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Bayreuths Bürgermeister: Ein Gentleman mit Fingerspitzengefühl

In Teil 9 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Dr. Leopold Casselmann.


Bayreuth oder Augsburg?

Am 15. Februar 1900 starb Theodor Ritter von Muncker im 77. Lebensjahr am 37. Jahrestag seiner Bürgermeisterwahl. Schon am 1. März tagten 33 Mitglieder des Gemeindecollegiums im Saale des Frohsinns und wählten den liberalen Reichtags- und Landtagsabgeordneten Dr. Leopold Casselmann zum neuen Stadtoberhaupt. 

Dr. Gustav Holle schreibt in seinem Buch “Geschichte der Stadt Bayreuth: 

Obgleich demselben zu gleicher Zeit von der Stadt Augsburg die stelle eines 1. Bürgermeisters angetragen war, so entschied sich derselbe doch für seine Vaterstadt. Am 11. April vormittags um 11 Uhr fand in dem festlich geschmückten Saale des Gasthofs zum Anker dessen feierliche Einsetzung durch den kgl. Regierungsrath Adolf Zink statt, worauf ein Festessen mit 170 Theilnehmern folgte.

Der letzte Oberbürgermeister der Kaiserzeit

Der überzeugte Monarchist und Patriot, der sich ab 1907 “Oberbürgermeister” nennen durfte, regierte übrigens nach der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 eine Seelenzahl von 29.384 in 6.144 Haushaltungen. In Bayreuth lebten damals 23.580 Protestanten, 5.199 Katholiken und 375 Israeliten. Die Amtszeit des Bayreuther Ehrenbürgers dauerte bis 30. Juni 1919. Er war der letzte Bayreuther Oberbürgermeister der Kaiserzeit.

Ein Gentleman

Casselmann ist am 29. Juni 1858 im hessischen Fischbeck geboren, kam aber als 13-jähriger Gymnasiast nach Bayreuth. Er studierte in Marburg Rechtswissenschaft, wurde Reserveoffizier und war ab 1886 an in Bayreuth als Rechtsanwalt und ab 1891 als städtischer Magistratsrat tätig.

Von 1897 bis 1918 war er Mitglied des Bayerischen Landtags und stieg bis zum Fraktionsvorsitzenden seiner Nationalliberalen Partei und Vizepräsident des Bayerischen Landtags auf. Als Nachfolger Feustels zog er 1891 gleichzeitig in den Reichstag ein. Er war der letzte Bürgermeister der vom Magistrat und nicht von den Bürgern gewählt wurde. Dennoch galt er als “Gentleman”.

Ausblick

Sein Nachfolger Albert Preu, dem der nächste Teil unserer Serie gewidmet ist, lobte ihn als “ritterliche Erscheinung voll Menschenfreundlichkeit und herzgewinnender Liebenswürdigkeit” aber auch als “überzeugungsfesten und streitbarer Politiker von glühender Vaterlandsliebe”. 

Dr. Leopold von Casselmann, der sein Oberbürgermeisteramt mit viel “Fingerspitzengefühl” ausübte, amtierte bis zum 30. Juni 1919. Er starb am 23. Mai 1930, im selben Jahr wie Cosima und Siegfried Wagner, in Bayreuth. Casselmanns Nachfolger war Albert Preu.


Text: Stephan Müller

 

Theodor Ritter von Muncker: Er holte Richard Wagner nach Bayreuth

In Teil 8 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller, wie es ein Bayreuther Bürgermeister schaffte Richard Wagner nach Bayreuth zu locken.


Festspielgäste statt Badegäste

Der Nachfolger von Bürgermeister Friedrich Carl Dilchert wurde Theodor Ritter von Muncker (1823 – 1900), der in der Bayreuther Stadtgeschichte immer mit den ersten Bayreuther Festspielen genannt werden muss.

Zusammen mit dem Bankier Friedrich Feustel gelang es dem gebürtigen Bayreuther, Richard Wagner an Bayreuth zu binden. Vielleicht unter dem Eindruck einer “Tannhäuser”-Aufführung am 30. Juni 1860, die anlässlich der fünfzigjährigen Zugehörigkeit Oberfrankens zum bayerischen Königreich im Markgräflichen Opernhaus aufgeführt wurde und der Bürgermeister Muncker mit großer Wahrscheinlichkeit beiwohnte.

Am 1. November 1871 gab Wagner Bürgermeister Muncker und dem Gemeinderats-Vorsitzenden Friedrich Feustel seine Festspielabsichten bekannt. Seine Wahl sei deshalb auf Bayreuth gefallen, weil es ihm das Badepublikum fernhalte, kein stehendes Theater habe und in Bayern gelegen sei.

Wohin mit einem Festspielhaus?

Daraufhin teilte ihm Muncker mit, dass er vom Stadtmagistrat am Stuckberg bei Sankt Georgen ein Grundstück erhalte, um dort ein Festspielhaus zu bauen. Man werde das Grundstück von der Bayreuther Familie Rose erwerben und ihm als Baugelände für das Festspielhaus zur Verfügung stellen. Wagner besichtigte das Grundstück am 15. Dezember 1871. Der Standort sagte ihm zu. Aus dem Plan sollte jedoch nichts werden. Ein Miteigentümer der Familie Rose verweigerte der Stadt den Grundstücksverkauf. So reisten Muncker und Feustel am 8. Januar 1872 zu Wagner in das Haus Tribschen an den Vierwaldstätter See, um dem Meister einen neuen Standort unterhalb der „Bürgerreuth“ schmackhaft zu machen, was ihnen nach langen Diskussionen auch gelang.

