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Gessn werd dahaam

Von Weihnachtseinkäufen und einem Modelabel aus dem Frankenwald

Die Weihnachtszeit naht – ein Grund für Christoph Scholz in der Region nach Weihnachtsgeschenken zu stöbern. Seine Suche führt ihn in den Frankenwald in den Laden Bleed.

Unsere zwei modebewussten jungen Männer dahaam tragen mit wachsender Begeisterung Klamotten von Bleed aus dem Frankenwald. Aufgrund meiner persönlichen Verschwörungstheorie, dass der Finanzminister wegen seiner Ausgaben, die jetzt wieder mit Wumms steigen, die Mehrwertsteuersenkung früher als geplant zurücknehmen könnte, erledigen meine Frau und ich die Weihnachtseinkäufe in diesem Jahr deutlich frühzeitiger als sonst. Wir fahren nach Helmbrechts, wo die Bleed-Leute ein Autohaus der 80er Jahre in einen Modeladen umgebaut haben, der so schick und lässig gemacht ist, dass man diesen in einem Trendviertel in Berlin oder London vermuten würde – aber nicht in einem Gewerbegebiet an der A9.

Unterschriften für den Klimaentscheid Bayreuth

Bevor ich Ihnen von unserem Weihnachtsshopping erzähle, gestatten Sie mir die Frage, ob Sie schon für den Klimaentscheid in Bayreuth unterschrieben haben? Nein? Ich auch noch nicht. Jetzt aber schnell! Ist auch ganz einfach. Sie und ich können den Stimmzettel ausdrucken und per Post schicken oder bei etlichen Sammelstellen in der Stadt abgeben. Weil die Organisatoren wissen, dass man in Coronazeiten lieber dahaam bleibt, gibt’s jetzt „Klimando“. Klingt wie ein Pizzalieferdienst und funktioniert auch so, nur dass keine Pizza, sondern der Unterschriftenzettel zu Ihnen nach Hause geliefert wird. Ich werde „Klimando“ bestellen, wenn ich diesen Text fertiggetippt habe, und Sie sind bitte so lieb, das zu erledigen, wenn Sie diesen Text fertiggelesen haben. Und wenn Sie nicht im gelobten Bayreuth gemeldet sind, also nicht bei unserem Klimaentscheid mitmachen dürfen, dann überlegen Sie doch, ob Sie in Ihrem Wohnort oder, noch einfacher, bei sich dahaam ein eigenes Klimaschutzprojekt starten.

Alte TV-Serien neu entdeckt

Mein neues Klimaschutzprojekt besteht darin, verstärkt alte Fernsehsehserien zu gucken, deren Herstellung so weit zurückliegt, dass ihre Energiebilanz mehr als ausgeglichen sein dürfte. Wir könnten sicher viel CO2 sparen, wenn wir alle mehr „Schwarzwaldklinik“ oder „Dallas“ schauen würden, so dass ARD, ZDF und Netflix weniger Neues für uns produzieren müssten. Irgendwann in dieser verschwommen gewordenen Coronazeit habe ich das Programm von SAT1 Gold entdeckt und dort zu meiner großen Freude Inspektor „Columbo“ wiederentdeckt. Ich liebte diese US Krimiserie bereits in den 90er Jahren. Jetzt liebe ich es, mich in meiner superbequemen Fichtel-Jogginghose in „American Fleece“-Qualität am frühen Samstagabend aufs Sofa zu begeben, um erst „Zwischen Spessart und Karwendel“ im BR (meine absolute Lieblingssendung) und dann, meist gegen halb sieben (die Sendezeiten schwanken etwas, googeln Sie einfach), „Columbo“ zu schauen.

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Columbo ermittelt

Eine kurze Einführung für jüngere Leser: „Columbo“ lief zwischen 1968 und 2003, mit einer „goldenen Ära“ zwischen 1971 – 78. In der Hauptrolle ist Peter Falk als zerzauster, zigarrenrauchender Mordkommissar des Los Angeles Police Department zu sehen. Zuerst werden wir Zeuge eines Mords. Den Täter (oder, in selteneren Fällen, der Täterin), dem er meist schon in den ersten Minuten einer Folge auf die Schliche kommt, bezieht Columbo in die Aufklärung des Falls ein, in dem er ihn (oder sie) über seine Fortschritte bei der Ermittlung auf dem Laufenden hält. Die Folgen sind äußerst vergnüglich anzuschauen: Columbo gibt sich trottelig und vergesslich. Seine Frau – sprich: Misses Columbo – wird häufig zitiert, ist aber nie zu sehen. Und kein Mensch kennt Columbos Vornamen. Neben Peter Falk sind Gaststars des amerikanischen Kinos und Fernsehens zu sehen. Oft sind die Mörder prominente Mitglieder der gehobenen Stadtgesellschaft von Los Angeles – Stars, Unternehmer oder Politiker – so dass jede Folge auch eine inspirierende Zeitreise in die Architektur, die Mode, die Villen, die Büros, die Restaurants im Hollywood der 70er und 80er Jahre wird.

