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Warum die Bayreuther fast nackt durch die Gassen liefen

Hobby-Historiker Stephan Müller erklärt, was es mit den Badehäusern und Badestuben in Bayreuth auf sich hatte – und wo es diese gab.

Die Geschichte der Bayreuther Markgrafentochter – mit Briefen fing es an

August der Starke ist der wohl bekannteste sächsische Herrscher. Er wurde 1670, als zweiter Sohn des Kurfürsten Johann Georg III. geboren und 1694, nachdem sein älterer Bruder Johann Georg IV. an den Blattern verstorben war, Kurfürst von Sachsen. Weniger bekannt ist, dass seine Ehefrau Christiane Eberhardine, Tochter des Markgrafen Christian Ernst, eine Bayreutherin war. Zum ersten Mal sahen sich Friedrich August und Eberhardine, als Markgraf Christian Ernst dem sächsischen Hof in Dresden im Jahr 1687 einen Besuch abstattete. Die damals 15-jährige Prinzessin war ein ausnehmend anmutiges und hübsches Mädchen, war groß gewachsen, hatte eine “vornehme” blasser Haut und langes blondes Haar. Sie war bescheiden, sittsam und intelligent und machte somit mächtig Eindruck auf August. So wanderten immer häufiger Briefe und Geschenke zwischen Bayreuth und Dresden hin und her, bis schließlich Johann Georg III. für seinen Sohn beim Markgrafenpaar um Christiane Eberhardines Hand anhielt.

Doch in Bayreuth war August wahrlich nicht die erste Wahl. Mutter Sophie Louise hielt den lebenslustigen Wettiner für keinen soliden Ehemann. Nachdem mit Johann Wilhelm von Pfalz-Neuburg und einem dänischen Prinzen noch weitere Bewerber zur Auswahl standen, spielten die Bayreuther erst einmal auf Zeit. Schließlich hatte der Verehrer aus Dresden auch einen älteren Bruder und würde wohl kaum Regent werden.

“Ihr gedreister Knecht”

Nach langem Hin und Herr willigte der Markgraf aber doch ein und Friedrich August griff freudig zur Feder: Am 27. August 1692, schrieb er Eberhardine einen überschwänglichen Brief an die “scheenste Prinzessin von der ganzen Welt“, einen Brief, den der Bayreuther Historiker Karl Müssel als „verliebte(s) Gestammel eines jungen Mannes“ bezeichnete, das “von der sächsischen Mundart bestimmt wurde.“

Der Brautwerber erklärt seiner „Durchleichtigste princessin“ sein Entzücken über das „glickliche Jawohrt“ und verspricht: „Sie haben in ihren henden einen gehorstamsten schlafen (Sklaven) glicklich und unglicklich zu machen.“ Die Unterschrift: „Ihr gedreister Knecht Friedrich August Herzog von Sachsen.“

“Allhier hochfürstliches Beilager gehalten”

Die Trauung ging am Dienstag, den 10. Januar 1693 in Bayreuth über die Bühne. Im Kirchenbuch steht unter diesem Datum, dass die “Ehe geschlossen” und “allhier hochfürstliches Beilager gehalten” wurde. Es war das wohl festlichsten Ereignis des Bayreuther Hofes im 17. Jahrhundert. Anzumerken ist, dass es im Jahr 1700 eine Kalenderreform gab, so dass der Hochzeitstag sieben Jahre später nach dem neuen System auf den 20. Januar 1693 geändert wurde.

Die Festlichkeiten mit Banketten und Opernaufführungen dauerten vier Wochen. Einer der Höhepunkte war das Hochzeitsgeschenk von Markgraf Christian Ernst an seine Tochter. Es ist überliefert, dass Christiane Eberhardine eine riesige Torte gebracht wurde aus der der kleine Johann Tramm sprang. Der Hofzwerg war der “Liebling” von Christian Ernst. Er war etwa “zwei Schuh”, also nur etwas über 60 Zentimeter, groß. Der kleine Mann war sehr beliebt, er genoss am Bayreuther Hof “Narrenfreiheit” und vergnügte die Hofgesellschaft mit seinen Späßen.

Einzug in Dresden

Am 17. Februar 1693 kam die Hochzeitsgesellschaft in Dresden an. Als die Kutschen durch das Stadttor fuhren, begannen alle Kirchenglocken zu läuten. Das Brautpaar wurde von den prächtigen Hoftrompetern und der jubelnden Einwohnerschaft empfangen. Es folgte ein Bankett im Jägerhof und wie schon in Bayreuth Feste und Vergnügungen. Kurz nachdem die Prinzessin nach Dresden übergesiedelt war, zog August zunächst nach Norddeutschland in den Krieg, um Dänemark im Kampf um das Herzogtum Lauenburg beizustehen. Danach unternahm er, wie zuvor schon einmal als Junggeselle, eine sicherlich wenig langweilige Kavalierstour zum Karneval nach Venedig, nach Rom und Neapel.

Eberhardine blieb einsam zurück. Am 11. Februar 1694, also nur etwas über ein Jahr nach der Hochzeit, schrieb sie, immer noch in ihren Gemahl verliebt, ihrer Mutter:

„Der Hertzog würd stüntlich erwartet und verlanget mich gar ser, ihm wider hir zu wißen. Er ist alle zeit gesunt geweßen. Die lustparkeiten aber zu Venisse sollen gar Schlegt geweßen seyn, als glaube, es würd ihm wohl gereuen diese reise gethan zu haben, welche ich wünsche, so verbleibt er ein anter mahl bey mir.”

