Wirtsgogl-G’schichtla: Mysteriöse Steinkreuze am Wegesrand
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Adrian Roßner, Foto: PrivatAdrian Roßner ist einer der jüngsten Heimatforscher Deutschlands und kommt aus der Region: In unserer bt-Serie “Wirtsgogl-Gschichtla” gibt er uns alle 14 Tage Einblicke ins seinen Fundus: kuriose Geschichten, unglaubliche Erzählungen und Besonderheiten aus unserer Region.
In dieser Folge erklärt Adrian Roßner, was die bemoosten Steinkreuze bedeuten können, die an unseren Wegesrändern zu finden sind. Eines sei vorweg verraten: Die Geschichten sind mörderisch schaurig. Passend eben, zum fränkischen Winter. Hören Sie hier die aktuellste Geschichte vom Wirtsgogl:
“Steinkreuze”
Wirtsgogls-Gschichtla #4 zum Anhören
Stumme Zeitzeugen am Wegesrand
Einsam, teils gar vergessen und überwuchert von den Ranken der Vergangenheit stehen sie mahnend an manchem Wegesrand: Steinkreuze. Wenngleich uns heute zu Vielen nähere Informationen fehlen, laden sie dennoch ihre Finder dazu ein, sich mit ihrer Hilfe längst vergangener Zeiten zu entsinnen und damit einen Blick in die Geschichte unserer Heimat zu werfen. Mystisch und geheimnisvoll sind dabei manche Erzählungen, die seit Generationen weitergegeben werden und von den Umständen, die einstmals zur Aufstellung der Kreuze geführt haben sollen, berichten.
Bei aller Romantik, die den Betrachter demnach überfällt, wenn er über die von Jahr und Zeit glattgeschliffenen Oberflächen der Kleinode fühlt, muss er sich immer ihrem einstigen Nutzen gewahr sein. Nicht etwa der bloßen Schönheit wegen stellten unsere Vorfahren sie auf, sondern um auf Verbrechen und Gewalttaten hinzuweisen, die derart schrecklich auf ihren Seelen lasteten, dass man über Jahrhunderte hinweg daran zu erinnern trachtete. Allen voran im Mittelalter, einer Zeit, in der die Rechtsprechung eng mit dem Kirchenheil in Verbindung stand, forderte man im Rahmen einer Art von Blutrache von Mördern und Totschlägern das Aufstellen eines steinernen Mahnmals in Kreuzesform, um damit Buße zu tun vor dem höchsten Gericht. Mit der, im Zuge der Landfriedensordnungen der frühen Neuzeit einhergehenden, weltlichen Rechtsprechung, verschwand dieser Kult zusehends und machte fortan juristisch geführten Verhandlungen Platz, an deren Ende vermehrt ganz profane Zuchthausstrafen standen.
Erinnerungen an grausame Verbrechen
Wenngleich demnach die Sühne allzu oft zur Aufstellung der Kreuze führte, kann sie nicht allein als Grund für die Existenz der Artefakte gesehen werden, da sie manches Mal auch zur bloßen Erinnerung an ein Verbrechen installiert worden sind. Das sogenannte „Mordkreuz“ bei Mödlenreuth in der Nähe von Gefrees kann in diesem Zusammenhang als Beispiel dienen. Chroniken berichten von einem heimtückischen Überfall, dem Johann Friedrich Heinlein aus Mittweida am 4. Mai 1687 zum Opfer gefallen war. Sein Kumpan soll ihn im Streit erschossen und seine Leiche anschließend gefleddert haben, ehe er sich von dannen machte und spurlos verschwand. An jener Stelle, wo ein Bauer wenig später den toten Körper des Opfers entdeckte, errichtete man zur Mahnung das Steinkreuz, das noch heute auf die Untat verweist. Ähnlich stellt sich auch der Fall des „Schinderhannes“ im kleinen Örtchen Reinersreuth dar, wenngleich er mit einer Datierung in das Jahr 1883 verhältnismäßig kurz zurückzuliegen scheint. Am 29. April des Jahres wurde der Ökonom Johann Konrad Dietel, der sich gerade auf dem Rückweg von der Weißenstädter Kirchweih befunden hatte, am Waldsteinpass von Johann Grüner mit einem Hammer erschlagen und ausgeraubt. Obwohl die Beute (Akten zufolge eine silberne Taschenuhr und 15 Mark in bar) relativ gering ausfiel, zeichnete sich der Mord durch eine große Brutalität aus, die dazu führte, dass eine wahre Jagd nach dem Täter begann. Nachdem man Grüner aufgrund fehlender Beweise ein erstes Mal ungestraft davonkommen lassen musste, ermöglichte schließlich die Aussage seines Bruders die erneute Inhaftierung, die mit der Todesstrafe endete. Allein durch die Gnade des Prinzregenten wurde sie schließlich in einen lebenslangen Gefängnisaufenthalt abgemildert. An der Stelle der Tat jedoch zeugt bis heute ein Gedenkstein vom grausamen Mord.