Mehr dazu:

Verantwortlich für die ersten Telefonanschlüsse

Muncker, der von 14. Februar 1863 bis zu seinem Tod am 14. Februar 1900 – auf den Tag genau 37 Jahre nach seiner Wahl – Oberbürgermeister war, war der Sohn eines Kreiskassedieners. Er kehrte 1851 nach seinem Jurastudium in Erlangen und München in seine Vaterstadt zurück und bekam eine Stellung in der Stadtverwaltung.

In Munckers 37-jährige Amtszeit fällt der Bau des Zentralschulgebäudes (heute Graserschule), das damaligen Kasernenviertels und natürlich die wichtigsten Errungenschaften des Industriezeitalters wie der Bayreuther Anschluss an das Eisenbahnnetz, der Ausbau der Trinkwasser- und Abwasserleitungen oder die ersten Telefonanschlüsse verwirklichen.

Er förderte das Schul- und Gesundheitswesen und setzte sich mit dem Bau einer Turnhalle in der Dammallee oder einer städtischen Badeanstalt im Main auch für die sportlichen Aktivitäten der 1861 gegründeten Turnerschaft ein. Im Jahr 1887 wurde er durch die Verleihung des bayerischen Kronenordens in den Adelsstand erhoben, ehe ihm 1891 noch der Rang und Titel eines Hofrats verliehen wurde. Munckers Nachfolger wurde der liberale Reichtags- und Landtagsabgeordneten Dr. Leopold Casselmann.


Text: Stephan Müller

Wirtsgogl-G’schichtla: Wie ein Oberfranke das Feuerzeug erfand

Adrian Roßner, Foto: Privat

Adrian Roßner ist einer der jüngsten Heimatforscher Deutschlands und kommt aus der Region Bayreuth: In seiner bt-Serie „Wirtsgogl-Gschichtla“ gibt er regelmäßig Einblicke in seinen Fundus an kuriosen Geschichten, unglaublichen Erzählungen und Besonderheiten aus unserer Region.

In Teil 13 der Serie erzählt Adrian Roßner von einer zündenden Idee aus dem Fichtelgebirge, die die ganze Welt revolutionierte.

Hier die aktuellste Geschichte des Wirtsgogl als Text und als Podcast zum Anhören.

 

 


Wirtsgogl-G’schichtla #13 als Podcast zum Anhören


Wussten Sie schon…
…dass die zündende Idee eines Münchbergers die Welt revolutionierte?

Die Geschichte der Menschheit kennt verschiedene Momente höchster Erfindungskunst, die – sei es durch logisches Denken oder durch bloßen Zufall – ihre Entwicklung maßgeblich beeinflussten. Die „Zähmung des Feuers“ ist eine davon und ermöglichte in der Folge nicht allein das Kochen der Nahrung, sondern auch die Herstellung metallener Werkzeuge. Heute freilich ist keinerlei Zauberei mehr vonnöten, um die Flammen emporlodern zu lassen, da beinahe jeder sein „Feuer-Zeug“ (anfangs Feuerstein, Schlageisen und Zunder) in der Tasche stecken hat. An dieser unscheinbaren Erfindung jedoch hat ein Oberfranke großen Anteil.

Traumberuf: Apotheker

Johann Wolfgang Döbereiner stammt aus Hof, wo er am 13. Dezember 1780 das berühmte Licht der Welt erblickte. Bereits wenige Monate nach der Geburt des Sohnes verzog die Familie des Kutschers Johann Adam Döbereiner nach Bug, wo sich letzterer zum Gutsverwalter des Ansitzes derer von Lindenfels hocharbeitete. In Anbetracht dieser Karriere erschien es nur logisch, dass sein Sohn diese Position einmal übernehmen würde – doch hatte der andere Pläne.

Foto: Privat

Schon in jungen Jahren stahl sich Johann Wolfgang heimlich davon, um beim Weißdorfer Pfarrer David Weiß Einblicke in die Welt der Wissenschaft zu sammeln: Die von ihm entliehenen Bücher las er heimlich und mithilfe einer selbstgebauten Lampe unter der Bettdecke, um es vor dem Vater zu verbergen; in den Brauhäusern fand er zeitgleich Gefallen an chemischen Prozessen, die er sich von den Braumeistern erklären ließ. Nach mehrmaligen Bitten und Betteln – und der Fürsprache seiner Mutter, sowie des Weißdorfer Pfarrherren – willigte Johann Adam schließlich ein, seinem Sohn den lang gehegten Wunsch zu erfüllen und ihn nach Münchberg zu schicken, wo er seine Lehre antreten wollte.

Im Alter von 14 Jahren kam Johann Wolfgang Döbereiner zum Stadtapotheker Christian Ernst Lotz, der es ihm endlich gestattete, den aufgeweckten Geist auszuleben und Antworten auf die brennendsten Fragen zu suchen. An verschiedenen Universitäten holte er die fehlende Bildung nach der Lehrzeit nach, ehe er als 22-Jähriger nach Münchberg zurückkehrte.

Gerüchteküche brodelt

Der Stadtmagistrat jedoch zeigte sich von seinem Vorhaben, eine eigene Apotheke zu eröffnen, derart erschüttert, dass Johann Wolfgang der Stadt schließlich den Rücken kehrte, um im nahen Gefrees eine „Drogen – und Landesproduktenhandlung“ zu eröffnen. In einer kleinen Fabrik im Nebengebäude tüftelte er bis spät in die Nacht hinein an verschiedenen Experimenten, was natürlich die Neugier der Nachbarn weckte.