Bleed – Klamotten aus dem Frankenwald

Von California nach Fichtelfornia, wo Michael Spitzbarth und sein Team seit 2008 unter dem Namen „Bleed“ Alltags- und Sportmode machen. Sprechen Sie Bleed einmal englisch (also mit einem langen „i“ in der Mitte) und einmal oberfränkisch aus.

Die Idee hinter diesem Modelabel ist allerdings nicht bleed, sondern schlau, denn für die Mode von Bleed soll niemand „bluten“. Weder die Menschen, also die Arbeiter (deren traurige Schicksale in der Billigtextilindustrie wir ausblenden), noch die Natur (der unglaubliche Wasser- und Chemikalienverbrauch konventioneller Textilherstellung) und die Tiere (also kein Leder, kein Pelz).

Modelabel aus Helmbrechts

Bei Bleed einzukaufen (online, in Helmbrechts und bei ausgewählten Händlern) macht Spaß, weil hinter jedem Kleidungsstück eine Geschichte erfahrbar wird. Wie und wo es produziert? Welche Materialien Technologien stecken in den verwendeten Stoffen? Von Biobaumwolle bis zu Kork oder High-Tech-Geweben wird hier gezeigt, wie Modeproduktion der Zukunft aussehen sollte. Vor allem aber sind die Sachen unglaublich schick. Originelles Aushängeschild von Bleed sind die „Fichtelstyles“, Kleidungsstücke, auf denen witzige Logos wie „Fichtelfornia“ oder eine Ochsenkopfsilhouette mit Schriftzug „Upper Franconia“ prangen.

Zugegeben, die Bleed-Teile sind ein bisschen teurer, aber sie machen Freude und halten sehr lange. Wir kombinieren sie gerne mit den erschwinglichen Teilen von Uniqlo, einer großen Modekette aus Japan, die sich ähnlich wie Bleed strikt Umweltschutz- und Klimazielen verpflichtet hat. Auf Bleed wurde ich aufmerksam, als ich für diese Kolumne zu veganem Essen recherchierte, aber auf vegane Kleidung stieß. Michael Spitzbarth hat mir ein Rezept von Markus Fischer für eine bayerische Brotzeit aus dem Abenteuercamp Schnitzmühle mitgegeben. Sie finden das Rezept für den Waldschwammerl-Rote-Beete-Aufstrich auf der Website von Bleed (Link unten).

Um die beim Kochen verbrauchte Energie auszugleichen, höre ich bei der Zubereitung alte Musik, deren Energiebilanz durch millionenfaches Hören ausgeglichen sein dürfte. Zur Zeit läuft bei mir das neue Ennio-Morricone-Album „Segreto“ rauf- und runter. Die alte Studiotruppe des Maestros aus Rom hat frühe und völlig vergessene Filmmusik zusammengestellt. Einige experimentelle Soundtüfteleien sind auf „Segreto“ zu hören, die meisten Titel sind aber herrlich samtig-weiche Loungemusik. Zur Brotzeit gibt’s ein Breitenlesauer Winterbier von Krug-Bräu.

Podcast mit Gästen aus dem Fichtelgebirge

Michael Spitzbarths spannende Geschichte, wie er vom Profisport kommend in der alten Textilstadt Helmbrechts ein innovatives Modeunternehmen aufbaute, können Sie im Podcast „hier.geblieben“ nachhören, in dem Josepha Mohr Gäste aus dem Hofer Land interviewt. Ich höre meine Podcasts auf Spotify, aber auch auf der Internetseite (Link unten) finden Sie die Gespräche.