Die Markgrafentochter Christiane Eberhardine von Brandenburg. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Friedrich August wird Kurfürst

Am 27. April 1694 kam August dann überraschend an die Macht. Sein älterer Bruder, Kurfürst Johann Georg IV., war mit 27 Jahren an den Blattern gestorben. Plötzlich war August Herrscher von Sachsen. Auf ein Kondolenzschreiben ihrer Mutter zum Tod des kurfürstlichen Schwagers und ihrem plötzlichen Aufstieg zur Kurfürstin von Sachsen antwortete Christiane Eberhardine am 4. Mai 1994:

Welcher geschwinter Todt, wie Euer Gnaden leicht glauben können, eine ser große affligtion bey unß allerseitz verursagt hatt. … Viel mehr aber sage ich unterthenigsten Danck vor die freude, so Euer Gnaden mir temoingiren, daß es dem großen Gott gefahlen, die Chur nuemehro dem Hertzog als nun Churfürst mit zu theilen und ich auch dadurch zu einer größeren wührte gelanget.

Der Thronfolger kommt auf die Welt

Es dauerte noch bis in das vierte Ehejahr, ehe am 7. Oktober 1696 mit dem Kurprinzen Friedrich August (II.) der einzige Sohn des Paares geboren wurde. Anlässlich der Geburt schenkte August seiner Frau das Schloss Pretzsch, die an der Elbe – und war sie los … Aus der Hoffnung eines glücklichen Ehelebens wurde nichts. Sie hatte ihre dynastische Pflicht erfüllt und er kränkte sie maßlos damit, dass er als “unwiderstehlicher Liebhaber” wahrgenommen werden wollte und seine Zeit mit seinen zahlreichen Mätressen verbrachte. Mehrere Jahrzehnte später beurteilte die Bayreuther Markgräfin Wilhelmine, die in jungen Jahren selbst einmal in das Visier von August den Starken geriet, in ihren (geschwätzigen) Memoiren die Sachlage so:

„Er unterhielt eine Art Harem der schönsten Frauen seines Landes. Als er starb, berechnete man, dass er von seinen Maitressen 354 Kindern gehabt habe.“

Das scheint natürlich maßlos übertrieben. Belegt sind acht uneheliche Kinder von August dem Starken, die er mit sechs verschiedenen Mätressen gezeugt hat. Aber auch sonst ließ sie in ihren Memoiren kein gutes Haar an ihm:

(…) Sie kamen auf den Einfall, mich mit dem König August von Polen verheiraten zu wollen. Dieser zählte damals neunundvierzig Jahre. Seine Liebeshändel waren weltberühmt; er besaß große Eigenschaften, doch wurden sie von seinen zahlreichen Fehlern verdunkelt. Eine zu große Vergnügungssucht ließ ihn das Wohl seines Staates und seiner Untertanen vernachlässigen, und seine Trinksucht verleitete ihn zu Unwürdigkeiten, deren er sich im trunkenen Zustand schuldig machte und die auf immer seinen Namen schädigen werden.

Die Betsäule Sachsens

Zu einem handfesten Krach des jungen Ehepaars kam es ab dem Frühjahr 1697 aber aus einem anderen Grund: August wollte König von Polen werden. Um dafür überhaupt in Frage zu kommen, konvertierte er am 2. Juni 1697 in Baden bei Wien heimlich zum Katholizismus und verlanget dies auch von Christiane Eberhardine. Die strenggläubige Protestantin, die dreimal am Tag zur Kirche ging und sich auch beim Aussuchen von Liedern für das evangelische Gesangbuch beteiligte, lehnte es kategorisch ab, ihr lutherisches Bekenntnis aufzugeben. Damit gewann die die Sympathie des sächsischen Volkes, die für Augusts Handlungsweise nicht das geringste Verständnis aufbrachten. Mit ihrem Verhalten, dass ihr bis heute die (lobende) Bezeichnung “Die Betsäule Sachsens” einbrachte, wurde sie ungewollt zu einem Faktor der europäischen Politik. Letztlich musste Christiane Eberhardines Haltung auch Friedrich August akzeptieren. Eberhardine war auch nicht dabei, als August am 15. September 1697 gekrönt wurde, und sie hat Polen nie betreten.

Sie lebte zurückgezogen in Pretzsch, unterhielt dort einen großen Hofstaat, den August widerspruchslos finanzierte. Sie unternahm viele Reisen und kümmerte sich um die Erziehung verschiedener Prinzessinnen, darunter die Tochter ihres Bruders Markgraf Georg Wilhelm. Sie starb am 5. September 1727. An ihrer Beisetzung in der Stadtkirche Pretzsch nahmen wieder ihr Gatte noch ihr Sohn teil. Sie gilt bis heute als die tugendhafte unter allen Fürstinnen und aufgrund ihrer Charakterstärke gehört sie zu den großen Frauengestalten der Geschichte.


Text: Stephan Müller.


Bayreuths Bürgermeister: Die vier Bayreuther Rathäuser

Im letzten Teil der Serie zu Bayreuths Bürgermeistern widmet sich bt-Historiker Stephan Müller den Rathäusern der Stadt.


Die beiden “alten”Rathäuser

“Die Stadt Bayreuth hat im Jahr 1721, weil die Stadtkammer nicht bei Kasse war, aus des Hospitals Mitteln das an der Brautgasse gelegene Haus der verwitweten Baronin von Sponheim erkauft und daraus das Rathaus gemacht”

So heißt es in dem Buch “Geschichte der Stadt Bayreuth” von Johann Wilhelm Holle von 1833. 

Das alte Rathaus, das 1446 erbaut und mitten auf dem Marktplatz stand, wurde durch den großen Stadtbrandes von 1621 vernichtet. Noch im selben Jahr wurde in dem Nebengebäude des Hospitals ein Rathaus eingerichtet, welches die Stadt schon 1558 von dem Sattler Hans Hamann um 400 Gulden und 5 Taler erkauft hatte.