Bald schon kursierten Gerüchte über den leicht verschroben wirkenden Mann, die dadurch genährt wurden, dass hin und wieder kleine Explosionen sein Haus erschütterten. Als einzige Möglichkeit, einem drohenden Rechtsstreit zu entgehen, verzog er mit seiner zwischenzeitlich gegründeten Familie wiederum in die alte geistige Heimat, Münchberg, und nahm eine Anstellung im Betrieb seines Schwagers an. Bei jener Firma handelte es sich um die Färberei Knab&Linhardt, die später als „Aktienfärberei“ selbst einige Patente auf den Weg bringen sollte. Den Grundstock für den Erfolg des Betriebes legte dabei kein geringerer als Döbereiner, der die Firma nicht nur kaufmännisch auf den neuesten Stand brachte, sondern mittels der „Chlor-Bleiche“ auch modernste Produktionsverfahren einführte.

Aufstieg zum Professor für Chemie

Im Anschluss an einen letzten Umzug nach Bayreuth, wo er zwischenzeitlich die Leitung der Brauerei des Gutes St. Johannes übernommen hatte, drohte die kleine Familie schließlich endgültig in die Armut abzugleiten: Zu gering war das Auskommen des Vaters, der sich lieber auf seine Experimente konzentrierte, als geldbringende Aufträge anzunehmen. Adolph Ferdinand Gehlen, der in seinem „Neuen allgemeinen Journal der Chemie“ bereits einige Texte Döbereiners veröffentlicht hatte, sprang schließlich für den liebgewonnenen Schützling ein und verschaffte ihm eine Anstellung als Professor der Chemie, Pharmazie und Technologie an der Universität in Jena.

Schnell wurde er, der sich sein gesamtes Wissen durch Experimente und Versuche angeeignet hatte, aufgrund seiner Begeisterungsfähigkeit immer beliebter bei den Studenten – und verhasster bei den Kollegen, die sich über den Dunst und Qualm im Lehrsaal beschwerten, der nach Döbereiners sehr praktisch-ausgelegter Vorlesung die Atemwege reizte.

Revolutionäre Erfindungen

In den folgenden Jahren, in denen selbst Johann Wolfgang von Goethe zu seinen engsten Freunden zählte und er, unter anderem begünstigt durch die genervten Briefe der Kollegen, die Einrichtung einer eigenen Pharmakologischen Anstalt in Jena durchsetzen konnte, gelangen Döbereiner mehr und mehr Erfindungen, die vor allem die Chemie revolutionierten: So war er es, der als erster die chemischen Elemente anhand ihres Gewichtes gruppierte und in ein Triadensystem einordnete, womit er den Grundstock für eben jenes Periodensystem legte, das noch heute im Chemieunterricht Verwendung findet.

Erfinder des Feuerzeugs

Bereits 1816 führte seine Katalyse-Forschung zu einem ersten Erfolg, als er aus Kohle und Wasser ein sogenanntes „Lichtgas“ herstellte und, praktisch nebenbei, eine Methode der Schnellessigfabrikation erfand. Durch seine Anstellung als Berater des Königs und die enge Freundschaft mit Goethe kam Döbereiner schließlich auch in den Genuss, die russische Erbprinzessin Maria Paulowna kennenzulernen, die ihn für seine folgenden Versuche das nötige Platin verschaffte. Mithilfe dieses seltenen Stoffes gelang ihm 1823 die Erfindung einer Zündmaschine, die die Grundlage für das noch weit ins 20. Jahrhundert gebräuchliche Katalysator-Feuerzeug darstellt.

Symbolbild: pixabay

Mehr oder weniger nebenher publizierte er in unzähligen Fachzeitschriften und Monographien einige Auszüge aus seinen breiten Forschungsfeldern. Während dieser ganzen Zeit blieb er Jena, trotz verlockender Angebote anderer Universitäten und selbst des Zaren von Russland, treu ergeben und fand schließlich Aufnahme in den Kreis der „Großen von Weimar“. Zudem verschlug es ihn aber auch immer wieder in die alte Heimat: Nachgewiesen sind unzählige Besuche in Weißdorf und Münchberg, die seine Verbundenheit zur Region, in der die Grundlage all seines Schaffens lag, deutlich machen.

Tod durch chemische Stoffe

Am Ende eines arbeits- und strebsamen Lebens, zahlreicher Erfindungen und grundlegender Experimente, sowie der Zeugung von alles in allem neun Kindern, war es die Wissenschaft selbst, die Döbereiner den Tod brachte: Vermutlich aufgrund der Eigenheit, chemische Stoffe durch das Kosten mit der Zunge zu identifizieren, zog er sich schließlich Speiseröhrenkrebs zu und verstarb am 24. März 1849. Bis heute jedoch gilt er als einer der wichtigsten Pioniere der chemischen Forschung, als Wegbereiter der modernen Wissenschaft und in zahlreichen Städten, die allein seine kurze Anwesenheit genießen konnten, als Ehrenbürger.


Text: Adrian Roßner


Mehr vom Wirtsgogl

Friedrich Carl Dilchert – Bayreuths Bürgermeister wider Willen

Zack! Man steht protestierend und verneinend in der Gegend herum und plötzlich ist man Bürgermeister – gegen seinen Willen. So ähnlich erging es Friedrich Carl Dilchert. Mehr dazu gibt’s in Teil sieben der bt-Serie über Bayreuths Bürgermeister. Der bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller blickt zurück.


Ein unbekannter Bürgermeister?

“Über die Person und Amtszeit von Bürgermeister Friedrich Carl Dilchert (1851 bis 1862), der am 30. August 1802 in Bayreuth geboren wurde, ist nicht mehr besonders viel bekannt. Nicht einmal ein Bild von ihm ist erhalten” schrieb der Bayreuther Lokalhistoriker Karl Müssel in seinem Buch “Bayreuth in acht Jahrhunderten”, das er zum 800-jährigen Jubiläum der Stadt Bayreuth im Jahr 1994 herausbrachte. 