Ebenfalls im „hier.geblieben“-Podcast dabei und im Fichtelgebirge ansässig ist unser Heimathistoriker Adrian Roßner, der auch ein großer Klimaschützer ist, denn er erzählt gerne uralte Sagen aus dem Fichtelgebirge. Dafür muss keine Energie für neue Geschichten verbraucht werden. Jetzt im November und Dezember lädt er an den Mittwochabenden in die „Huzzastuam“, die gute Stube, in der man sich am Kaminfeuer Sagen oder auch mal den neuesten Klatsch und Tratsch erzählt, auf seinem YouTube-Kanal.

Kuschelstunden mit bleed-Decken

Manchmal setzt sich Frau Scholz zu mir aufs Sofa, guckt ein bisschen „Columbo“ mit oder wir legen eine DVD mit „Kir Royal“ oder „Monaco Franze“ ein. Dann kuscheln wir uns gerne unter die in Helmbrechts gewebte Fichteldecke, die wir uns gegenseitig zu Weihnachten geschenkt, aber doch früher ausgepackt, haben. Weil Misses Scholz zunehmend jedoch die ganze Decke für sich beansprucht und weil Olaf Scholz die Mehrwertsteuer hoffentlich wie versprochen noch unten lässt, muss ich bald nochmal nach Helmbrechts, um eine Zweitfichteldecke zu kaufen.

Meine Tipps:

Unterschreiben:
Bayreuther Klimaentscheid – mit Stimmzettel-Lieferdienst „Klimando“

Hören:
Podcast „hier.geblieben“
„Morricone Segreto“ u.a. auf Spotify
Huzzastuam – Sagen aus dem Fichtelgebirge – mittwochabends bis Mitte Dezember live oder zum Spätergucken auf Youtube

Kochen:
Das Rezept für den Waldschwammerl-Rote-Beete-Aufstrich, das Markus Fischer für Bleed kreiert hat: Ich koche dahaam mehr und mehr vegetarisch, einfach so, ohne großen Vorsatz. Es muss irgendwann im Leben genug sein, vor dem unglaublichen Raubbau und dem unglaublichen Leid der Massentierhaltung die Augen zu verschließen. Wenn es bei uns Fleisch gibt, holen wir es vom Metzger Bursian in der Altstadt und von der Texas Longhorn Ranch von Schwarzbrennerehepaar Anne und Alexander Leichtenstern in Altencreußen (neben den einmalig guten Burger-Patties sollten Sie unbedingt die Schnitzel probieren). Beim vegetarischen Kochen hilft mir „Greenfeast“ von Nigel Slater, mit herrlich simplen Alltagsrezepten mit wenigen Zutaten. Es gibt ein Frühling/Sommer und ein Herbst/Winterbuch.

Christoph Scholz

Christoph Scholz

Christoph Scholz ist 45 Jahre alt und Familienvater. Sein Geld verdient er als Projektleiter bei Semmel Concerts. Privat beschäftigt er sich gerne mit den Themen Essen, Trinken, Kochen, Gastronomie und Hotellerie.

Sie erreichen Robert Babutzka unter www.edictum-mobilar.de und info@edictum-mobiliar.de. Foto: Florian MiedlSie erreichen Robert Babutzka unter www.edictum-mobilar.de und info@edictum-mobiliar.de. Foto: Florian Miedl
Eine vegane Brotzeit á la Bleed (Link zum Rezept gibt es unten im Text). Foto: Kristoffer Schwetje/BleedEine vegane Brotzeit á la Bleed (Link zum Rezept gibt es unten im Text). Foto: Kristoffer Schwetje/Bleed
Christoph Scholz zu Besuch im Unverpacktladen Hamsterbacke in Bayreuth. Foto: Christoph ScholzChristoph Scholz zu Besuch im Unverpacktladen Hamsterbacke in Bayreuth. Foto: Christoph Scholz
Verkaufsraum der Geseeser Landbäckerei. Foto: Geseeser LandbäckereiVerkaufsraum der Geseeser Landbäckerei. Foto: Geseeser Landbäckerei
Rapsody of Spices in Kulmbach wird von den Azubis der Firma Raps geführt. Hier im Bild: Natalie Hofmann (links) und Maria Limmer (rechts). Foto: Christoph ScholzRapsody of Spices in Kulmbach wird von den Azubis der Firma Raps geführt. Hier im Bild: Natalie Hofmann (links) und Maria Limmer (rechts). Foto: Christoph Scholz
Swagman im Industriegebiet. Foto: Christoph Scholz
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