Das erste Bayreuther Rathaus stand auf dem Marktplatz. Das Gebäude ist beim großen Stadtband von 1621 abgebrannt. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Mit dem Kauf des Sponheim’schen Hauses an der Brautgasse wurde dem Magistrate zugleich erlaubt, in demselben einen öffentlichen Rathskeller und eine Garküche anzurichten, um darin allerlei Weine, braunes und weisses Bier, sowie auch anderes Getränk auszuschenken, Speisen zu geben und die 1720 angerichtete weisse Bierbrauerei (mit Ausnahme der herrschaftlichen Haushaltungsämter St. Johannis, Schreez, Heinersreuth und St. Georgen am See) in dem Umkreise von einer Meile auszuüben. 

Das Sponheim’sche Haus, in dem sich heute das Kunstmuseum befindet, war von 1721 bis 1917 und von 1945 bis 1972 wegen der Zerstörung des Reitzenstein-Palais das Bayreuther Rathaus. Foto: Stephan Müller.

Das Reitzenstein-Palais

Im Jahr 1916 wurde das Reitzenstein-Palais am Bayreuther Luitpoldplatz zum neuen Rathaus umgebaut. Die Stadt Bayreuth erwarb das von Carl Gontard erbaute Gebäude (1761 bis 1768) schon am 1. Februar 1894 von Emilie von Meyernberg, der Witwe des 1881 verstorbenen Herzog Alexander von Württemberg für 100.000 Mark. Emilie von Meyernberg erhielt “für Lebzeiten das Wohnrecht”. In Zusammenhang mit unserer “Bürgermeisterserie” ist uns Emilie von Meyernberg einige Zeilen wert. 

Die Bayreuther “Madame Belle Époque” war jahrzehntelang der gesellschaftliche Mittelpunkt der Stadt. Geradezu märchenhaft war ihr Aufstieg von der Gänsemaid zur Gemahlin des Herzogs Alexander von Württemberg auf Schloss Fantaisie. “Ein Lächeln von ihr hat alle besiegt”, heißt es im Nachruf des Bayreuther Tagblatts. 

Als Waisenkind hütete Amalie Katharina Pfennigkäufer auf einem Bauernhof die Gänse. Der reiche Frankfurter Bäcker Kirsch lernte das hübsche 17-jährige Mädchen 1847 kennen und heiratete sie vom Fleck weg. Noch am gleichen Tag erschoss sich der Sohn des Bräutigams aus Liebeskummer. 

Aber auch der Bäcker Kirsch wurde nicht lange mit ihr glücklich. Eines Tages kam der damalige Stadt-Gouvaneur Herzog Alexander von Württemberg vorbei und spannte sie ihrem Ehemann für 25.000 Gulden aus. Aus Amalia wurde Emilie von Meyernberg. Sie überlebte ihren zweiten Ehemann um 34 Jahre. Sie starb am 31. März 1915 und liegt neben ihrem Mann im fürstlichen Mausoleum auf dem Stadtfriedhof begraben. Der Reitzenstein-Palais wurde im zweiten Weltkrieg zerstört und in den 60er Jahren endgültig abgerissen.

Das Reiztenstein-Palais war von 1916 bis 1945 das Bayreuther Rathaus. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung.

Das Neue Rathaus

Das Neue Rathaus wurde im Jahr 1972 fertig gestellt und der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellt. Während es heute nicht mehr den Geschmack vieler Bayreuther findet, war die Bevölkerung Anfang der 70er Jahre über den Neubau mehr als angetan.

Ein Beispiel für diese Begeisterung war das Programmheft für die Internationale Runde der TV-Serie “Spiel ohne Grenzen” am 4. Juli 1974, das das Neue Rathaus auf der Titelseite und das ebenfalls gerade neu errichtete Städtische Stadion mit seiner Tribüne auf der Rückseite zeigt.

Die Eurovision-Sendung vom Bayreuther Luitpoldplatz sahen bei europaweiten Einschaltquoten von bis zu 80 Prozent 100 Millionen Zuschauer. Umso ärgerlicher fand es so mancher Bayreuther, dass in dem Vorspann, in dem Bayreuth etwa eine Minute vorgestellt wurde, zwar das Festspielhaus, die Villa Wahnfried mit Wagner-Grab und die Eremitage gezeigt wurden, aber nicht die “modernen” Bayreuther Errungenschaften wie das Neue Rathaus und das Städtische Stadion. Na dann …

Rathausvorplatz

Rathausvorplatz, Foto: Carolin Richter


Text: Stephan Müller


Die bisherigen Teile der Serie

Hans Walter Wild: “Ich liebe es, in die Berge zu sch…”

Hans Walter Wild galt als ein glänzender Redner mit viel Überzeugungskraft. Anlässlich seines 100. Geburtstags am 27. November hat der geschichtsinteressierte Stephan Müller in den Geschichtsbüchern gestöbert und die besten Reden Wilds herausgesucht. Dabei ist er auch auf einen großen Fauxpax des Rhetorikers gestoßen.


Rede in Bayreuth: Oh lala!

Da saß Bayreuths Oberbürgermeiser nun in trauter Runde mit Stadträtinnen und Stadträten aus der neuen Partnerstadt Annecy und parlierte auch ein wenig in französischer Sprache.

Thema war das nahe Fichtelgebirge mit den Wintersportorten Warmensteinach und Bischofsgrün oder die Skipisten auf dem Ochsenkopf. Der Oberbürgermeister wollte der Runde mitteilen, dass er es liebt in den Bergen Ski zu fahren und sagte also:

I`aime chier dans les montagnes

Auch wenn das französische Wörtchen “chier” auf dem Papier dem Wörtchen “Schier” sehr ähnlich sieht und auch ein wenig ähnlich klingt: “Chier” heißt im Französischen nun einmal “scheißen”. Hans Walter Wild teilte seinen verwunderten Zuhörern also mit, dass er es liebt, in die Berge zu “sch …”.

Hans Walter Wild mit den ersten “Politessen” in Bayreuth. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Eine französische Stadträtin kommentierte die von Hans Walter Wild ausgesprochene Vorliebe nach einer wohl gesetzten Pause mit einem tiefen: “Oh lala la!”

