrankheit COVID-19 infolge des Coronavirus zu verlangsamen.
Zahlreiche Epidemien in Bayreuths Stadtgeschichte
Johann Wilhelm Holle berichtet in seiner Chronik von zahlreichen Epidemien, die die Stadt regelmäßig, immer mit mehreren Jahrzehnten Abstand, heimsuchten. Das medizinische Wissen, dass sich nach einer überstandenen Infektion Antikörper bilden, die eine länger anhaltende Immunität gegen die Krankheit gewährleisteten, hatten unsere Vorfahren nicht.
Aber eine Beobachtungsgabe: Sie waren sich damals sicher, dass “schlechte Gerüche” zu Krankheiten führen. Sie lagen dabei, zumindest was die bakteriellen Epidemien durch fehlende Hygiene betrifft, gar nicht so verkehrt.
Auch gab es schon ein Art von “Desinfektion”. Eine Trauergesellschaft trug zum eigenen Schutz “Zitronen in den Händen”. Diese Redewendung war so verbreitet, dass Georg Büchner in seinem Drama “Woyzek” der Satz „Ich sehe schon die Leute mit den Zitronen in den Händen” genügte, um einen Trauerzug zu beschreiben. Heute wissen wir, dass die Zitrone tatsächlich antibakterielle und antivirale Eigenschaften hat. Wir nutzen sie zur Gesundheitsvorsorge oder zur “Desinfektion” der Raumluft von Krankenzimmern, Büros und Wartezimmern.
Pest als Folge des Kriegs
Fast immer brachten Kriege Krankheiten in die Stadt. Besonders hart traf es Bayreuth nach dem “Markgräflerkrieg” im Jahr 1554, als Markgraf Albrecht Alcibiades nach der Niederlage bei Stadtschwarzach unsere Region an Nürnberg abtreten musste. Die Bürger wurden von der Vertretern der Bundesstände unterdrückt.
Holle: „Nicht genug, dass das Land drei Jahre lang mit fremden Truppen belegt war, nicht genug, dass alle Vorstädte in Schutthaufen verwandelt waren; auch noch die Mauern und viele Häuser der Stadt wurden niedergerissen, die Wälder abgetrieben, das Wild ausgerottet und Gärten, Felder und Wiesen verheert. Auch die Pest, eine gewöhnliche Folge des Krieges, stellte sich ein und raubte vielen Menschen das Leben.”
Der 30-jährige Krieg
Von 1618 bis 1648 tobte der 30-jährige Krieg in Europa. Holle berichtet, dass General Freiher von der Wahl die Stadt am 18. August 1634 mit Kanonen beschießen ließ. Die Tore wurden geöffnet und Bayreuth trotz der Pest, von der sie im höchsten Grade befallen war, völlig ausgeplündert.
Auch die letzte Epidemie, von der Johann Wilhelm Holle in seiner Chronik berichtet, hat mit einem Krieg zu tun. Nachdem Napoleons Armee in der Schlacht vom 16. bis 18. Juni 1815 bei Warerloo endgültig geschlagen wurden, machten die siegreichen russischen und österreichischen Truppen auf dem Rückmarsch in Bayreuth Station.
Ein höchst ungebetener Gast
Holle schreibt, dass die russischen Kosaken “mit dem Nervenfieber oder Thphus” einen “höchst ungebetenen Gast” mitbrachten, der in Bayreuth große Verheerungen anrichtete. Er berichtet von ganz besonderen Desinfektionsmaßnahmen: “Im Rathaus wurden alle Gemächer mit Salzsäure durchräuchert und, das Tabakrauchen wurde als Mittel gegen die Ansteckung empfohlen.” Das nahmen sich auch der Stadtgerichtsarzt Dr. Hirsch und der Chirurg Schürer zur Herzen, die ihre Patienten nur mit brennender Pfeife besuchten.
Solche Maßnahmen gab es gut 60 Jahre später nicht mehr, als Robert Koch 1876, übrigens in dem Jahr als Richard Wagner seine ersten Festspiele in Bayreuth durchführte, die erstmalige Entdeckung eines Krankheitserregers gelang. Der Mediziner und Mikrobiologe Robert Koch leitete später das 1891 gegründete “Königlich-Preußische Institut für Infektionskrankheiten”, das seit 1912 den seinen Namen trägt. Mehr denn je sind die Experten des Robert Koch-Instituts mit ihren Maßnahmen, Verhaltensregeln und Ratschlägen gefragt, um die aktuelle Pandemie zu bekämpfen. Das gelingt aber nur gemeinsam.
Stephan Müller
Stephan Müller (54) ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.