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Historisches Bayreuth
Vor 300 Jahren: Die Bayreuther Stecknadelbraut – der Tod am schönsten Tag des Lebens
Es ist auch nach genau dreihundert Jahren eine herzzerreißende Geschichte, wie die Jungfer Margarete Katharina Schlenck auf tragische Weise ums Leben kam.
Kein anderer Grabstein auf unserem ehrwürdigen Stadtfriedhof hat die Bayreuther in den vergangenen Jahrhunderten so gerührt wie dieser.
Der Grabstein ist zugleich auch einer der schönsten, gestaltet durch den berühmten Hofbildhauer Elias Räntz, also ein kunsthistorisches Juwel. Ungezählte Friedhofsbesucher haben das Grab zu allen Zeiten liebevoll mit Blumen geschmückt. Zu sehen ist die fast lebensgroße Figur der Margarete Katharina Schlenck, der sittsamen Tochter eines Bayreuther Rotgerbers.
Tod der Bayreuther Stecknadelbraut vor 300 Jahren
Der 25. Juni 1721 sollte eigentlich der schönste Tag im Leben der bezaubernden jungen Frau werden – es wurde indes ihr schrecklichster. Beim Anlegen der Brautkleidung und des Brautschmucks verschluckte sie eine Stecknadel und starb im blühenden Alter von 19 Jahren – “weniger vier Wochen und zwei Tage”, wie uns die Inschrift verrät.
Hier ruht in Gott Margarete Katharina Schlenckin weijl Meister Johann Adam Schlenckens gewesenen Bürgers und Rothgerbers alhier die Fr. Mutter Anna Elisabetha eine gebohrene Gesellin von Wonsiedel einzige Tochter ist geboren Anno 1792 den 23 July und gestorben Anno 1721 den 25 Juno Ihres Alters 19 Jahr weniger 4 Wochen 2 Tag.
Die Mutter Anna Elisabeth Schlenck ließ ihrer einzigen Tochter “zu letzten Ehren und Andenken” das einzigartige Grabdenkmal setzen. Es stammt aus der Werkstatt des berühmten Barock-Bildhauers Elias Räntz, der das dramatische Geschehen am Hochzeitstag einfühlsam angedeutet hat. Mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand, die am verschnürten Mieder anliegt und ein Sträußchen hält, deutet die Maid auf ihre Magengegend hin. Interessant ist, dass Elias Räntz, wie es lange Zeit üblich war, den Nachnamen “Schlenckin” verwendet und bei dem Wort weij (also weiland oder vormals) das Y mit zwei Punkten (auch ij) verwendet. Zu sehen ist weiterhin ein aufgeschlagenes Buch mit dem Bibelspruch: Ich bin der Weg die Warheit u. das Leben Joh 14,6
Einen sicheren Beweis für den Wahrheitsgehalt dieser Überlieferung gibt es zwar nicht. Außergewöhnliche Todesfälle vor allem bei jungen Leuten wurden im Sterberegister immer mit einem Vermerk versehen: „Erschlagen“, “im Main ertrunken“, “an Verbrennungen gestorben“, im Winter, und das kam gar nicht einmal selten vor, “erfroren aufgefunden”, “ermordet” oder irgendwo “herabgestürzt.” Der Tod Margarete Katharina Schlenck ist im Kirchenbuch eingetragen, wir finden aber keinen zusätzlichen Vermerk. Aber warum soll es sich nicht so abgespielt haben? Auf jeden Fall ist der Grabstein der jungen Gerbertochter auch ein Denkmal für den ehrbaren frommen Geist im Bayreuth des frühen 18. Jahrhunderts. An den Rand des Steins ließ die trauernde Mutter einen Spruch aus dem Johannes-Evangelium setzen:
“Geschrieben Evan. Jo: 3.V.16 Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Auf der linken Seite steht der kaum mehr lesbare Hinweis: “Zu ihren Ehren und Andenken ließ die Mutter den Grabstein verfertigen”.
Bis 1998 stand das Denkmal ungeschützt unter freiem Himmel direkt an der Friedhofsmauer unweit der Carl-Burger-Straße. Doch die Witterungsverhältnisse drohten den Sandstein allmählich zu zerstören. So erhielt die unglückliche Braut ein sicheres Plätzchen in der Aussegnungshalle. Gleich links vom Eingang steht dieses steinerne Mädchenporträt von zeitloser Schönheit.
Das Haus, in dem die Familie Schlenck ihre Gerberei betrieben, steht in der Kulmbacher Straße 6. Dass in den Räumen im Erdgeschoss viele Jahre ein bekanntes Geschäft für Brautmode untergebracht war, gehört zur Ironie der Geschichte.
Ebenso wie eine Meldung einer indischen Nachrichtenagentur im Juni 2021: Nachdem eine Braut im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh während ihrer Hochzeitszeremonie zusammengebrochen und gestorben ist, entschied die beiden versammelten Familien (nach der endgültigen Diagnose eines herbeigerufenen Arztes) einstimmig, dass der Bräutigam statt der eben verstorbenen Surabhi noch an Ort und Stelle ihre jüngere Schwester Nisha heiratet. Onkel Ajab Singh gab zu, dass er “noch nie solche gemischten Gefühle” hatte, weil ja die tote Surabhi im Nachbarzimmer lag.
Die Bayreutherin Margarete Katharina Schlenck war, wie uns der Grabstein ebenfalls verrät, ein Einzelkind!
Stephan Müller
Stephan Müller ist Stadtrat, Hobbyhistoriker, freiberuflicher Journalist und Autor zahlreicher Bücher zur Geschichte Bayreuths. Für das Bayreuther Tagblatt hat er sein Archiv geöffnet. Die besten Anekdoten gibt es immer wieder hier beim bt.