Hans Walter Wild: Zitate aus seinen Reden

Es ist wohltuend, dass solch ein “Fauxpas”, der nach der Richtigstellung des anwesenden Übersetzers an diesem Abend für Stimmung sorgte, auch einem Mann wie Hans Walter Wild passieren kann. Ein weiteres “Fettnäpfchen” ist uns auch nicht bekannt. Denn Hans Walter Wild war ein hervorragender Redner, der es in Sekundenschnelle verstand, sich auf seine Zuhörer, egal ob auf Politikprominenz, Bankdirektoren, einem Kegelclub oder bei einer Faschingsnarren, mit den richtigen Worten einzustellen.

Hier einige interessante Zitate aus seinen Reden und Interviews:

Es ist ermutigend, aber auch menschlich erhebend, dass wir 20 Jahre nach Beendigung dieses furchtbaren Krieges mit den Vertretern Annecys zusammen sein dürfen, um mit ihnen gemeinsam der Vergangenheit zu gedenken und mit ihnen über die Zukunft zu sprechen. (23.7.1966 zum Festakt der Städtepartnerschaft Bayreuth-Annecy)

Richard Wagner und Bayreuth – eines hat das Bild des anderen mitgeprägt. Ohne Bayreuth und seine Bürger wäre Wagners Festspielidee vielleicht nie und nirgends Wirklichkeit geworden, hätte der Name Richard Wagner nicht die volle theatergeschichtliche Bedeutung erreicht, die er heute hat. Aber ohne ihn, ohne seine Festspiele, wäre Bayreuth nicht Bayreuth. (23. Juli 1976).

Die Erfolge der Sportler der DDR kommen nicht nur aus der Küche des Staatssports mit seinen Möglichkeiten und Vorteilen. Sie sind auch getragen vom Selbstbewusstsein der Frauen und Männer aus dem Osten Deutschlands. Während wir in der Bundesrepublik Deutschland darauf verzichten, dass die eigene Fahne gezeigt und die Nationalhymne gespielt wird, bildet das Nationalbewusstsein der DDR, in übersteigerten Maße produziert, den Motor großartiger und ungewöhnlicher sportlicher Leistungen. (…). Auch wir Deutsche haben ein Recht auf dieses gesunde Selbstbewusstsein, ja ich meine sogar, wir haben auch die Pflicht zu solchem Selbstbewusstsein, wenn wir mit unseren westlichen Brudervölkern in einem künftig vereinten Europa bestehen wollen. (5. November 1968 zum Empfang der Schwimmerin Heidi Reineck, die in Mexico City Bronze gewann)

Mit seinen Hunden verbrachte Hans Walter Wild seinen Lebensabend in seinem Wohnsitz auf dem Gut Grunau. Foto: Stephan Müller

Mainz wie es singt und lacht, ist nicht Bareith, wie es schläft bei Nacht, und ein hiesiger Faschingsball ist noch lange kein rheinischer Karneval. Trotzdem keine Spur von Neid: Denn Köln ist zwar Köln, aber Bareith bleibt Bareith! Und wenn sie dort jubeln ihr “helau – alaaf”: Mir bleibn do Schwarz-Weiß und raunzen: “Awaaf!” (9. Januar 1978)

Wir lehnen es ab, auf die Dauer immer neue weiterführende Schulen zu bauen und auf unsere Kosten Schüler auszubilden, die zwangsläufig in die Ballungsräume auswandern, weil es die für sie geeigneten, qualifizierten Arbeitsplätze in Oberfranken nicht mehr gibt … Wir wollen nicht zu einem Altersheim der Bundesrepublik werden. Wir wollen die Kraft unserer noch unverbrauchten Jugend nicht ständig an andere abgeben, die sich spät darauf besinne, dass in Oberfranken die Luft rein, das Wasser sauber und das Klima nicht rauh, sondern gesund ist… (6. Juni 1969)

Hans Walter Wild: Der streitbare Vollblutpolitiker

In Teil 14 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Hans Walter Wild, der Bayreuth sportlich und wirtschaftlich weit voran brachte.


Zweiter Oberbürgermeister nach dem Krieg

Als Nachfolger von Hans Rollwagen war Hans Walter Wild der zweite Oberbürgermeister nach dem zweiten Weltkrieg. Wild wurde am 27. November 1919 in Würzburg geboren. Im Jahr 1939 begann er in seiner Heimatstadt das Studium der Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft studieren, ehe er schon 1940 als Soldat an die Ostfront und nach Afrika eingezogen wurde.

Als Kompanieführer geriet er 1943 in Kriegsgefangenschaft und kehrte erst 1948 zurück. Er setzte sein Studium in Würzburg fort und trat 1953 nach dem juristischen Staatsexamen in den Dienst der Stadt Bayreuth. Als SPD-Oberbürgermeisterkandidat setzte er 1956 gegen den renommierten Gegenkandidaten Dr. Fritz Meyer I. von der Bayreuther Gemeinschaft durch. Er war bis 1988 über drei Jahrzehnte Bayreuther Stadtoberhaupt.

Hans Walter Wild im Jahr 1961. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Der damalige Regierungspräsident Wolfgang Winkler lobte ihn am 31. Mai 1978 zum zwanzigjährigen Dienstjubiläum mit folgendem Zitat:

Seine Telefongespräche am Abend um halb sieben erschrecken mich immer derart, dass ich meiner Frau sage, der Wild ruft mich noch an, es dauert noch etwas länger mit dem Abendessen heute.