Im Frühjahr 2004 meldeten sich jedoch die Urahnen des Bürgermeisters bei dem Bayreuther Markus Barnick, der im Internet bedauert hat, dass von Friedrich Carl Dilchert weder im Stadtarchiv noch im Historischen Museum ein Bild gibt. 

Im Neuen Rathaus kam es dann zu einem Zusammentreffen von Barnick, Dilcherts Nachfahren und dem damaligen Bürgermeister Bernd Mayer. Dort ergab sich zumindest die Möglichkeit, zwei wertvolle Gemälde von Friedrich Carl Dilchert und seiner Ehefrau Rosalie, geboren 1804, abzulichten.

Gegen seinen Willen

Dilchert war von 1851 bis zu seinem Rücktritt im September 1862 Bayreuther Bürgermeister. Nach der Abdankung von Erhard Christian Hagen von Hagenfels, der wegen der Ereignisse im Revolutionsjahr 1848 zurückgetreten war, war es nicht leicht einen neuen Bürgermeister zu finden. 

Drei Jahre dauerte es, bis sich Friedrich Carl Dilchert dazu bereit erklärte. “Gegen meinen Willen”, so schreibt er selbst, “gegen meine Vorstellungen und Bitten wurde ich am 16. November 1848 als Vorstand des Armenpflegschaftsrates und bei der Gemeindeersatzwahl 1851 als Bürgermeister und Magistratsvorstand gewählt.” Als stadtbekannter “Spezereihändler” (für Gemischtwaren, Lebensmittel, Gewürze) war er für Handel und Industrie, den Eisenbahnbau sowie für Erziehung und Unterricht besonders aufgeschlossen.

Vor Ort bei den Festspielen

Dilchert bewohnte wie der spätere Oberbürgermeister Hans Walter Wild, der berühmte Physiker Emil Warburg und dessen Kinder Otto (Chemie-Nobelpreisträger 1931) und Charlotte (1884 bis 1948) das Gut Grunau in der Nähe von Aichig. 

Wie Emil Warburg (1931), der zum Namensgeber einer Stiftung der Bayreuther Universität geworden ist, und Lotte Warburg (1948), die als Schriftstellerin bekannt wurde, starb auch Dilchert, der somit noch die ersten Bayreuther Festspiele (1876) erleben konnte, am 27. Juni 1879 im Gut Grunau. Er vermachte der Stadt eine ansehnliche Stiftung. 

Ausblick

Dilcherts Nachfolger wurde Theodor Ritter von Muncker, der in der Bayreuther Stadtgeschichte immer mit den ersten Bayreuther Festspielen genannt werden muss. Zusammen mit dem Bankier Friedrich Feustel gelang es Muncker, dem der nächste Teil unserer Serie gilt, Richard Wagner an Bayreuth zu binden. Vielleicht unter dem Eindruck einer “Tannhäuser”-Aufführung am 30. Juni 1860, die anlässlich der fünfzigjährigen Zugehörigkeit Oberfrankens zum bayerischen Königreich im Markgräflichen Opernhaus aufgeführt wurde. Bürgermeister Muncker und auch sein Vorgänger Dilchert waren mit großer Wahrscheinlichkeit Zuschauer der ersten Aufführung einer Wagner-Oper in Bayreuth.


Text: Stephan Müller

 

Erhard Christian Hagen von Hagenfels: Bayreuths erster echter Bürgermeister

Teil sechs der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern. Heute erzählt bt-Historiker Stephan Müller vom ersten rechtskundigen Bürgermeister Bayreuths.


Eine neue Verfassung

Im Jahr 1810 wurde Bayreuth bayerisch. Im Rahmen der Montgelas’schen Reformen wurde bereits am 1. Mai 1808 eine Verfassung erlassen, die nach französischem Vorbild die Grundlage für ein neues, einheitliches aber auch zentralistisches Staatsrecht bildete. Das konnte nicht funktionieren. Nach Montgelas’ Entlassung wurde am 26. Mai 1818 eine neue Verfassung verabschiedet, mit der der bayerische König Max Joseph freiwillig seine Macht beschränkte. 

Damit konnte in Bayreuth mit dem 32-jährigen Erhard Christian Hagen von Hagenfels (17. Juli 1786 bis 28. Oktober 1867) der erste rechtskundige Bürgermeister der Stadt gewählt werden. Bei den Gemeindewahlen wurden in erster Instanz durch Urwahlen die Wahlmänner bestimmt, die anschließend die Mitglieder des Magistrats wählten. Die feierliche Einsetzung des Magistrats fand am 18. November 1818 im Saale “zum Anker” statt

Ein Adeliger

Erhard Christian Hagen von Hagenfels studierte nach seinem Abschluss am Gymnasium Christian Ernestinum in Erlangen und Halle Rechtswissenschaft und “Cameralwissenschaften”. Aufgrund seiner Verdienste als Landtagsabgeordneter, Mitglied der Generalsynode und Vorstand des Bayreuther Magistrats wurde Hagen, der in de Friedrichstraße 17 wohnte, am 11.11.1837 vom bayerischen König in den Adelsstand erhoben. 

Ein Bayreuther in München

Er vertrat lange Zeit die Interessen Bayreuths auch als Landtagsabgeordneter in München. Als sich im Revolutionsjahr 1848 eine Bürgerversammlung im Sonnensaal versammelte, um eine Petition an den König einzureichen, zeigte sich der Hagen gegenüber dem Monarchen loyal. Den seiner Meinung nach zu weit gehenden Forderungen nach Pressefreiheit und einem neuen Wahlrecht verweigerte er seine Unterschrift und erklärte seinen Rücktritt. 