Auch „Schwedenkreuze“ gehören zur Kategorie der Gedenksteine. Wie beim Exemplar in der Häuselloh nahe Selb ranken sich um diese Objekte düstere Erzählungen von martialischen Schlachten beispielsweise während des Dreißigjährigen Krieges, deren Opfer man meist direkt am Ort ihres Todes bestattete. Ähnlich verhält es sich zudem mit „Preußengräbern“ (eines der berühmtesten findet sich bei Oberlaitsch), die aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges stammen.
Mysterien in Stein gehauen
Natürlich darf nun nicht davon ausgegangen werden, dass hinter jedem Steinkreuz eine blutige Geschichte steht. Teils dienten sie (oder auch in Stein gehauene Kreuzzeichen) schlicht der Markierung bedeutender Altstraßen oder aber der Bitte um den Beistand der Heiligen beim Schutz der Ernte vor Unwettern und anderen Katastrophen. Wenngleich demnach jedes der bis heute erhaltenen Kleindenkmäler (allein im Landkreis Hof gibt es derer 28) seine ganz eigene Entstehungsgeschichte hat, dienen sie alle dazu, die Phantasie der Menschen zu beflügeln und lassen ihren Betrachtern noch immer den ein oder anderen Schauer über den Rücken rinnen. Immerhin vermag keiner zu sagen, welcher Wahrheitsgehalt beispielsweise den Erzählungen von „Seelenlöchern“ (also Aussparungen, durch die der unsterbliche Geist des Menschen auszufahren pflegte) innewohnt. Auch die Tatsache, dass manche Kreuze Schabspuren aufweisen, die unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass die anfallenden Splitter heilende Kräfte haben sollen, beweist eine große Bedeutung der Artefakte allen voran im Volksglauben.
Bis heute eine Faszination
Manche namhafte Forscher ließen sich davon schließlich derart begeistern, dass sie sich auf die Jagd magischer Linien machten, die, so jedenfalls glaubten sie beweisen zu können, durch die Kreuze gekennzeichnet werden sollen. Obschon meist das bloße Nachmessen der angeblich wie durch Zauberei stetig gleichen Abstände zwischen den einzelnen Objekten meist ausreicht, um die Theorien ins Wanken zu bringen, wird jeder, der auf seiner Wanderung durch unsere Wälder auf ein solches Denkmal stößt, anerkennen müssen, dass sie noch immer ein mystischer Zauber umweht.
Trotz mancher Geheimnisse, die sie bis heute nicht preisgegeben haben, sind und bleiben sie beredte Zeugen unserer eigenen Geschichte.
Literatur:
Bucka, Hans; Heland, Oskar: „Grenzsteine, Flur- und Kleindenkmale im Landkreis Hof“, Hof 1991.
Dies.: „Steinkreuze, Kreuzsteine im Landkreis Hof und in der Stadt Hof“, Hof 1986.
Döberlein, Christian: „Steindenkmäler im Landkreis Rehau“, Rehau 1965.