Wild war ein Oberbürgermeister, der seiner Stadt verpflichtet ist, der seine Stadt zu seiner Stadt gemacht hat, der hart und energisch sein kann, oft erschreckend durchsetzungsstark nach außen und innen. Auf der anderen Seite weich, empfindsam und gefühlvoll bis zu den Tränen rührbar, wenn es an das Innere geht. Winkler weiter:

Die Stadt Bayreuth ist ein Teil von Oberfranken, in seinen Augen ist Oberfranken die Umgebung von Bayreuth, Hof ist ein Vorort, Pegnitz eine Brücke zu Erlangen, und Nürnberg nicht etwa die heimliche Hauptstadt von Nordbayern, sondern in Wirklichkeit eine Trabantenstadt von Bayreuth. Ich wollte damit vielleicht etwas launig sagen: seine Stadt Bayreuth ist seine Stadt.

 

Wild holte die Uni nach Bayreuth

Hans Walter Wild hat sich mit der Entwicklung der Stadt einen unvergessenen Namen gemacht. Der streitbare “rote” Vollblutpolitiker erkämpfte im “schwarzen” Bayern für Bayreuth im Konkurrenzkampf mit anderen oberfränkischen Städten die Ansiedlung einer Universität, setzte sich für den Bau der Bundeswehrkaserne und der BGS-Kaserne auf dem Gelände des ehemaligen Flugplatzes in Laineck ein und konnte durch die Vergrößerung des ersten Bayreuther Industriegebiets in St. Georgen viele neue Betriebe für Bayreuth gewinnen. Dadurch gelang es ihm, die Bevölkerungszahl von rund 61.000 (1956) auf 72.000 Einwohner (1988) und die Bedeutung der Wagnerstadt zu steigern.

Steckenpferd Sport

Nicht ohne Kritik blieb (allerdings erst aus heutiger Sicht) der Bau des Stadtkernrings mit der Mainüberdachung oder der Bau des Neuen Rathauses, weil beiden Projekten einige historische Gebäude zum Opfer fielen.

Sein ganz besonderes Steckenpferd war der Sport. Vor allem durch den Sportstättenbau wie das Städtische Stadion, das in “Hans-Walter-Wild-Stadion” umbenannt wurde, des Eisstadions, des Sportzentrums oder der Oberfrankenhalle schuf er in den 70er und 80er Jahren die Voraussetzungen, dass die Bayreuther Fußballer bis an das Tor der höchsten Spielklasse (die SpVgg scheiterte 1979 erst in den Bundesligaaufstiegsspielen gegen den FC Bayer 05 Uerdingen) anklopften.

Manfred Kreitmeier und Hans Walter Wild. Foto: Bernd-Mayer-Stiftung

Das SVB-Eishockeyteam spielte ein Jahr in der höchsten Spielklasse, die Tischtennisspieler von Steiner Optik spielten in Bundesliga und Europapokal und die Bundesliga-Basketballer wurden sogar deutscher Meister und zweimal deutscher Pokalsieger. Ein derart komprimierter Sportpark, wie ihn Hans-Walter-Wild in Bayreuth schuf, dürfte es nur in wenigen vergleichbaren Städten geben.

Glänzender Redner mit Überzeugungskraft

Wild galt als “ein Meister im Zusammenfassen aller eigenen und Ausnützen aller Fremdhilfen”. Durch seine „Schubladenprojekte“ war er seinen Konkurrenten meist die entscheidende “Nasenlänge” voraus. Er schrieb keine Denkschriften, sondern stand in München persönlich auf der Matte: Wenn er vorne rausgeschickt wurde, kam er hinten wieder rein. Und: Er galt als glänzender freier Redner, der sich wie kein Anderer auf seine Zuschauer – ob Arbeiter oder Akademiker – einstellen konnte.


Text: Stephan Müller

 

Hans Rollwagen: Die Ära der SPD-Bürgermeister beginnt

In Teil 14 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Hans Rollwagen, der die knapp 60-jährige Regierungszeit der SPD in Bayreuth einläutete.


Regierungszeit der SPD beginnt

Von 1948 bis 2006 wurde die Stadt Bayreuth von SPD-Oberbürgermeistern regiert. Dabei waren in diesen bisher 58 Jahren mit Hans Rollwagen (1948 – 1958), Hans Walter Wild (1958 – 1988) und Dr. Dieter Mronz (1988 – 2006) gerade einmal drei Männer im Amt.

Im Zuge der neuen Stadtratswahlen im Jahr 1948 holte die SPD den bewährten Kommunalpolitiker Hans Rollwagen (1892 – 1992) als Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters nach Bayreuth.

Mit 27 Jahren Stadtratsmitglied

Ein idealer Mann für diese schwere Zeit. Der SPD-Politiker gehörte bereits im Alter von 27 Jahren (1919) dem Augsburger Stadtrat an. 1923 wurde er zum ersten Bürgermeister in Neustadt bei Coburg gewählt und ab 1929 Berufsmäßiger Stadtrat in Nürnberg. Im Jahr 1933 bat er um seine Entlassung, weil er nicht mit den neuen Machthabern zusammenarbeiten wollte.

Rollwagen wurde am 14. Juni 1892 in Nördlingen geboren, wuchs aber in Augsburg auf. Er studierte in München, Kiel, Berlin und Würzburg Rechts- und Staatswissenschaften. Zum Beginn des 1. Weltkrieges wurde er einberufen und 1916 vor Verdun schwer verwundet. Erst 1920 konnte er das Große Staatsexamen mit einem glänzenden Ergebnis ablegen.

Im Jahr 1948 wurde Rollwagen noch vom Stadtrat Bayreuth mit einer überwältigenden Mehrheit von 38 von 40 Stadtratsstimmen zum Oberbürgermeister gewählt.

Gründer der GEWOG

Seine ersten Aufgaben im zerstörten Bayreuth sah Rollwagen in einem finanziellen Sparkurs, der Schaffung von Arbeitsplätzen, einer leistungsfähigen Verwaltung und der Linderung der prekären Wohnungsnot. Schon 1949 gründete er aufgrund seiner Erfahrungen als Vorsitzender der städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Nürnberg die Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft (GEWOG), die preisgünstige Sozialwohnungen schuf.