1.500 Gulden Verdienst

Im Jahr 1827 war Hagen Mitbegründer des noch heute rührigen Historischen Vereins, dem ersten seiner Art im Königreich Bayern. Er starb am 28. Oktober 1867 und wurde in einer Gruftkapelle auf dem Stadtfriedhof begraben. Bayreuth war nach dem Rücktritt von Hagen drei Jahre ohne Bürgermeister. Die Amtsgeschäfte leiteten der zweite (bürgerliche) Bürgermeister Apotheker Heumann und später der Kaufmann Schweizer.

Am 16. Mai 1849 wurde das Amt des Bürgermeisters mit einem Gehalt von 1.500 Gulden sogar öffentlich ausgeschrieben. Ein geeigneter Bewerber fand sich jedoch nicht. Erst mit Friedrich Carl Dilchert, der im nächsten Teil unserer Serie vorgestellt wird, bekam Bayreuth mit seinen rund 12.000 Einwohnern im Jahr 1851 wieder einen Bürgermeister.

Erhard Christian Hagen von Hagenfels. Repro: Stephan Müller.


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Eisenbeiß unter Aufsicht

Unter der bayerischen Herrschaft hatten Bürgermeister in Bayreuth nicht viel zu sagen. In Teil fünf der Serie zu Bayreuths Bürgermeistern, erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von einem solchen Bayreuther Bürgermeister “unter Aufsicht”.


Von Franzosen besetzt und verschenkt

In der napoleonischen Epoche war ein neuer bayerischer Staat mit einem stark erweiterten Staatsgebiet und einem König an der Spitze entstanden. Die Proklamation zum Königreich am 1. Januar 1806 wurde durch Bayerns Schlüsselrolle im Napoleonischen Rheinbund und der Austritt aus dem Reichsverband ermöglicht. 

Napoleon. Foto: Pixabay.

Das seit 1792 preußische Bayreuth wurde am 7. Oktober 1806 von 30.000 Franzosen besetzt. Die französische Besetzung dauerte bis zur Unterzeichnung des französisch-bayerischen “Pariser Vertrages” vom 28. Oktober 1810, als Bayern als ” Dank für treue Waffengesellschaft” unter anderem Berchtesgaden, das Innviertel, Salzburg oder die Fürstentümer Regensburg und Bayreuth zugesprochen bekam. Mit der offiziellen Übergabe der Urkunde im Neuen Schloss durch General Compans an den bayerischen Gesandten Rechberg wurde Bayreuth am 30. Juni 1810 bayerisch.

Municipal-Gemeinde Bayreuth

Die Selbstverwaltung war jedoch zu Zeiten der Völkerschlacht bei Leipzig (1813) oder des Wiener Kongress (1815), der die staatliche Neuregelung Europas regelte, noch in weiter Ferne. Das Gemeindewesen war zentralistisch und obrigkeitsstaatlich. Unter den Begriff Gemeinde fielen Städte, Märkte und Dörfer.

Während kleine Gemeinden unter dem beständigen Kuratel des Staates standen und ohne Genehmigung keine gültigen Gemeindebeschlüsse mehr fassen konnten, durften in größeren “Municipal-Gemeinden”, zu denen Bayreuth mit seinen damals 10.000 Einwohnern gehörte, Räte gebildet werden. 

Wenig zu sagen

So trat in Bayreuth an Stelle des bisherigen Magistrates ein nur vierköpfiger Municipalrat, der nur mit dem Wissen und der Genehmigung der Polizeistelle Beschlüsse fassen durfte. Die Räte waren der bisherige Bürgermeister Eisenbeiß, der Bäckermeister Florschütz aus St. Georgen, Mühlinspektor Bucht und Kupferschmied Amos. 

Sie hatten also wenig zu sagen. Grundlegend änderte sich dies erst nach dem Bayerischen Gemeindeedikt des neu formierten Königreichs Bayern. Nach den gescheiterten Montgelas’schen Reformen wurde im Jahr 1818 wurde die bayerische Gemeindeordnung eingeführt, womit die Stadt hauptberufliche Bürgermeister bekam. 

Ausblick

Der erste rechtskundige Bürgermeister Bayreuths war Erhard Christian Hagen von Hagenfels, den wir im nächsten Teil unserer Serie vorstellen werden. Berühmte Bayreuther Bürger oder Kinder aus diesen Tagen waren Jean Paul (1763 – 1825), Johann Kaspar Schmidt (1806 – 1856), der unter dem Pseudonym Max Stirner in seiner Zeit Berühmtheit erlangte, Dr. Johann Baptist Graser (1766 – 1841), der sich um den Aufbau des Schulwesens sorgte oder Dr. Johann Georg August Wirth (1798 – 1848). Der spätere Hauptredner des Hambacher Festes (1832) besuchte ab 1811 das Bayreuther Gymnasium. 


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Hans David Braun und seine trauernde Witwe

“Meine Augen threnen gissen, die ich weine Tag und nacht”. Mit diesen Worten trauerte die Witwe des ehemaligen Bayreuther Bürgermeisters Hans David Braun nach seinem Tod. In Folge vier der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern beleuchtet bt-Kolumnist Stephan Müller Braun, einen Gedenkstein und mehr.


Ein Stein zu Ehren eines Bayreuther Bürgermeisters

“Mein Wandrer stehe still – beschaue diesen Stein, und liß die schwartze Schrift, denckstu Was mag es seyn, so wiße daß hier ein Trauerfall geschehen. Herr Bürgermeister Braun ist hier am schlag erblast.”

So beginnt die lange Inschrift auf dem “Braunstein”. Der schöne barocke Gedenkstein, der rund zwei Kilometer nordwestlich von Eschen am Vogelherd zu bewundern ist, ist Hans David Braun gewidmet. Der Bayreuther Bürgermeister verstarb am 22. Februar 1702 an dieser Stelle.

Rund zwei Kilometer nordwestlich von Eschen steht am Vogelherd ein schöner barocker Gedenkstein, der Hans David Braun gewidmet ist. Der Bayreuther Bürgermeister verstarb am 22. Februar 1702 an dieser Stelle. Foto: Stephan Müller.

Eine Rechnung als Beweis

Während die Bevölkerung in der Eckersdorfer Gegend lange vermutete, dass es sich dabei um den Wonseeser Bürgermeister handelte, konnte der Bayreuther Stadtarchivar Walter Bartl beweisen, dass es sich um das Bayreuther Stadtoberhaupt handelte, der gleichzeitig “Spitalmeister” war. 

Ein erster Hinweis ist freilich schon der Titel des Bürgermeisters, der nur in der Stadt verwendet wurde. Die Dorfvorsteher hatten das Amt des “Schultheiß” inne. Einen noch besseren Beweis lieferte Bartl jedoch eine Hospitalrechnung aus dem Jahr 1702. 

Tafel am Braunstein. Foto: Stephan Müller.

Eine trauernde Witwe

Das Papier sichert der Witwe des “seligen Herrn Bürgermeister Braun” nicht nur das Gehalt ihres am “22. Februar” verstorbenen Mannes für ein Vierteljahr zu, sondern bestätigt für diesen Tag auch Brauns “Dienstreise” in diese Gegend. Im Zuge von “Spitalverrichtungen” war der Spitalmeister Braun vermutlich nach Tannfeld oder Trumsdorf unterwegs, um die Steuern für die Nutzung von spitaleigenen Grundstücksflächen zu kassieren.

Auf der Rückseite des “Braunsteins” beklagt die trauernde Witwe den Tod ihres Mannes: 

“Meine Augen threnen gissen, die ich weine Tag und nacht” (…) Weil mein Schatz ließt Todt verblichen, mein Schutz ist Von mir gewichen.”

Braun in Bayreuth

Neben diesem Gedenkstein Braunstein erinnert heute noch die Braunhofstraße im Bayreuther Stadtteil Altstadt an den ehemaligen Bürgermeister. Der Braunhof selbst (Tierarztpraxis) und das Haus Maximilianstraße 28 mit dem doppelköpfigen byzantinischen Reichsadler (bekannt als “Reichshof”) waren zumindest zeitweise im Besitz von Hans David Braun. 

Der Reichshof. Foto: Stephan Müller.

Regiert hat in dieser Zeit noch der Markgraf Christian Ernst (1655 bis 1712), der hoch über den Brunnen vor dem Neuen Schloss thront. Sein Sohn, Erbprinz Georg Wilhelm (1712 bis 1726), war gerade im Begriff (ab 1701) in der Nähe von Bayreuth am Ufer des Brandenburger Sees die planmäßig angelegte Stadt Sankt Georgen mit dem Schloss und der Ordenskirche zu errichten. 

Ausblick

Im nächsten Teil unserer Serie wenden wir uns einer Zeit zu, in der die Bayreuther Bürgermeister wenig zu sagen hatten. Während der französischen Besetzung und in den ersten acht Jahren unter bayerischer Herrschaft stand der Rat unter Aufsicht…


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Conrad Küffner – Kampf ums Hofbräuhaus

Ein Bayreuther Bürgermeister kämpft dagegen, dass Bayreuth zwei Hofbrauereien bekommt. Alle Infos gibt’s in Teil drei der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern.

Brauhäuser für Bayreuth?

Bayreuth war ab 1603 Residenzstadt des Markgrafen Christian. Der hatte inzwischen den Hofgarten angelegt oder ab 1620 seine Münzstätte (in der heutigen Münzgasse) oder das Jägerhaus (an der heutigen Bahnhofstraße) errichtet. 

Unzufrieden war die Herrschaft mit der leiblichen Versorgung. Es gab zwar eine Hoffischerei und eine Hofbäckerei, aber noch keinen Hofmetzger und vor allem keine Hofbrauerei. Damit die Hofkellerei neben den Weinlieferungen auch besser mit Bier versorgt werden konnte, forderte interessanterweise Christians Gemahlin Maria die Errichtung von gleich zwei kleinen Brauhäusern, die unterhalb des Spitals gebaut wurden. 

Der Bürgermeister rebelliert

Das sorgte für einen Protest von Bürgermeister Conrad Küffner, der um das städtische Braurecht fürchtete. In seinem “Hausbuch” vermerkte Küffner, dass er persönlich beim Markgrafen, der wegen des Bayreuther Stadtbrandes von 1605 immer noch auf der Plassenburg residierte, eine Beschwerde vorgetragen habe. 

Der Markgraf traf eine salomonische Entscheidung. Ein Brauhaus ging gegen Entschädigung an die Stadt, das zweite wurde sein Hofbräuhaus, wenngleich es in den Bayreuther Archiven nie unter dieser Bezeichnung genannt wurde.

Ein Bild von Conrad Küffner befindet sich in der Stadtkirche. Auf den beiden Flügeln des Küffner`schen Eptiaphs sind der Bürgermeister und seine Frau zu sehen. Auf diesem kleinen Altar, den die Eheleute stifteten, ist die älteste im Original erhaltene Stadtansicht von Bayreuth zu sehen. Auf dem Gemälde, das zwischen den beiden Bayreuther Stadtbränden entstand, ist die im Brand von 1605 zerstörte Stadtkirche als Ruine und das erst 1621 abgebrannte Rathaus in der Mitte des Marktplatzes zu erkennen. 