Ab 1950 sorgte er für eine Erneuerung des völlig unzureichenden Kanalnetzes, ehe er ab 1952 mit der planmäßigen Erschließung des Industriegebietes St. Georgen eine weitreichende Entscheidung für den wirtschaftlichen Aufschwung bewirkte. Darüber hinaus setzte er sich für eine zügige Neueröffnung der Bayreuther Festspiele ein, die ab 1951 für eine schnelle Wiederbelebung der Stadt sorgten.

Trotz CSU-Mehrheit wiedergewählt

Sein riesiges Arbeitspensum des pflichtbewussten und bescheidenen Mannes fand auch bei den Bürgern Anerkennung. Wenngleich er bei der Oberbürgermeisterwahl, die 1953 erstmals seit über zwanzig Jahren wieder von den Bürgern entschieden wurde, ohne Gegenkandidaten antrat, fand er eine überwältigende Zustimmung. Von 1954 bis 1962 war er Präsident des Bezirkstages Oberfranken, dem er bis 1970 angehörte. Eindrucksvoll ist, dass er 1958 trotz einer CSU-Mehrheit wiedergewählt wurde.

Landesweite Beachtung fand Rollwagen 1949 mit dem Entwurf einer neuen Bayerischen Gemeindeordnung (“Bayreuther Entwurf”), der die Zustimmung des Städtetages und der amerikanischen Besatzungsmacht fand und Vorlage der im Jahr 1952 eingeführten Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern war.

Der Inhaber des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland und Ehrenbürger der Städte Bayreuth und Neustadt bei Coburg starb am 29: März 1992 im Alter von fast 100 Jahren in Bayreuth.


Text: Stephan Müller

 

Kauper und Meyer – Die Nachkriegsbürgermeister Bayreuths

In Teil 13 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Joseph Kauper und Oscar Meyer, den beiden Nachkriegsbürgermeistern, die von den Amerikanern eingesetzt wurden.


Von den Amerikanern eingesetzt

Wie der Kaffeehausbesitzer Willi Kröll, der nur wenige Tage von den Amerikanern zum “Burgermeister of the City of Bayreuth” eingesetzt wurde, wurde auch der am 21. Juni 1899 in Bayreuth geborene Dr. Joseph Kauper nach dem Krieg von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt.

Der 45-jährige Jurist machte sich am 24. April 1945 auf dem Weg zum amerikanischen Gouverneur, um eine Reisegenehmigung zu seiner Anwaltskanzlei nach Nürnberg zu beantragen. Oberstleutnant Caroll J. Reilly kommt der politisch unbelastete Mann, der seinen Antrag mit einem fließenden Englisch spricht wie gelegen und macht ihn zum Bayreuther Stadtoberhaupt.

Idealer Mann für den Neuaufbau

Der Jurist tritt sein Amt noch am selben Tage an und verstand es trotz der schwierigen Lage, die Interessen der Stadt zu wahren. Er trat gegenüber der Militärregierung sehr selbstbewusst auf und drohte mit seinem Rücktritt, als die Amerikaner von den Bayreuthern die Ablieferung aller Operngläser und Fotoapparate verlangen. Die Machthaber geben nach, weil sie in Kauper den idealen Mann beim Neuaufbau der Stadtverwaltung sehen. Kaupers Amtszeit dauerte nur sieben Monate. Auf einer Dienstreise verunglückt er in Germersdorf tödlich.

Dem Amt nicht gewachsen

Als sein Nachfolger wurde Dr. Oscar Meyer (1885 – 1954) von den Amerikanern als Bürgermeister eingesetzt. Der parteilose frühere Bayreuther Schlachthofdirektor war jedoch den außergewöhnlichen Belastungen des Amtes in der noch immer chaotischen Stadtverwaltung nicht gewachsen.

Gleichzeitig wurde ein Bayreuther Hauptausschuss, dem unter anderem der spätere bayerische Finanzminister Dr. Konrad Pöhner angehörte, eingesetzt. Die ersten Stadtratswahlen fanden am 26. Mai 1946 statt. Von rund 60.000 Einwohnern waren nur rund 22.500 wahlberechtigt.

Der neue Stadtrat wählte Meyer zum Oberbürgermeister und den späteren Ehrenbürger Adam Seeser zum zweiten Bürgermeister. Dennoch regierten noch die Amerikaner. Meyer musste noch täglich beim Militärgouverneur erscheinen um Weisungen entgegenzunehmen.

Im Zuge der neuen Stadtratswahlen im Jahr 1948 holte die SPD den bewährten Kommunalpolitiker Hans Rollwagen als Kandidaten für das Amt des Oberbürgermeisters nach Bayreuth. Hans Rollwagen, der im Alter von 27 Jahren ab 1919 in Augsburg schon Stadtrat war, 1923 in Neustadt bei Coburg zum ersten Bürgermeister gewählt wurde und von 1929 bis 1933 berufsmäßiger Stadtrat in Nürnberg war, wird im nächsten Teil unserer Serie vorgestellt.


Text: Stephan Müller

 

Dr. Fritz Kempfler: Ein Nationalsozialist kapituliert

In Teil 12 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Dr. Fritz Kempfler, einem Nazi der vor den Amerikanern kapitulieren musste.


Nachfolger von Gauleiter Wächtler

Nachdem der unbeliebte Gauleiter Fritz Wächtler mit Dr. Karl Schlumprecht und Dr. Otto Schmidt bereits zwei Bayreuther Oberbürgermeister “verschlissen hatte” setzte er sich im Mai 1938 selbst als Stadtoberhaupt ein. Dies fand nicht die Billigung des Führers, der Wächtler ein Ultimatum setzte.