Die älteste Bayreuther Stadtansicht, die im Original erhalten ist, befindet sich am Küffnerschen Epitaph in der Stadtkirche. Stephan Müller.

Das älteste Bayreuther Rathaus, das an der Stelle des heutigen “Stadtparketts” am Markt stand, wurde beim zweiten großen Stadtbrand im Jahr 1621 vernichtet. 

Geld für die Kirche

Aus dieser Zeit wissen wir noch von einem Bürgermeister Pangraz Biedermann, der ebenfalls einen noch heute erhaltenen Epitaph in der Stadtkirche stiftete und von einem Bürger- und Kammermeister Justus Brosmann, der nach seinem Tod am 31. Mai 1605 in seinem Testamente dem Gotteshaus 1.500 Gulden zum Wiederaufbau der lateinischen Schule, der Kirche und der Orgel vermachte. Das war viel Geld. Zum Vergleich: Ein mittleres Siedlungshaus kostete damals rund 1.000 Gulden. 

Ausblick

Im nächsten Teil unserer Serie wenden wir uns Bürgermeister Hans David Braun zu, der am 22. Februar 1702 auf einer Dienstreise nordwestlich von Eschen im heutigen Gemeindegebiet Eckersdorf verstarb. Der “Braunstein” an dieser Stelle und der “Braunhof” im Bayreuther Stadtteil Altstadt sind nach Bürgermeister Hans David Braun benannt. 


Text: Stephan Müller

Bayreuths Bürgermeister: Der Rausch des Pancraz Bierzapf

In Teil zwei der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Kolumnist Stephan Müller von einem trinkfreudigen Bürgermeister. Die Vorschau auf die Serie gibt’s hier.

Bürgermeister in der Markgrafenzeit

Gegen die Markgrafen hatten die Bayreuther Bürgermeister wenig zu bestellen. Als Markgraf Christian am 4. Juli 1603 mit seinem Gefolge aus Richtung Erlangen eintraf, um statt der Plassenburg in Kulmbach das Schloss in Bayreuth zu seiner neuen Residenz zu machen, waren Rat und Bürgermeister wenig erbaut darüber. 

Schon im März 1603 versuchten sie ihm sein Vorhaben auszureden. Bayreuth wäre mit seinen 200 überwiegend schlechten und geringen Häusern innerhalb der Stadtmauer viel zu eng für eine Hofhaltung. Für weitere Häuser und Stallungen, die ein Hof benötige wäre kein Platz.

Residenzstadt Bayreuth

Markgraf Christian nahm davon jedoch keine Notiz. Bayreuth wurde Residenzstadt. Stadtschreiber Hans Wolf Heller, Rat und Bürgermeister blieb nichts anders übrig, als den neuen Herrn (“Geh nicht zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst”) auf der Hohen Straße vor den Toren Bayreuths zu begrüßen. Heller wünschte ihm eine “glückselige Wohlfahrt”. 

Dass Christian dann doch viele Jahre auf der Plassenburg verbringen musste, lag an dem Stadtbrand vom 21. März 1605, der 137 der 200 Bayreuther Häuser vernichtete. 

uf der Plassenburg in Kulmbach fand der mehrwöchige, offenbar sehr langweilige, Landtag statt, an dem der Bayreuther Bürgermeister Pancraz Bierzapf teilnahm. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Langeweile auf der Plassenburg

So fand in Kulmbach auch der mehrwöchige Landtag statt. Aus Briefen des Stadtschreibers Hans Wolf Heller und des damaligen Bürgermeisters Pancraz Bierzapf wissen wir, dass es dort ziemlich langweilig war: 

War sonsten noch niemand gekommen, size gar alleine hier, bin heut aus dem Hauß nit gangen, ist nichts zu thun. So hat mich heut auch niemand besucht oder angesprochen, lebe ohne Gesellschafft wie ein verwaistes Turttltäuble.

Die Plassenburg. Foto: Stephan Müller.

Offensichtlich hatten die beiden Schreiben aus Bayreuth – mit einer Nachfrage wie es denn so geht – erhalten:

Dero Schreiben an uns beide gethan haben wir wol empfangen und alles mehreren Inhalts gelesen. Thuen uns auch anfenglich der getreuen Vätterlichen sorge für uns hochfleissig bedancken. Spüren daraus, dass die Herren allerseits in unserer Langweil gebürendes Mitleiden haben und (…) hoffen wir zu Gott, binnen weniger Tagen nach Hause zu gelangen…

Ein Umtrunk

Zumindest durften Heller und Bierzapf auf der Kulmbacher Plassenburg einem gemeinsamen Besäufnis beiwohnen: 

Am Samstag hat unser gnediger Fürst und Herr die Gesandten in der neuen Landstuben durch den Herrn Canzler und andere beywesende Räthe abermal lassen zu Gast bitten. Welche Mahlzeit menniglich von der Landschafft besucht. Darunder auch wir beede mit theils Culmbachern und Höfern hinauf gen Blassenberg gefahren, und abends guete Räusch mit herunder gebracht.

Wegen Misswirtschaft abgesetzt

Bürgermeister Pancraz Bierzapf – sein Name schien Programm gewesen zu sein – gehört sicherlich nicht zu den herausragendsten Stadtoberhäuptern von Bayreuth. Der ehemalige Stadtheimatpfleger Wilfried Engelbrecht wusste zu berichten, dass Bierzapf wegen Misswirtschaft abgesetzt wurde.”

Um das Bier geht es auch im nächsten Teil unserer Serie. Bürgermeister Conrad Küffner wehrte sich gegen ein “Hofbräuhaus” in Bayreuth. 


Text: Stephan Müller

Bayreuths Bürgermeister: Von Widmann bis Wild

Die Geschichte der Bürgermeister in Bayreuth hat einiges zu bieten. In einer neuen Serie beleuchtet bt-Kolumnist Stephan Müller die Bayreuther Bürgermeister von 1450 bis 1988. In Teil eins gibt’s einen ersten Überblick.

Ausblick auf die Serie

In seiner Serie berichtet Müller über das Besäufnis des Bürgermeisters Pancraz Bierzapf anlässlich des markgräflichen Landtages in Kulmbach, über Conrad Küffner, der gegen ein “Hofbräuhaus” kämpfte und dem Bayreuth seine heute älteste Stadtansicht im Originalzustand verdankt, über Bürgermeister Eisenbeiß, der nichts zu sagen hatte. Stephan Müller berichtet über die Schicksale der nationalsozialistischen Bürgermeister Dr. Karl Schlumprecht, der fliehen musste und über Fritz Wächtler, der denunziert und ermordet wurde.

Von den amerikanischen Besatzern wurden ab 1945 Dr. Joseph Kauper, der nach nur sieben Monaten auf einer Dienstreise tödlich verunglückte und der langjährige parteilose Schlachthofdirektor Dr. Oscar Meyer eingesetzt. Es folgten die demokratisch gewählten Stadtoberhäupter Hans Rollwagen, Hans Walter Wild und Dr. Dieter Mronz, Michael Hohl und die amtierende Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe.

Rückblick

Vor einigen Jahrhunderten hieß er “Schultheiß” oder “Schulze”, ehe er “aller anderer burger oberster” genannt wurde: Der Bürgermeister. Er stand an der Spitze des Rates und war meist als primus inter pares, also als Erster unter Gleichen, angesehen. Seine hervorgehobene Stellung diente lediglich der Präsenz nach außen hin, in den meisten Städten war er zudem Bewahrer des Stadtsiegels und Leiter die Ratssitzungen.

Über die Entstehung des Bürgermeisteramtes in Bayreuth hat das Stadtarchiv keine sicheren Daten. Anzunehmen ist, dass dieses Amt bereits mit einem Ratskollegiums in der ersten Hälfte des 14.Jahrhunderts entstanden sein dürfte, sicher ist, dass es in Bayreuth seit 1464 Bürgermeister mit einer Amtszeit von jeweils drei Monaten gab. 

Die Spitze des Rates

Gewählt wurden diese (in den folgenden Jahren wieder wählbare) Stadtoberhäupter von den zwölf Mitgliedern des “Inneren Rates”, der als eigentliche städtische Verwaltungsbehörde aber auch in Gerichtssachen als Schöffenkollegium fungierte. 

Der Bürgermeister nahm neben dem von der Herrschaft eingesetzten Stadtvogt die zu leistenden Eide der Neubürger, Ratsmitglieder, Zunftoberen oder Stadtbediensteten ab. Der Magistrat erließ Verordnungen und regelte, wer und zu welchem Preis das Bürgerrecht erwerben konnte.

Ein Buch mit sieben Siegeln

Der “Innere Rat” wurde durch eine Gemeindevertretung kontrolliert. Diesen “Äußeren Rat” (sechs Mitglieder) hatten aufstrebende Handwerker im Jahr 1432 durchgesetzt. 

Viele Bürgermeister des späten Mittelalters waren zunächst Mitglieder des “Äußeren Rates”, wurden nach dem alljährlichen Amtsaustauschverfahren in den “Inneren Rates” berufen und konnten dort zum Bürgermeister gewählt werden. Diese Amtswechsel bleiben heute für uns ein “Buch mit sieben Siegeln”: Jährlich sollten ein bis maximal drei Räte abtreten und durch andere Bürger ersetzt werden, doch wurde ein gewisser Kern des “Inneren Rates” so gut wie nie ausgetauscht. 

Lange Amtszeiten

So war Claus Kun insgesamt 41 Jahre (1492 bis 1532) Ratsmitglied. Davon saß er 36 Jahre im “Inneren Rat” und amtierte insgesamt 23 Jahre als Bürgermeister. Ebenfalls auf lange Amtszeiten als Stadtoberhäupter kamen Veit Mann (18 Jahre innerhalb von 1498 bis 1532), Fritz Schneider (17 Jahre innerhalb von 1471 bis 1513), Eberhard Widmann (16 Jahre zwischen 1450 und 1485) und Heinz Part (16 Jahre innerhalb von 1507 bis 1529). Die Gesamtbürgerschaft hatte bei der Wahl der beiden Ratsgremien und somit auch bei der Wahl ihres Bürgermeisters kein Mitwirkungsrecht.

Dieses Rätesystem hatte auch über die Markgrafenzeit Bestand. Nachdem Markgraf Alexander die Markgrafschaft am 22. Dezember 1791 an Preußen abtrat wurden in Bayreuth durch Provinzgouverneur den Karl August Fürst von Hardenberg auch Amtsbürgermeister eingesetzt. 

Änderungen

Grundlegend änderte sich dies erst nach dem Bayerischen Gemeindeedikt des neu formierten Königreichs Bayern. Nach den gescheiterten Montgelas’schen Reformen im Jahr 1818 wurde die bayerische Gemeindeordnung eingeführt, womit die Städte hauptberufliche Bürgermeister bekamen. 

Der erste rechtskundige Bürgermeister Bayreuths war Erhard Christian Hagen von Hagenfels. Seine Nachfolger waren Friedrich Carl Dilchert und Theodor Ritter von Muncker, der Richard Wagner nach Bayreuth lockte, Dr. Leopold von Casselmann oder Albert Preu.

In den kommenden Tagen wird das BAYREUTHER TAGBLATT die Bayreuther Bürgermeister mit Porträts und Geschichten vorstellen. 


Text: Stephan Müller