Schon am 1. Juli 1938 berief er den Eggenfeldener Dr. Fritz Kempfler (1904 – 1985), der als berufsmäßiger Stadtrat in Fürth tätig war, zum neuen Oberbürgermeister. Dem 33-jährige Juristen und Stipendiaten des Maximilianeums gelang es, sich neben dem mächtigen Gauleiter zu behaupten.

Bayreuth wächst

Durch Eingemeindungen zum 1. April 1939 gelang es ihm das Stadtgebiet durch die Eingemeindung von Cottenbach, Crottendorf (heute Bindlach), Oberkonnersreuth, St. Johannis, Colmdorf und Meyernberg zu vergrößern. Die Einwohnerzahl stieg um 2.200 auf rund 45.000 Einwohner. Durch diese Gebietsreform gewann das Stadtgebiet mit rund 1.000 Hektar fast die Hälfte des bisherigen städtischen Grundes dazu. Reichsstatthalter von Epp soll dem NSDAP-Politiker mitgeteilt haben, dass er doch noch “einen kleinen Teil Oberfrankens außerhalb von Bayreuth belassen möge”.

Brand verhindert – Opernhaus gerettet

Kempfler gehörte wohl zu der Kategorie von Nationalsozialisten, die von der Ideologie überzeugt waren, ohne sich völlig fanatisieren zu lassen. In den Beginn seiner Amtszeit fiel die so genannte “Reichskristallnacht” am 9. November 1938. Gauleiter Wächtler weilte zum 15-jährigen Gedenktag des Münchner Hitlerputsches in München, wo Reichsminister Goebbels die Anweisungen für die Vernichtung der jüdischen Synagogen verkündete. In der Bayreuther Ludwig-Siebert-Halle gab es ebenfalls eine Gedenkfeier. Aus München ordnete Wächtler die Vernichtung der Bayreuther Synagoge in der Münzgasse auf.

Oberbürgermeister Kempfler konnte eine Brandlegung wegen der Gefährdung für das angrenzende Markgräfliche Opernhaus verhindern. Dennoch wurde die Einrichtung zerstört oder abtransportiert.

Unterbrechung wegen Kriegsdienst

Kempflers Tätigkeit in Bayreuth wurde immer wieder durch militärische Einberufungen unterbrochen. Im zweiten Weltkrieg wurde er ab 1941 als Leutnant im Luftgaupostamt in Paris und in Frankfurt eingesetzt und ab 1942 als Oberleutnant der Flakartillerie eingesetzt. Er erhielt das Eiserne Kreuz II. Klasse und die Afrika-Medaille. Im Februar 1944 schied er wegen einer schwerer Strahlenpilz-Erkrankung und einer Kehlkopferkrankung aus dem Militärdienst aus. Am 30. August 1944 nahm er seinen Dienst im Bayreuther Rathaus wieder auf. In den letzten Kriegswochen bewahrte Umsicht und ließ seine Stadt nicht im Stich.

Ganz im Gegensatz zu Gauleiter Fritz Wächtler, der seit 1944 auch SS-Obergruppenführer war. Nach dem Vorstoß amerikanischer Truppen auf die Gauhauptstadt wurde Wächtler wegen vorzeitigen Verlassens seiner Befehlsstelle in Bayreuth von einem SS-Kommando in der Gauleitungs- Ausweichstelle angeblich auf Grund eines Hitler-Befehls bei Waldmünchen erschossen. Wohl nichtl zu Unrecht wurde hier eine Intrige seines Stellvertreters Ludwig Ruckdeschel vermutet.

Kapitulation vor Amerikaner

Doch zurück zu Dr. Fritz Kempfler. Als die amerikanischen Truppen am 14. April 1945 von Altenplos in Richtung Bayreuth vorrückten, ließ er sich auf Verhandlungen in Cottenbach ein.

Kempfler hätte den Amerikanern seine Stadt auch ohne den berühmten Ausspruch “Entweder Übergabe oder we make Bayreuth flat…” übergeben. Vorher musste er jedoch in St. Johannis den General Hagl, der die Stadt (“Befehl ist Befehl”) immer noch verteidigen will, zur Kapitulation überreden. In der Zwischenzeit hissten die Bayreuther auf Aufforderung des Kaffeehausbesitzers Willi Kröll (“Schlosscafè Metropol”) weiße Flaggen. Danach half Kröll beim Löschen des Alten Schlosses.

Krölls Zivilcourage blieb den Amerikanern nicht verborgen. Am 15. April erhielt er ein Ernennungsschreiben, das ihn mit dem Satz “Willi Kröll is hereby appointed Burgermeister of the City of Bayreuth” zum Bürgermeister. Kempfler wird am 17. April in ein Internierungslager gebracht. Kröll behielt sein Amt nur wenige Tage, ehe er wieder – vor allem für die Besatzungsmacht – als Gastronom tätig wurde. Dr. Fritz Kempfler starb am 18. Oktober 1985 in seiner Heimatstadt Eggenfelden.


Text: Stephan Müller

 

Bayreuths Bürgermeister: Die Stadt in den Händen der Nazis

In Teil 11 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von der Zeit der Nationalsozialisten.


Einzug der Nazis in den Stadtrat

Mit dem Einzug der Nationalsozialisten in den Stadtrat war besonders die bisher eher ausgleichende kommunalpolitische Strategie von Albert Preu an ihre Grenzen gelangt. Dem bürgerlich-konservativ verwurzelten Bürgermeister machten die rhetorischen und volksverhetzenden Fähigkeiten des jungen Hans Schemm schwer zu schaffen.

Im Stadtrat kam es oft zu chaotischen Zuständen. Am 1. Mai 1933 wurde Preu “nach Erreichung der Altersgrenze” von den neuen Machthabern in den Ruhestand geschickt.

Jüngster Oberbürgermeister des Reiches

Sein Nachfolger wurde der Fürther Dr. Karl Schlumprecht von der NSDAP. Der mit 32 Jahren jüngste Oberbürgermeister des gesamten Reiches stand trotz des großen Karrieresprungs ganz im Schatten des zehn Jahre älteren Gauleiters Hans Schemm. Nach dessen tödlichem Flugabsturz am 5. März 1935 wurde der unbeliebte Fritz Wächtler (1891 – 1945) Gauleiter, der Bürgermeister Schlumprecht zwei Jahre später aus dem Dienst entfernte.

Vom Bürgermeister zum Ministerialdirektor

Zur Eskalation des Konflikts kam es, als der frühere thüringische Kultusminister die beiden von Schlumprecht eingesetzten Krankenhaus-Chefärzte Dr. Wolfgang Deubzer und Dr. Hermann Koerber wegen angeblicher “Sabotage am Volksgesundheitswerk” vom Dienst suspendieren und verhaften ließ.

Schlumprecht konnte kurz vor seiner “Absetzung” noch wichtige Verbindungen knüpfen. Im April 1937 konnte er sich als neu ernannter Ministerialdirektor in München dem Zugriff Wächtlers entziehen. Karl Schlumprecht starb am 31. März 1970 in München.

Von Hitler abgelehnt

Auf Vorschlag Wächtlers wurde der Coburger Oberbürgermeister Dr. Otto Schmidt (1901 – 30. April 1945) ab 27. Juli 1937 neues Stadtoberhaupt in der Gauhauptstadt. Auch er kam mit dem totalen Nationalsozialisten Wächtler nicht zurecht, warf schon am 3. Mai 1938 das Handtuch und verließ Bayreuth in Richtung Hanshagen. Daraufhin setzte sich Fritz Wächtler selbst als kommissarischer Oberbürgermeister ein. Dies fand jedoch nicht die Zustimmung Hitlers, der in diesen Jahren immer wieder Gast im Hause Wahnfried war. Er forderte Wächtler auf, bis zum Beginn der Bayreuther Festspiele ein neues Stadtoberhaupt einzusetzen.

Der Führer wurde von Wächtlers Stellvertreter und Intimfeind Ludwig Ruckdeschel, dessen Frau gute “Kontakte” nach Berlin hatte, regelmäßig über die Vorkommnisse in Bayreuth informiert. Wächtler war bei Hitler ohnehin wenig geschätzt, weil er als Alkoholiker zu unbeherrschten Ausbrüchen und Bloßstellungen gegenüber Untergebenen neigte. Wächtler befolgte das Ultimatum sofort und berief schon am 1. Juli 1938 den 33-jährigen Eggenfeldener Dr. Fritz Kempfler zum neuen Oberbürgermeister.

Nachzutragen bleibt, dass Dr. Wolfgang Deubzer zusammen mit dem späteren bayerischen Finanzminister Dr. Konrad Pöhner oder dem bekannten Rechtsanwalt Dr. Fritz Meyer einer von fünf “Freien Wählern” (heute Bayreuther Gemeinschaft) im ersten Nachkriegs-Stadtrat von Bayreuth vertreten war.


Text: Stephan Müller

Albert Preu – der erste vom Volk gewählte Bürgermeister Bayreuths

In Teil 10 der bt-Serie zu Bayreuths Bürgermeistern erzählt bt-Hobbyhistoriker Stephan Müller von Albert Preu, dem ersten, vom Volk gewählten Bürgermeister Bayreuths.


Mit 60 Prozent gewählt

Der im unterfränkischen Castell geborene Albert Preu (1868 – 1944) war der erste Bayreuther Oberbürgermeister, der direkt von der Bevölkerung gewählt wurde. Am 13. Juli 1919 wurde er mit 60 Prozent aller Stimmen klarer Sieger über seinen Gegenkandidaten Karl Hugel (SPD). 

Preu war in Bayreuth schon seit 20. Juli 1894 während der Amtszeit seines Vorgängers Dr. Leopold Cassemann als Rechtsrat in städtischen Diensten und fungierte als Stellvertreter von Oberbürgermeister Dr. Leopold Casselmann. Damit hatte er gegenüber Hugel einen klaren “Amtsbonus” weil Casselmann als Landtags- und Reichstagsabgeordneter sehr häufig und längere Zeit in München und Berlin weilte. 

Foto: Stephan Müller.

Der Flaggenstreit

Auch wenn Albert Preu nicht immer Toleranz gegenüber seinen politischen Gegnern zeigte, gelang es ihm in den ersten Jahren, dass fast 90 Prozent der Stadtratsbeschlüsse einstimmig gefasst wurden. 

Den Unmut seiner bürgerlichen Kollegen zog er sich allerdings in dem sogenannten “Flaggenstreit” zu. Als die Stadtverwaltung nach dem Tod des ersten sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert eine Trauerbeflaggung veranlasste, forderte die bürgerliche Mehrheit des Stadtrats die sofortige Entfernung. 

Der spätere Bayreuther Ehrenbürger sprach sich für eine Beflaggung aus und erinnerte daran, dass diese Ehre auch toten Gegnern erwiesen werden sollte. Daraufhin warf man ihn eine fehlende vaterländische Gesinnung vor.

Nazis im Stadtrat

Noch schwieriger wurde seine Amtszeit mit dem Einzug der Nationalsozialisten in den Stadtrat. Der höfliche und in bürgerlich-konservativen Traditionen verwurzelte Sohn eines Kirchenrates, der stets mit einer ausgleichenden kommunalpolitische Strategie Erfolg hatte, war den lauten und volksverhetzenden Rhetorikern der NSDAP – allen voran der junge Hans Schemm – unterlegen. 

Am 1. Mai 1933 wurde Albert Preu im 65. Lebensjahr “nach Erreichung der Altersgrenze” von den neuen Machthabern in den Ruhestand geschickt. Die NSDAP übernahm endgültig die Macht in der Wagnerstadt.

Über die nationalsozialistischen Bürgermeister berichten wir im nächsten Teil unserer Serie. 


Text: Stephan Müller